Interview zur "Kafka"-Serie: Rolle war ein Entwicklungsprozess
Franz Kafka hat die Literatur- und Seelenwelt mit seinen Geschichten, Romanen, Erzählungen nachhaltig geprägt. Am 3. Juni 1924 ist der Schriftsteller gestorben, schon jetzt wird Kafka in den Feuilletons, Büchern und Filmen "wiederbelebt", auch in der ARD.
Im Ersten wird ab dem 26. März die sechsteilige Fernsehserie "Kafka" gezeigt. Das Drehbuch hat Daniel Kehlmann geschrieben, daran mitgearbeitet und Regie geführt hat David Schalko, Joel Basman ist in der Hauptrolle als Franz Kafka zu sehen. Beide, Schalko und Basman, haben sich in der "Filmbiographie" dem Leben und Werk des Juristen und Schriftstellers angenähert, sich mit Bildern, Vorstellungen, Klischees von und über Kafka gründlich auseinandergesetzt, bis sie zu "ihrem" Kafka gefunden haben. Über diesen Weg, über das Leben, sein Werk, seinen Beruf spricht Martina Kothe mit Joel Basman und David Schalko in NDR Kultur à la carte.
Die Fernsehserie "Kafka" hat sechs Folgen, jede wirft ein Schlaglicht auf die Figur und jedes Mal wird Kafka aus einer anderen Perspektive angeschaut. In der ersten Folge zum Beispiel wirft sein engster Freund Max Brod einen Blick auf ihn.
Max Brod ist ein toller Freund für Kafka. Brod findet ihn fantastisch und findet auch seine Texte fantastisch. Hat jeder, der künstlerisch arbeitet, mal so einen Max Brod im Leben gehabt? Haben Sie beide einen solchen Freund?
David Schalko: Ich würde mir in meinem Leben so einen Max Brod wünschen. Es ist eine sehr große, altruistische Freundschaftsleistung von Max Brod, das Werk Kafkas über das eigene zu stellen. Denn Brod war gleichzeitig auch ein sehr ehrgeiziger und publikatiosmanischer Schriftsteller. Trotzdem hat er erkannt, dass das Werk von Kafka größer ist als seins. Ihm verdanken wir letztendlich auch, dass er das Werk nicht verbrannt hat, wie Franz Kafka das befohlen hat. Das war auch eigentlich sein letzter Wunsch. Max Brod hat es nicht nur gerettet, sondern er hat es in die Welt getragen und berühmt gemacht. Das ist ihm am Ende seines Lebens auch vorgeworfen worden.
Das kommt in der ersten Folge auch vor, dass er es für die Welt gedeutet und die Tagebücher verändert hat. Es wurde ihm vorgeworfen, dass er die Tagebücher veröffentlicht hat. Wir wissen aber auch, dass er Milena die Tagebücher übergeben hat und ihr gesagt hat, sie soll damit tun, was sie will. Er hat nicht jedem gesagt, dass alles verbrannt gehört. Insofern glaube ich, dass dieser Wunsch der Verbrennung des Werkes eigentlich fast alle unfertigen Romane betroffen hat.
Die zweite Folge handelt von Felice, sie ist die zweite Erzählerin. Und darin geht es um die Familie. David Schalko, Sie sind ein erfahrener Regisseur und haben sich Kafka mit Sicherheit nicht nur über den Text und die Arbeit am Drehbuch angenähert. Was für cinematografische und bildsprachliche Mittel haben Sie eingesetzt, um die Atmosphäre so nah an der Person wie möglich zu gestalten?
Schalko: Der Kern der Serie ist neben den Perspektiven, wie aus einem realen Leben große Literatur entsteht, welche Ereignisse dazu führen und wie die miteinander verbunden sind. Das wissen wir bei Franz Kafka sehr klar, und zwar dank Reiner Stach und einigen Biografien. Beispielsweise bei Felice im Askanischen Hof, wo sie Kafka den Prozess macht, warum er sie nicht heiraten will. Uns war wichtig, das zu verflechten. Wir wollten keinen Bruch von Realität und dem Buch haben. Deswegen war es uns wichtig, die Realität so zu gestalten, dass sie fast wie Literatur wirkt.
Joel Basman, ich glaube, ein wichtiger Punkt in dieser Rolle war auch die Sprache. Ich habe gehört, dass Sie sich eine ganz eigene Sprechweise für den Kafka ausgedacht haben.
Joel Basman: Ja, beziehungsweise musste ich das auch. Bei historischen Rollen gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder gibt es noch Menschen, die diese Leute kennen oder audiovisuelle Aufnahmen. Wenn es die nicht gibt, muss man seiner Fantasie freien Lauf lassen. Das war ein längerer Prozess. Angefangen hat das mit irgendwelchen Sprachnachrichten, die ich David geschickt habe, und zwar über ein Interview von einem Sportler, der einen spannenden Dialekt hat, oder von einem anderen Autoren, der sein Hörbuch selber liest und, und, und. Das war ein Pingpong, wo David mir sagen konnte: "Ist mir zu viel von dem oder die Richtung verstehe ich, aber ..." Diese Art zu sprechen ist also eher häppchenweise entstanden.
Das Gespräch führte Martina Kothe.