Wie verändert Künstliche Intelligenz die Arbeit von Übersetzern?
Wie wird Künstliche Intelligenz unser Berufsfeld beeinflussen? Nimmt sie den Profis gar die Jobs weg? Die Sorge gibt es auch in der Buchbranche: Verlage oder Übersetzer*innen spüren auch, dass KI ihre Arbeit verändern wird.
Im Gespräch erklärt Andreas Jandl vom Verband deutschsprachiger Übersetzer*innen, warum die Verwendung von KI beim Übersetzen keine Hilfe bietet, sondern Mehrarbeit bedeute - und er sagt, dass "KI auch dafür bekannt ist, dass sie halluziniert." Erschwerend käme dazu, dass beim ohnehin schlecht bezahlten Übersetzungsberuf die Honorare seit mehr als 20 Jahren nicht an die Teuerung der Lebenshaltungskosten angepasst worden seien.
Herr Jandl, worin sehen Sie als Übersetzer bei Künstlicher Intelligenz Möglichkeiten, vielleicht auch eine Unterstützung in dem, womit Sie arbeiten?
Andreas Jandl: Ich sehe da zum Beispiel großes Potenzial bei der Buchhaltung, bei der Erledigung von organisatorischen Dingen. Für den Umgang mit Texten jedoch halte ich die KI als wenig hilfreich.
Man könnte also nicht sagen: Ich jage den Text erst mal durch eine Künstliche Intelligenz und dann hübsche ich hier und da noch ein bisschen auf?
Jandl: Sie können das ja ausprobieren - das geht ganz einfach und schnell: Man jagt den Text da durch und muss dann sehr kleinteilig und mühsam abgleichen, was das Maschinen-Output und was das Original ist. Dann hat man nicht nur eine Baustelle, nämlich die eigene Übersetzung, sondern man hat noch das Maschinen-Output als Zusatzbaustelle dazu bekommen.
Die Sorgfalt, mit der wir Texte bearbeiten, darf nicht kleiner sein. Die muss sogar noch größer sein, weil die KI auch bekannt dafür ist, dass sie halluziniert, sie dichtet Dinge dazu, die gar nicht im Original so vorkommen. Oder sie lässt Sachen aus. Oder sie hat leicht verschobene Blickwinkel: Sie bringt Perspektiven rein, die gar nicht zu der literarischen Figur passen oder übernimmt komische, aus anderen Texten stammende Formulierungen. Das ist wenig hilfreich, weil das Abgleichen noch langsamer ist, noch mühevoller und auch noch weniger Spaß macht.
Das sind Bedenken aus Sicht desjenigen, der sich auch mit der Kunst der Sprache beschäftigt. Was sagen aber Verlage? Haben Sie Angst, dass die das aus Kostengründen ausprobieren könnten?
Jandl: Verlage sind Unternehmen, die wirtschaftlich arbeiten müssen. Wenn man da merkt, dass es im Feld der Textbearbeitung eine neue Möglichkeit gibt, dann ist klar, dass die das ausprobieren wollen und sollen. Da gibt es Versuche, es wird experimentiert. Es gibt auch die sogenannten Post Editing-Anfragen an Übersetzende. Die Verlage werden aber auch früher oder später merken: Ganz so einfach geht es nicht, wenn man nicht einen Textmüll zwischen die Buchdeckel bringen will.
Ist das auch Thema in diesem Jahr auf der Buchmesse in Frankfurt, zum Beispiel in Gesprächen?
Jandl: Auf jeden Fall. Zum Beispiel gibt es gerade aktuell ein Nachwuchsförderprogramm für junge Literaturübersetzende aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Wenn wir uns unterhalten, geht es auch um die Frage, wie lange es diesen Beruf noch geben wird. Wie wird sich das Berufsbild verändern? Welche Verantwortung haben wir, alle Leute, die nicht glauben, dass die KI noch nicht in der Lage ist, Texte, die literarische Qualität haben, zu bearbeiten, davon zu überzeugen, dass sie das sein lassen sollen?
Glauben Sie, dass es passieren könnte, dass es in Zukunft bald nur noch KI-übersetzte und KI-geschriebene Bücher geben wird?
Jandl: Man kann in allen Sprachen parallel etwas generieren lassen, aber ich vermute, dass die Leute, die es dann lesen sollen, das schnell merken und schnell über haben. Was macht denn den Spaß beim Lesen aus? Zum Beispiel ein gewisser Stil. Dieses Stil ist aktuell nur in ganz grober Form irgendwie nachempfindbar. Aber die Maschine weiß nie, wann es wirklich lustig ist. Sie hat ja keinen Geist oder keinen Verstand für Humor.
