ARD-Serie "Kafka": Joel Basman über seine Rolle als Franz Kafka
Der 34-jährige Schweizer Schauspieler und Modedesigner spielt den Schriftsteller, Sohn, Bruder und Angestellen Franz Kafka in der ARD/ORF-Serie "Kafka", zu sehen in der ARD-Mediathek. Sie lief am 26./27. März in Das Erste. Ein Gespräch.
"Ich kann mir Kafka gar nicht mehr anders vorstellen als mit dem Gesicht von Joel Basman", sagt Schriftsteller David Kehlmann, der das Drehbuch zur ARD/ORF-Serie "Kafka" geschrieben hat und diese nun mehrfach gesehen hat. "Joel ist so gut, dass einfach er die Imagination Kafkas, die man hat, völlig übernimmt." Joel Basman ist Mitglied der Deutschen Filmakademie, hat 2016 im Oscar-nominierten Thriller "Unter dem Sand" gespielt, in Hamburg für İlker Çatak in "Es war einmal Indianerland" gedreht. Er war zu sehen im Historienfilm "Paula" über Paula Modersohn-Becker, in Hollywood-Actionfilmen wie "The King's Man - The Beginning" und "Wer ist Hannah?" sowie in Serien wie "Tatort" und "Eldorado KaDeWE". Nun verkörpert er in der ARD/ORF-Serie "Kafka" den vor 100 Jahre verstorbenen großen Schriftsteller Franz Kafka. Ein Gespräch.
Sie haben eine fast unmögliche Aufgabe übernommen: Das Wort kafkaesk stammt von Kafka, der bis heute ein Rätsel ist. Sie müssen ihn als ein Mensch aus Fleisch und Blut vorstellen. Wie haben Sie sich der Rolle genähert?
Joel Basman: Am Anfang war ich überfordert, dachte, "muss ich jetzt noch mal alles lesen, was er geschrieben hat? Wo fange ich an?" Ich wusste, dass ich mir sowieso Hilfe holen würde. Da kommst du nicht allein durch. Ich habe mich in erster Linie auf seine Bücher fokussiert, die in der Serie vorkommen. Auch, weil Regisseur David Schalko die Arbeiten von Kafka, die in der Serie vorkommen, stilistisch sehr eigen erzählt. Dann habe ich versucht, diesen Typen zu verstehen.
Wie ist es, wenn du als erster Sohn in dieser Zeit zur Welt kommst? Vor dir deine Mutter zwei Söhne verloren hat, danach in Anführungszeichen "nur noch" drei Töchter bekommen hat? Das hört sich ein bisschen nach Prinzenstatus bei der Mutter an. Am Ende bis zu an einem Punkt, wo du sagst, "Moment, der Brief an den Vater ist ja spannend". Aber der Brief an die Mutter wäre viel spannender geworden (lacht). Dann schreibst du den selbst. Da hatte ich großartige Hilfen. Sei es, ein Freund, der Philosophie, Germanistik und Psychologie unterrichtet, aber auch ein Schauspielcoach, der mit mir in London versucht hat, diesen Menschen aufzubauen - unabhängig von dem, was wir glauben, zu wissen.
In der Serie muss Kafka täglich Gymnastik machen und hat eine besondere Art zu kauen. Das ist wahrscheinlich aus der Recherche des Kafka-Biografen Reiner Stach hervorgegangen: Wie Franz Kafka gekaut hat, wie er gelaufen ist. Was für einen Menschen lernt das Publikum nun in sechs Folgen kennen?
Basman: Kafka wäre in der heutigen Zeit gut zurechtgekommen. Man kann ihn als den ersten Fitness-Influencer dieser Welt bezeichnen. Es gab diesen Jörgen Peter Müller, der hat 400.000 Exemplare von seinem Trainingsplan verkauft. Das muss man sich zu diesen Zeiten mal vorstellen. Eines diese Exemplare hat Kafka erreicht, das war mitunter eine seiner "Bibeln". Vieles vom diesem Herrn Müller, das habe ich mir alles angeguckt, macht Sinn: Anfänge von Yoga und Crossfit, gutes Dehnen und Strecken. Das hat ihm gutgetan. Die Ernährung weniger. Nicht, dass es ungesund ist, Ziegenkäse mit Nüssen zu essen, aber nur Ziegenkäse und Nüsse - das reicht einfach nicht!
