Sven Stricker ©  Magdalena Höfner Foto:  Magdalena Höfner
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AUDIO: Regisseur Sven Stricker über Lügen und andere Wahrheiten (54 Min)

Regisseur Sven Stricker über die Angst, von KI ersetzt zu werden

Stand: 02.02.2024 00:01 Uhr

Er ist Norddeutscher, kennt aber keinen Labskaus: Sven Stricker, der Erfinder der Sörensen-Krimis. Er kann aber auch Hörspiele. Ein NDR Kultur à la carte über die Sorge, von künstlicher Intelligenz ersetzt zu werden.

Sörensen, der sensible Kommissar, der unter einer Angststörung leidet und sich deshalb von der Großstadt Hamburg ins beschauliche Friesland versetzen lässt. Eine Gegend, die Sven Stricker, Autor und Erfinder der Sörensen-Krimis nur zu gut kennt: 1970 ist der Hörspielregisseur, Schriftsteller und Drehbuchautor im nordfriesischen Tönning geboren, er wuchs im Ruhrgebiet auf und lebt heute in Potsdam. Jetzt gerade hat er wieder ein neues Hörspielprojekt vorgelegt: "Hitze", nach dem gleichnamigen Coming-of-Age-Roman von Victor Jestin. Der Plot: Schauplatz Frankreich, Sommerferien, Jugendliche, die im Partyfieber taumeln und Leónard, der das Schreckliche zulässt und eben nicht einschreitet. "Hitze" ist eine Geschichte über Schuld, Angst und mangelnde Akzeptanz.

Bevor am 4. Februar 2024, ab 19 Uhr das Kriminalhörspiel auf NDR Kultur ausgestrahlt wird, spricht Sven Stricker über seine Arbeit, das Schreiben und über die Gefühlswelt seiner Protagonisten.

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"Ich habe auch ein Recht auf Labskaus." Das schreit Kommissarin Jenny eines Abends wutentbrannt im ersten Sörensen-Band. Ihr ist alles zu viel: Die Teenager-Tochter, die sie allein erzieht, der neue Chef Sörensen mit seinem rätselhaften Verhalten und dann gibt es auch noch einen Mord in Katenbüll. Herr Stricker, wofür steht dieses Labskaus, auf das Jenny ein Recht hat?

Sven Stricker: Ich würde sagen, da geht es weniger um Fisch. Es geht dabei eher um etwas Grundsätzliches. Es geht darum, dass sie sich in dieser Enge Katenbülls gefangen fühlt. Sie leidet darunter, dass sie nie rausgekommen ist und hat das Gefühl, alles außerhalb Katenbülls ist die große weite Welt, nur sie muss zurückbleiben, weil sie so früh Mutter geworden ist. Letztlich geht es bei dem Recht auf Labskaus vor allen Dingen um das Recht auf Leben und um das Recht auf Freiheit und Erfahrungen. Eigentlich geht es auch um das Recht an Entscheidungen und am Leben teilhaben zu dürfen. Dann bricht undifferenzierte Wut in einem aus, die vielleicht für sich genommen erst mal nicht allzu aussagekräftig ist, aber vielleicht steckt doch ein bisschen was dahinter.

In Labskaus liegt also die ganze Welt.

Stricker: So könnte man das wahrscheinlich sagen.

Jetzt ertappe ich Sie gleich, denn Labskaus ist gar kein Fisch. Sie haben keine Ahnung, oder?

Stricker. Ich komme aus Norddeutschland, ich müsste das eigentlich wissen. Labskaus ist gar kein Fisch, richtig?

Da sind Kartoffeln drin, Rindfleisch und rote Beete. Sie haben noch nie Labskaus gegessen?

Stricker: So ist es.

Sie sind ein Erfinder.

Stricker: Ich bin ein totaler Lügner. Beim Schreiben und beim Film wird sowieso viel gelogen. Ich behaupte andauernd irgendwelche Sachen, die ich eigentlich gar nicht weiß.