Man könnte mal den Versuch machen, einen stilvoll gestalteten Text mittels generativer KI in eine andere Sprache zu transportieren und dann wieder zurück. Und was wird man haben? Eine inhaltliche Paraphrase. Der Spaß beim Lesen liegt aber nicht allein im Inhalt, sondern wie die Dinge geschildert werden und wie die sprachlichen Feinheiten genau sind. Deswegen sitzen wir so lange an unseren Texten - sehr schlecht bezahlt dazu - und deswegen macht es uns aber auch so viel Spaß, dann dem Verlag das fertige Produkte zu schicken.
Sehr schlecht bezahlt ist der Übersetzerberuf sowieso schon, und wenn Teile davon dann auch noch durch eine KI ersetzt werden, ist das bedrohlich. Wo sehen Sie da Bedarf an Regulierung?
Jandl: Zum einen haben wir einen Appell an Staatskulturministerin Claudia Roth gestartet, dass die geplante Kürzung der Budgets für die Kulturfonds - Literaturfonds, Übersetzerfonds, aber auch die Fonds für die anderen Künste -, dass dieses Geld bitter nötig ist. In unserem Bereich sind die Honorare seit gut 20 Jahren in keiner Weise an die Teuerung der Lebenshaltungskosten angepasst worden.
Die Leute sind also, seit die Inflation in den letzten Jahren so spürbar geworden ist, unterm Strich ärmer geworden - trotz Vollzeitarbeit. So wie Verlage wirtschaftlich sein müssen, müssen auch Solo-Selbstständige wie wir wirtschaftlich sein. In manchen Fällen ist es nur mit so viel Idealismus möglich, einen Text zu bearbeiten, dass ich die Furcht habe, dass das in Zukunft keiner mehr machen will und kann, weil man die Miete nicht mehr bezahlt.
Was braucht es dafür? Ein Gesetz zum Beispiel, dass mal jemand ganz klar sagt: Bis hierhin und nicht weiter?
Jandl: Was es bräuchte, wäre eine Hilfe für die Solo-Selbständigen auf diesem sehr asymmetrischen Markt. Ein Verlag, gerade ab einer gewissen Größe, kann sich beliebig aussuchen, mit wem er zusammenarbeitet. Der Solo-Selbstständige, die Solo-Selbstständige kann das nicht. Diese Austauschbarkeit ist für uns sehr erschwerend im Aushandeln guter Honorare.
Bisher hat sich die Politik immer davor gescheut, solche Mindesthonorare vorzuschreiben. Tatsächlich ist es aber so, dass viele freie Selbständige - nicht nur in der Literaturübersetzung - immer Schwierigkeiten haben, ein Gegenüber zu finden, einen Gesprächspartner auf Seiten der Verwerter, der sagt: "Wir sind daran interessiert, gemeinsam unsere Branche so zu regeln, dass alle überleben können." Es bräuchte die Hilfe der Politik, die einen Rahmen bietet.
In Frankreich scheint es einen Zusammenschluss gegeben zu haben. Die Branche dort fordert, dass Übersetzungen von Büchern, aber auch von Filmen oder Computerspielen grundsätzlich nicht von Künstlicher Intelligenz gemacht werden dürfen. Sollten wir auch solche radikalen Forderungen in einem Zusammenschluss finden?
Jandl: Tatsächlich gibt es auch in Deutschland Verlagshäuser, die sagen, es dürfen keine Maschinen diesen Text übersetzen, sondern die Übersetzerin oder der Übersetzer garantiert, das selbst zu tun. Nachprüfen kann das natürlich keiner, in Frankreich so wenig wie in Deutschland. Aber es ist ein Signal, was in Frankreich gesandt wird, dass der Literaturbereich besonderen Schutz braucht.
In Deutschland gibt es noch keinen branchenübergreifenden Zusammenschluss zum Thema KI. Aber unser Verband hat zum Beispiel ein Manifest für menschliche Sprache mitveröffentlicht, indem es genau darum geht, die Gefahr der KI aufzuzeigen und auch Verlage und Solo-Selbstständige aufzurufen, mit ihrer menschlichen Sprache und mit ihrem normalen Gehirn zu arbeiten und nicht mit Maschinen, die einen Output produzieren.
Das Gespräch führte Julia Westlake.