"Noten Copilot": Revolutioniert KI die Korrektur von Klausuren?
Zusammen mit einem kleinen Team hat die Rendsburger Schulleiterin Rebecca Timmermann ein KI-Tool entwickelt, das Klausuren bewerten kann - und dabei bis zu 70 Prozent Zeitersparnis bringen soll. Ein Gespräch über die Chancen und Grenzen der Anwendung.
Für Lehrkräfte ist die Benotung von Klassenarbeiten ein echter Zeitfresser: Bis zu zwei Stunden pro Klausur dauert die Korrektur, schätzt Rebecca Timmermann, Schulleiterin an der Herderschule in Rendsburg. Das von ihrem Team entwickelte KI-Tool "Noten Copilot" soll Zeit einsparen, die Lehrkräfte für die Förderung ihrer Schüler*innen nutzen können.
Frau Timmermann, wie unterstützt der "Noten Copilot" Sie konkret, zum Beispiel bei der Benotung einer Deutsch-Klausur?
Rebecca Timmermann: Der "Noten Copilot" ist letztlich so gedacht wie der Taschenrechner in der Mathematik. Er ist also ein Unterstützungstool. Das Programm funktioniert in drei Schritten. Zunächst lädt die Lehrkraft die Aufgabe, die sie den Schülerinnen und Schülern gestellt hat, hoch. Dann lassen sich die Anforderungen und Erwartungen an die Bewertungskriterien angeben. Danach lädt die Lehrkraft den Schüler-Text hoch, entweder digital oder als abfotografierte Handschrift. Der "Noten Copilot" macht daraufhin Bewertungsvorschläge für jedes Bewertungskriterium. Außerdem macht er eine Rechtschreibprüfung und gibt einen Feedback-Text. Die Lehrkraft kann dann mit diesen Vorschlägen und dem Feedback-Text weiterarbeiten. Ganz wichtig: Der "Noten Copilot" ersetzt die Lehrkraft nicht, sondern ist eben ein Assistent.
Die Anwendung benotet also nur vor - und Sie als Lehrerin gehen alles noch einmal durch und machen dann eine eigene Bewertung. Wie viel Zeit spart die Anwendung denn ein?
Timmermann: Wir haben die Rückmeldung von den Usern bekommen, dass sie in der Regel zwischen 50 und 70 Prozent Zeitersparnis haben. Es ist, als wenn eine andere Lehrkraft die Arbeit als Erstkorrektor vorkorrigiert hat und ich mir diese Korrektur anschaue und sie berichtige. Ein großes Potenzial liegt auch darin, dass die KI dabei unterstützen kann, dem Schüler Verbesserungen vorzuschlagen oder darauf hinzuweisen, wo die Dinge schon wirklich gut gelungen sind.
Können Schüler*innen mit besonderen Lösungswegen bei so einer automatisierten Bewertung nicht auch durchs Raster fallen?
Timmermann: Das ist natürlich eine Gefahr, die man bedenken muss. Aber dadurch, dass die Lehrkraft ja der Pilot ist und am Steuer bleibt, ist gewährleistet, dass genau diese individuellen Lösungswege mit bewertet werden können und auch zulässig sind. Das ist ganz wichtig, weil Texte von Schülerinnen und Schülern natürlich sehr unterschiedlich sind. Man denke zum Beispiel an die Gedicht-Interpretation, wo man ja auch Spielraum hat. Und den wollen wir auch unbedingt geben.
Könnten Sie sich vorstellen, dass in näherer Zukunft die Benotung komplett von einer KI übernommen wird?
Timmermann: Nein, das glaube ich nicht. Das ist auch nicht sinnvoll. KI-Modelle haben bestimmte Chancen, die sie uns bieten, um uns zu entlasten. Aber am Ende bleibt der Lehrer derjenige, der die pädagogische Leitung im Cockpit hat und die Note gibt. Manchmal ist es ja auch so, dass man eine Leistungssteigerung bei einem Schüler wahrnimmt und ein Signal geben möchte, dass man das gesehen hat, es wertschätzen will. Das muss unbedingt möglich sein. Korrigieren ist sehr viel mehr als ein Prozess, den man an eine Maschine abgeben kann - das ist uns bei diesem Projekt ganz klar geworden. Da sind viele Emotionen mit verbunden, auch auf Lehrerseite. Denn man hat hohe Anforderungen an sich, es möglichst fair und korrekt zu machen.
Stichwort Fairness: Ich erinnere aus meiner Schulzeit, dass in die Bewertungen von Aufsätzen durch Lehrkräfte auch durchaus mal ein persönliches Geschmäckle oder das Verhalten von Schüler*innen im Unterricht einfließen konnte. Könnten Bewertungen durch die KI Korrekturen vielleicht sogar ein bisschen fairer machen?
Timmermann: Es sichert auf jeden Fall die Vergleichbarkeit. Das Gute ist: Die KI ist ja nicht, so wie wir Lehrkräfte, mal schlecht gelaunt oder hat nicht gut gefrühstückt. Sie wird auch nicht müde - so wie wir, wenn wir spät abends noch ein, zwei Hefte schaffen wollen. Das ist durchaus ein Mehrwert. Trotzdem: Der Lehrer kann nicht ersetzt werden, sondern sollte die KI als Unterstützung sehen. Die Vergleichbarkeit, die sie liefert, gibt einen Hinweis darauf, wo ich noch einmal genauer nachschauen sollte.
Wie schätzen Sie die Fähigkeiten ihrer Kolleg*innen an den Schulen im Umgang mit der KI ein? Haben die Schüler*innen einen Vorsprung?
Timmermann: Wir bewegen uns alle auf einem Feld, in dem wir ganz viel Neues kennenlernen, ausprobieren und feststellen, dass einige Dinge besser und andere Dinge schlechter funktionieren, als man dachte. Natürlich gibt es immer Personen, die sehr modern sind und sich dieser Entwicklung auch gleich annehmen. Dann gibt es, und das finde ich auch gut so, Menschen, die einfach sagen: Nee, ich bleibe bei meinen gewohnten Routinen, ich möchte das gar nicht dadurch ersetzen. Ich glaube, es ist wichtig, die Chancen zu sehen, aber auch mit wachsamen Augen auf die Gefahren zu blicken.
Sie würden also dafür plädieren, dass die Lehrkräfte selbst entscheiden, ob sie sich einen KI-Copiloten an die Seite holen möchten oder nicht?
Timmermann: Ja, das ist der einzige Weg. Denn auch der Mathe-Kollege hat ja bisher überlegt, wann er den Taschenrechner verwendet oder nicht. Wichtig ist, dass wir gucken, wie wir Kolleginnen und Kollegen entlasten können. Und wenn ich eine Belastung durch die Korrekturen spüre, hat man jetzt eine Möglichkeit, sich dort eine Entlastung zu schaffen.
Das Gespräch führte Anna Novák.