Drei Roboter nebeneinder © picture alliance / Westend61 | Anna Huber
Drei Roboter nebeneinder © picture alliance / Westend61 | Anna Huber
Drei Roboter nebeneinder © picture alliance / Westend61 | Anna Huber
AUDIO: Künstliche Intelligenz: Alarmierende Auswirkungen auf die Musikbranche (4 Min)

Künstliche Intelligenz: Alarmierende Auswirkungen auf die Musikbranche

Stand: 01.02.2024 06:00 Uhr

KI ist nicht aufzuhalten. Welche Auswirkungen die generative künstliche Intelligenz auf die Musik- und Kreativbranche hat, hat eine Studie der GEMA und der französischen Schwestergesellschaft SACEM untersucht.

von Marcus Stäbler

"71 Prozent der befragten Mitglieder von GEMA und SACEM befürchten, dass sie als Musikschaffende künftig nicht mehr von ihrer Arbeit leben können", sagt Tobias Holzmüller, Vorstandsvorsitzender der deutschen Musikverwertungsgesellschaft GEMA. Diese Befürchtung gründet sich auf einem jetzt schon spürbaren Verlust an Einnahmen und der Aussicht auf einen weiteren Boom der Künstlichen Intelligenz.

Eine Prognose der für die Studie verantwortlichen Forschungsgruppe Goldmedia besagt, "dass bis zum Jahr 2028 - also jetzt noch vier Jahre - bis zu 27 Prozent der Einnahmen aus der Musikverwertung wegbrechen könnten, weil KI-gemachte Musik an die Stelle der menschengemachten Musik tritt", erklärt Holzmüller.

KI-Musik: Zwischen Gefahr und Hilfsmittel

Das heißt: Alleine die Musikschaffenden in Deutschland nehmen im Jahr 2028 voraussichtlich 950 Millionen Euro weniger ein als sie ohne Verwendung von Künstlicher Intelligenz verdienen würden. "Es ist nicht so, dass jeder 27 Prozent weniger hat, sondern es sind bestimmte Berufsbilder, die besonders stark unter Druck geraten. Da ist auch die Furcht am größten", meint Holzmüller.

Zum Beispiel im Bereich der Auftragskompositionen: Menschen, die Musik für Computerspiele oder Filme schreiben, sehen sich einer besonders starken Konkurrenz ausgesetzt, weil die KI kostengünstig maßgeschneiderte Sounds liefern kann. Beispielsweise, wenn ein Regisseur oder eine Regisseurin vorgibt: Ich brauche genau 45 Sekunden Musik für eine Liebesszene, gerne mit Orchester und in getragenem Tempo: "Mit diesen Parametern kann eine KI schon sehr viel anfangen und relativ viele vernünftige Vorschläge machen. Die muss - und sollte - man dann allerdings bearbeiten", erklärt Micki Meuser, Vorsitzender der Deutschen Filmkomponistenunion. Er hat schon über 70 Filme und Serien vertont und nutzt selbst die Künstliche Intelligenz als Hilfsmittel: "Ich komponiere erst einmal etwas und dann schaue ich, was die KI machen würde."

Weitere Informationen
Ein Roboter rollt über eine Klaviatur © picture alliance / blickwinkel/ McPHOTO/M. Gann

KI und Musik: Von neuen Geschäftsmodellen und Betrug am Künstler

Vor ein paar Wochen wurde anonym ein KI-Song mit den Stimmen von Drake und The Weeknd veröffentlicht. Was sind die neuen Grenzen in der Musik? mehr

Wild West: KI lernt von menschengemachter Musik

Es geht Meuser und anderen Musikschaffenden also nicht darum, den Fortschritt zu verhindern, sondern um eine faire Behandlung: denn alles, was die KI anbietet, hat sie aus der von Menschen komponierten Musik abgeleitet. Die großen US-amerikanischen Tech-Firmen haben in den letzten zehn Jahren sämtliche im Internet verfügbare Musik genutzt, um ihre Computermodelle zu trainieren - aber ohne die Urheber dafür zu vergüten. "Da herrscht immer noch ein bisschen Wild West. Die reiten ein in die Ranch. Dann ist es ihre und sie nennen das Freiheit. Das ist unser großes Problem", sagt Meuser.

Die Musikschaffenden wurden weder gefragt, ob ihre Werke als Trainingsmaterial für die KI genutzt werden dürfen, noch wird ihnen für die aktuelle Nutzung ein Angebot gemacht. Deshalb ist es wichtig, dass die neue Studie den Einnahmeverlust der Urheberinnen und Urheber benennt. Damit kann die GEMA ihre Position untermauern und konkrete Forderungen stellen, erklärt Holzmüller: "Den Verlusten bei Urheberinnen und Urhebern durch KI-Musik steht ein gigantischer Gewinn auf Seiten der KI-Unternehmen gegenüber. Eine faire Lösung aus unserer Sicht wäre, dass man von diesen Gewinnen einen Anteil an die Menschen abführt, die die KI erst möglich gemacht haben, indem sie Werke geschaffen haben, mit denen die KI trainiert wurde."

Weitere Informationen
Ein Musiknoten-Symbol auf einer Tastatur-Taste © picture alliance / Zoonar Foto: Markus Mainka

KI: Welche Chancen ergeben sich beim Komponieren von Musik?

Ali Nikrang forscht über die Zusammenarbeit von Menschen und KI in kreativen Prozessen mit dem Schwerpunkt Musik. Ein Gespräch. mehr

Warnschild mit Aufschrift "Künstliche Intelligenz" © imago

Künstliche Intelligenz: Was ist Gefahr, was übertriebene Furcht?

Diesen Fragen widmen sich Denise M'Baye und Sebastian Friedrich im Philosophie-Podcast Tee mit Warum. mehr

Zwei Menschen sehen erheitert auf einen Computerbildschirm. © AI Song Contest Foto: AI Song Contest

KI-Contest: Sind Computer die besseren Komponisten?

Der AI Song Contest wirft einen Blick in die Zukunft des ESC. Teams aus acht Ländern wollen mithilfe von künstlicher Intelligenz die Formel für den potenziellen Siegersong knacken. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 31.01.2024 | 17:45 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Klassik

Künstliche Intelligenz (KI)

Rock und Pop

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Mehr Kultur

Eine Frau mit langen dunklen Haaren, die zu einem Zopf gebunden sind, steht auf der Bühne, hält ein Mikrofon in der Hand und singt. Es ist die US-amerikanische Sängerin Beth Hart. © picture alliance / Ritzau Scanpix | Helle Arensbak Foto: Helle Arensbak

Beth Hart in der ZAG Arena Hannover: Nicht mal halb gefüllt

US-amerikanische Blues- und Rocksängerin heizt dem Publikum ein, doch sie spricht auch über bipolare Störungen und Drogensucht. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?