Sie haben in Ihrer ersten Kinorolle den Dichter Rainer Maria Rilke gespielt im Film "Paula". Später haben Sie für eine andere Rolle auch einen orthodoxen Juden gespielt, besitzen selbst die israelische Staatsbürgerschaft. Inwiefern hat das Einfluss auf dieses Projekt gehabt?
Basman: Kafka und ich, unsere Familien, sind aus einer ähnlichen Ecke Europas. Da bediene ich eine gewisse Optik. Kafka ist extrem auf der Suche, was seine Vorfahren und Geschichte angeht. Mit der Geschichte meiner Familie ist man auch oft und sehr lange auf der Suche. Bei gewissen Geschichten gibt es auch keine Antworten.
Wenn ist Kafka das erste Mal in Ihr Leben getreten? Bei David Kross, der Max Brod in der Serie spielt, war es zum Beispiel nicht in der Schule. Wie war es bei Ihnen?
Basman: Lustigerweise auch nicht in der Schule. Meine Schwester ist acht Jahre älter, die ging ins Gymnasium, ich nicht. Ich würde behaupten, es war durch sie das erste Mal, dass ich ein Kafka-Buch im Reclam-Format zu Hause wahrgenommen habe. Das war nichts Bewusstes. Und trotzdem war mir Kafka immer ein Begriff. Das ist eine Marke, die du irgendwie im Kopf hast. Ich habe Kafka lange nicht gelesen, aber in meinen Zwanzigern immer wieder von diesem "Kafka" gehört. Irgendwann habe ich auf dem Flohmarkt den "Brief an den Vater" in einer Kleinversion gefunden. Das war ein schönes kleines Büchlein. Das war das erste bewusste Lesen von Kafka.
Ich habe die Serie zunächst aus Versehen in der falschen Reihenfolge gesehen. Doch der Erzähler darin versichert immer wieder: "Das ist nicht der Moment, wo es alles angefangen hat"… Was soll das Publikum über Kafka lernen?
Basman: In erster Linie sollte man es einfach gucken, ohne dass man sich irgendetwas erhofft oder erwartet. Es ist eine Reise, auf die man mitgenommen wird, die aus vielen Perspektiven erzählt wird. Wir sind aber nicht die Missionare Kafkas, die wissen, wie er wirklich war und es allen aufzwingen wollen. Und trotzdem ist es die persönlichste Möglichkeit, Kafka weiter kennenlernen zu können. Es ist auf jeden Fall eine wunderschöne Art, dass man da ins Kafka-Universe reinkommt und dann auch hoffentlich genervt wird. Man soll sich ja nicht zu lange zu wohl fühlen!
Er hat große Themen angesprochen, welche gelten davon heute noch?
Basman: Ein Mensch, der verurteilt wird und nicht weiß, warum. Ein Mensch, der aufwacht und sich in einer Situation vorfindet, in der er die Kontrolle nicht mehr hat, sich ausgeliefert fühlt. Eingesperrt. Nicht verstanden. Geschichten, wo der Sohn dem Vater nicht genügt, wo Familie anscheinend alles ist. Ich glaube, dass der Typ sehr modern funktioniert.
Im frühen Interview haben Sie bei einer historischen Rolle gesagt, "Ich lasse am Set das Handy und den Computer weg". Wie war das hier nach Feierabend am Set?
Basman: Der große Vorteil einer Hauptrolle ist, dass man kaum die Möglichkeit hat, da rauszukommen. Ich war die ganze Zeit auf diesem Ball, so muss man sich das vorstellen. Natürlich bist du am Abend froh, wenn du deine Jogginghose anziehen kannst und deine Turnschuhe, dich ins Auto setzt. Und dann mal auf dein Handy guckst.
Wie war die Zusammenarbeit mit Showrunner David Schalko und dem Schriftsteller und Drehbuchautor Daniel Kehlmann?
Basman: Daniel Kehlmann ist die entspannteste Person, die mir je über den Weg gelaufen ist, David Schalko natürlich auch. Mit Schalko hatte ich jeden Tag zu tun. Kehlmann hat sich auf seine Rolle als Arthur Schnitzler gefreut und ist dann wieder gegangen und hat uns arbeiten lassen. David und Daniel haben eine symbiotische Verbindung, sind gute Freunde, und intellektuell eine so große Befriedigung. Das ist eine unausgesprochene Sprache, die die sprechen.
Das Gespräch führte Patricia Batlle, NDR Kultur.