Porträt-Fotografie von Franz Kafka (1883 - 1924 © picture-alliance / maxppp Foto: Costa
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AUDIO: Franz Kafka: Eine intellektuelle Kultfigur (15 Min)

Franz Kafka: Wer war der rätselhafte Autor?

Stand: 20.08.2024 14:27 Uhr

Franz Kafka, wer war das? Die Frage lässt sich mindestens auf 1.001 Art beantworten. 100 Jahre nach seinem Tod am 3. Juni 1924 ist der Autor von "Der Prozess" und "Die Verwandlung" immer noch ein Rätsel. Seine Bücher aber führen wie Sternenlicht durchs Dunkel.

von Joachim Dicks

Keine einzige Antwort ist wohl genau genug, um ein klares, abschließendes Bild von Kafka zu abzugeben. Keine Sorge: Auch hier wird das Rätsel Kafka nicht gelöst. Aber einen Versuch unternehmen wir mal. Wie aber anfangen? Zum Beispiel so: Franz Kafka ist ein deutschsprachiger Schriftsteller, der seine Leserschaft mit den ersten Sätzen seiner Erzählungen und Romane sofort in ihren Bann zu ziehen versteht." Etwa in "Der Prozess" :

Jemand musste Joseph K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. Anfang von "der Prozess2

Eine Frau fotografiert mit ihrem Smartphone ein Gemälde von Franz Kafka - gemalt von Siegfried Herz - in einer Ausstellung in Prag © picture alliance / CTK Foto: CTK Photo/Vit Simanek, paintings by Siegfried Herz
Mehrere Ausstellungen in ganz Europa widmen sich 2024 zum 100. Todestag von Franz Kafka seinem Werk, seinen Briefen, den Gemälden und Fotos von ihm.

Oder in "Die Verwandlung": "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt." Solche wuchtigen Sätze finden sich aber nicht nur am Anfang. "Der Prozess" endet mit den Worten: "Es war, als wollte die Scham ihn überleben." In einem Brief an seinen Freund Oskar Pollak schreibt Kafka den legendären Satz:

Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Briefzitat

Unheimliche Seiten unseres Lebens in Literatur verwandelt

So klingen hohe literarische Ansprüche. Der in kaiserlich und königlichen Zeiten in Prag geborene Autor hat mit seinen Briefen, Erzählungen und Romanen einen Stil geprägt, der schon bald nach seinem Tod als "kafkaesk" bezeichnet worden ist. Zurecht. Denn in seiner kurzen Lebenszeit von 1883 bis 1924 hat er so viele rätselhafte, bedrohliche und unheimliche Seiten unseres Lebens in literarische Texte verwandelt, dass einem bis heute schwindelig werden kann.

Für den Musiker und Schriftsteller Sven Regener sind Kafka-Erzählungen, so hat er es einmal in einem Radio-Interview gesagt, wie die Begegnung mit einem "Paralleluniversum" und er vergleicht Kafka-Texte mit der Bibel. "Blumfeld" fand ihren Band-Namen in der gleichnamigen Erzählung von Kafka. Der oscargekrönte Filmemacher aus Österreich, Michael Haneke, hat in seiner frühen Zeit "Das Schloss" mit Ulrich Mühe in der Rolle des Joseph K. in Bilder übersetzt.

Illustration von Kafka. © PantherMedia / iku4 Foto: iku4
AUDIO: Franz Kafka: Der Prozess (85 Min)

Absurdität der Bürokratie, Banalität des Bösen

Wann immer wir die Absurdität der Bürokratie, die Banalität des Bösen, die Unbegreiflichkeit Gottes oder die familiären Verstrickungen unserer seelischen Verfasstheit begreifen wollen, können uns Kafkas Bücher wie Sternenlicht durchs Dunkel führen.

Dabei können wir immer wieder darüber staunen, woher er das alles schon gewusst hat. Rüdiger Safranski, der zum 100-sten Jahrestag von Kafkas Tod am 3. Juni 1924 in Kierling (Österreich), wo der Autor iml Alter von 40 Jahren an den Folgen einer Lungentuberkulose starb, das Buch "Um sein Leben schreiben" vorgelegt hat, nennt ihn einen "Autor der absoluten Literatur".

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Kafka hat für das Schreiben einfach alles in den Schatten gestellt

Kafka war also auch ein Mensch, der für das Schreiben alles in den Schatten gestellt hat: die Liebe, die Ehe, den Beruf, die Gesundheit, einfach alles. Dafür hat er eine oft schmerzhaft präzise Sprache gefunden, die uns immer noch treffen kann. Er hat uns immer wieder mit außergewöhnlichen Erzählperspektiven überrascht: der Blickwinkel eines Käfers, eines Affen oder eines Hundes war ihm ebenso vertraut, wie der eines Landvermessers oder eines Heizers.

Auch Daniel Kehlmann, der die Drehbücher zur ARD/ORF-Serie "Kafka" verfasst hat, sagt, dieser sei "der wirkungsreichste und berühmteste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts". Er habe nicht nur die Literatur des 20. Jahrhunderts geprägt - und des 21. auch. "Er hat eine ganze Weltauffassung geprägt. Die zu tun hat mit Technologie, mit der Falle der Technologie, der Falle der Bürokratie. Mit dem Überfordert-Sein des Einzelnen gegenüber der gewaltigen lastenden Übermacht des Staates oder der großen Strukturen der Gesellschaft. Wer immer in so eine Gemütslage kommt, kann sich auf Kafka berufen oder eben dadurch, dass Kafka das so gültig beschrieben hat, sich auch verstanden und getröstet fühlen."

Kafka, wer war das noch gleich? Keine Ahnung. Aber seine Bücher gehören zu den größten Rätseln der Literatur. Mögen sie niemals gänzlich gelüftet werden.

VORSCHAU: Trailer: ARD-Serie "Kafka" mit Joel Basman als Schriftsteller (2 Min)

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NDR Kultur | Neue Bücher | 26.03.2024 | 17:20 Uhr

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