Bestsellerautorin Nina George: "KI beruht auf Diebstahl"
Die Bestsellerautorin Nina George wehrt sich dagegen, dass sich generative KI ohne rechtliche Grundlage und ohne Honorierung ihrer Texte bedient. Im Gespräch erklärt die Autorin, was auf dem Spiel steht, wenn KI nicht reguliert wird.
Der Unterausschuss des Europarats hat am Freitag grünes Licht für ein KI-Gesetz gegeben. Das Gesetz soll den Einsatz von Künstlicher Intelligenz sicherer machen und die Unternehmen zu mehr Transparenz verpflichten. Ende April soll nun das Europaparlament darüber abstimmen. Kunst- und Kulturschaffende fordern schon lange ein KI-Gesetz. Bedient sich doch generative KI ohne rechtliche Grundlage und Honorierung bereits im Netz vorhandener Texte - auch wenn sie dort illegal hochgeladen werden. Dagegen wehrt sich die Bestsellerautorin Nina George, die vom "größten Diebstahl der Menschheitsgeschichte" spricht. Einen Auszug des Interviews lesen Sie hier, das ganze Gespräch hören Sie bei NDR Kultur.
Seit ChatGPT auf dem Markt ist, wird ununterbrochen über Künstliche Intelligenz diskutiert. Was ist das Problem mit diesen Sprachmodellen?
Nina George: Wenn man die Haube von dieser großen Textmaschine öffnet, sieht man drei Dinge. Erstens: Seit zehn Jahren werden diese Modelle entwickelt - sie heißen große Sprachmodelle. Damit ChatGPT lernen kann, braucht es frische, neue Texte, um Wörter zu lernen, um Beziehungen, Themenfelder und um mit mittlerweile ungefähr 175 Milliarden Parametern zu berechnen, was ist wohl das nächstmögliche Wort.
Das Problem ist, dass diese frischen, schönen Texte der letzten zehn Jahre, entweder urheberrechtlich geschützte Werke sind, oder Postings von Privatpersonen oder auch die transkribierten Radiosendungen von NDR Kultur. Manches sind auch gemeinfreie Werke. Kurz gesagt: Das gesamte Internet wurde abgegrast und das alles ohne zu fragen, heimlich, unvergütet, um jetzt dazu benutzt zu werden, genau die zu ersetzen, von denen es sich vorher illegitim etwas genommen hat.
Ist bei Dir eine Ausbeutung zu spüren, wenn Deine Texte in KI eingelagert werden?
George: Keines der Unternehmen konnte sich unter irgendeinem geltenden Rechtsrahmen verstecken, dass sie das durften, was sie getan haben. Zu meinem Unmut habe ich zwei meiner Übersetzungen, die auf der New-York-Times-Bestsellerliste waren, auch in jener Liste - von über zwei Millionen Buchwerken - gefunden, die einfach so genutzt worden sind - ohne zu fragen. Auch ich habe sie in diesem fundamentalen Textwerk gefunden und hab natürlich meinen Verlag in den USA gefragt, wie ich da rauskomme. Verlernen kann ein großes Sprachmodell das nicht.
Diese Maschinen plagiieren, die geben das wieder, die memorisieren. Plötzlich schreibt es nicht nur einen Text im Stil von Nina George, sondern kopiert, was ich mir irgendwann mühsam erarbeitet habe. Ich komm da nicht raus. Man könnte klagen, doch die amerikanische Rechtssprechung basiert auf Präzedenzfällen. Aber dafür, für diesen größten Diebstahl der Menschheitsgeschichte, haben wir noch keinen Präzedenzfall.
Schauen wir auf die Entwicklung der kommenden zwölf Monate. Was erwartest Du, beziehungsweise, was befürchtest Du?
George: Es liegt nicht in der DNA einer Schriftstellerin, überhaupt Furcht zu haben. Überhaupt Furcht zu haben, liegt den meisten Künstlerinnen sowieso auch nicht, sonst würden sie nicht tun, was sie tun. Deswegen möchte ich nicht von Furcht oder Angst sprechen. Wir haben schon ziemlich genau verstanden, was da passiert ist mit den wirtschaftlichen Hintergründen. Es ist doch eine bizarre Magie, dass KI doch etwas könnte, was Menschen nicht beherrschten und dass wir das ersetzen möchten.
Ich sehe dennoch 2024 unter dem Motto: Lasst uns endlich mal wieder darüber reden, was des Menschen Menschsein Wert ist. Und was es uns Wert ist, darüber zu sprechen. Könnten wir noch mal über das Wort Wachstum sprechen?! Muss denn alles wachsen? Wohin soll das denn führen? Ist das wirklich so, wie wir miteinander leben möchten? Kurz gesagt, diese "Künstliche Idiotie", wie ich sie gerne nenne, hat uns die Chance gegeben, zum ersten Mal wieder sich gewahr zu werden: Was ist der Mensch und was ist die Maschine nicht.
Das Gespräch führte Jürgen Deppe.