Gibt es für Sie als gebürtiger Nordfriese keine Labskauserfahrung?

Stricker: Ich habe noch nie Labskaus gegessen. Aber jetzt muss ich es natürlich mal machen.

Was würden Sie sagen, ist das Wichtigste bei der Hörspielarbeit?

Stricker: Ich glaube, es gibt zwei Dinge. Das eine ist ein solider, einigermaßen souveräner Umgang mit der deutschen Sprache, auch in der Interpretationsfähigkeit und der Lust daran, in die Nuancen zu gehen. Sowohl was Betonungen als auch was Wortbedeutungen und Wortverständnis betrifft. Das andere ist eine gewisse Fantasiefähigkeit. Dinge, die man nicht sehen kann, die nicht visualisiert sind, in eine akustische Form zu übertragen. Das soll gleichzeitig die Fantasie eines Hörenden anregen, ohne ihm das Bild komplett zuzumachen. Hörspiel ist für mich immer ein Zwischenmedium, zwischen Buch und Film. Im Buch muss ich alles selber machen, deswegen ist das Buch auch etwas Tolles. Im Film wird mir alles vorgekaut. Wenn das Hörspiel gut ist, schafft es die Fantasie des Hörenden so weit anzuregen, dass er dann seine eigene Geschichte daraus baut. Das habe ich immer sehr geliebt. Ich glaube, ich habe das Talent, selbst eine rege Fantasie zu haben, deshalb kann ich das ganz gut umsetzen.

In Zeiten von neuen Hörgewohnheiten und einem Podcast-Boom, machen Sie sich da Sorgen um das Hörspiel?

Stricker: Ja, aber das hat eher was mit diesem weiten Feld der Künstlichen Intelligenz zu tun. Ich treffe bei Sprachaufnahmen mittlerweile sehr oft auf Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich massiv Sorgen um ihre Zukunft machen. Weil sie glauben, dass es ein kleiner Schritt ist, um von einer Künstlichen Intelligenz ersetzt zu werden. Wir sind sehr nah dran, dass Manuskripte und Texte nach bestimmten Formeln künstlich erzeugt werden können, da braucht es den Autor dann nicht mehr. Theoretisch sind wir bald in der Lage, den Regisseur wegfallen zu lassen, wenn man nach bestimmten Standardformeln aus der Redaktion heraus arbeiten möchte. Das heißt, wir könnten immer mehr Leute einsparen, um mit größerer Geschwindigkeit zu günstigeren Ergebnissen zu kommen. Natürlich gibt es Sorgen und Zweifel.

Auf der anderen Seite erlebe ich bei Lesungen zum Beispiel mit meinen Romanen, dass es immer mehr Zulauf gibt, weil die Leute scheinbar sehen wollen, wer hinter den Geschichten steckt und sie schreibt, erfindet oder produziert. Es gibt eine Gegenbewegung, die sagt, je unpersönlicher das Feld um uns herum wird, desto mehr wollen wir das, was wir konsumieren, lesen oder aufnehmen mit Personen verknüpfen. Das ist dann wiederum meine Hoffnung, dass das die andere Seite der Medaille ist.

Man könnte theoretisch auch Ihre Moderation irgendwann künstlich machen. Gerade dass man weiß, da sitzt ein Mensch, ist für viele Leute immer noch ein nicht wegzudiskutierender Mehrwert. Ich möchte nicht von einer Maschine über den Tag begleitet werden. Ich möchte, dass da jemand sitzt, der lebt und atmet und der sich auch vielleicht mal verspricht. Wichtig ist die Fehlbarkeit des Menschen und manchmal auch das Gestottere und das, was nicht so souverän ist, aber das macht es lebendig. Ich glaube, das ist die Hoffnung für die Zukunft, dass uns das noch ein bisschen erhalten bleibt.

Das Gespräch führte Juliane Bergmann.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur à la carte | 02.02.2024 | 13:00 Uhr

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