Arbeitsbedingungen am Theater: Machtmissbrauch durch Verträge?
Ob Schauspielerin, Regieassistent oder Pressesprecherin: Die meisten Theaterleute sind im "Normalvertrag Bühne Solo" beschäftigt - und über den wird seit Jahren debattiert. Die Bühnengenossenschaft fordert bessere Vertragsbedingungen.
Ein großer Knackpunkt ist die Vertragslänge: Der "Normalvertrag Bühne" läuft sehr kurz - nur ein Jahr nämlich. So können Theaterleitungen im jährlichen Turnus begründen, ob sie ihn verlängern oder nicht. Die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger GDBA beklagt seit Langem, dass sich Intendanzen dabei auf rein "künstlerische Gründe" berufen können.
Unklare Begründungen bei Nicht-Verlängerung
Eine Schauspielerin aus Norddeutschland hat es erlebt: Ihr Vertrag an einem öffentlich finanzierten Theater wurde nicht verlängert - allerdings aus frei erfundenen Gründen, glaubt sie. "In meinem Fall waren es definitiv irgendwelche persönlichen Gründe, die ich aber nicht kenne. Dann wird gesagt: Du spielst nicht mehr gut. Es gab aber nie ein Personalgespräch, sondern es kam dann gleich: Wir werden dich nicht verlängern."
Dadurch, dass die Nicht-Verlängerung immer ein Jahr vorher ausgesprochen wird, bevor man gehen muss, könne man sich wenigstens in Ruhe einen neuen Job suchen, sagt die Schauspielerin. Allerdings sei für die verbleibende Zeit am Theater dann auch ein dickes Fell nötig: "Es ist total schwer, dieses Jahr dann noch zu arbeiten, weil man weiß: Meine Vorgesetzten finden mich künstlerisch nicht gut genug. Ich stehe aber jeden Abend da und muss vor den Leuten bestehen."
Möglicher Machtmissbrauch durch "Normalvertrag Bühne"
Die nachvollziehbare künstlerische Flexibilität kann in Personalfragen in Machtmissbrauch umschlagen. Auch Sarah Grahneis kennt die Diskussionen darum. Sie ist Dramaturgin am Staatstheater Braunschweig und wie etliche ihrer Kolleginnen und Kollegen ist auch sie seit Jahren unter den Bedingungen des Normalvertrags Bühne angestellt: "Machtmissbrauch - wer einen Vertrag sucht, der einem das ermöglicht, findet im 'NV Bühne' sicherlich viele Möglichkeiten, das zu tun. Es hängt ganz stark von den Theaterleitungen ab, wie das Klima am Haus ist - ob man an einem Haus beschäftigt ist, wie ich das auch hier wahrnehme, wo die Theaterleitung sich bemüht und wo dieses Klima der Angst nicht herrscht."
Bedürfnis nach Planbarkeit und Sicherheit
Zugleich zeigt Dramaturgin Grahneis durchaus Verständnis dafür, dass Intendanzen flexibel bleiben wollen und müssen, um ihre künstlerischen Programme umzusetzen. Sich von Beschäftigten auch wieder trennen zu können, sei deshalb wichtig. Das Bedürfnis der Betroffenen nach größerer Sicherheit und Planbarkeit ihres Lebens allerdings hält Grahneis für genauso relevant. "Das unter einen Hut zu bringen, ist schwierig. Es gibt dennoch Möglichkeiten, wie eine behutsame Reformation passieren kann. Man muss nicht von heute auf morgen das ganze System niederschlagen, sondern versuchen, im Diskurs verträgliche Lösungen zu finden, die es sukzessive verändern. Beispielsweise, dass nach einer Probezeit der Vertrag nicht für ein Jahr weitergesetzt wird, sondern für drei Jahre."
Schwammige Formulierungen bei den Arbeitszeiten
Dringend nachgebessert werden muss auch unbedingt beim Thema Arbeitszeiten, findet Regieassistentin Beatrice Müller. Sie ist zugleich die stellvertretende Vorsitzende der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger im Lokalverband Braunschweig. Im "Normalvertrag Bühne" seien die Anforderungen an Arbeitszeiten nur sehr schwammig formuliert, kritisiert die Gewerkschafterin, "da der Tarifvertrag vier Berufsgruppen vertritt, die unterschiedliche Ansprüche an ihre Arbeitszeit und Arbeitsweisen haben. Und natürlich ist die Arbeitszeiterfassung ein großes Problem. Die langen Tage - das muss man einfach angehen."
Erhöhung des Mindestgehalts ab 2023
Ein weiteres großes Thema, was die Theaterleute umtreibt, ist die Bezahlung. Immerhin: Inzwischen ist das Mindestgehalt für Beschäftigte im "Normalvertrag Bühne" Stück für Stück angehoben worden. Die GDBA und verschiedene Berufsverbände aus dem Theaterbereich hatten sich dafür stark gemacht. Mit knapp 2.000 Euro brutto lag die Mindestgage zuvor kaum über Mindestlohn. Und auch jetzt, mit Anhebung auf 2.700 Euro brutto ab dem kommenden Jahr, liegen die Gehälter der Normalvertragsbeschäftigten teilweise immer noch deutlich unter denen beispielsweise von Orchestermusikern - denn die sind zumeist Angestellte des öffentlichen Dienstes.