ChatGPT an Schule: Fortbildungsinitiative für Lehrkräfte nötig
Seit der Entwicklung vom Chatbot ChatGPT hat sich die Schul- und Umwelt verändert. Nun ist es möglich, mithilfe der künstlichen Intelligenz dieser Sprachsoftware schwierige Texte in Sekunden zusammenzufassen oder Facharbeiten zu fälschen. Wo kann uns diese Technik hinführen?
Das haben Expertinnen und Experten im Herrenhäuser Gespräch, veranstaltet von der Volkswagenstiftung und NDR Kultur, im Kongress Zentrum im Schloss Herrenhausen diskutiert. Als eine wichtige Forderung stellt der Ehrenpräsident des deutschen Lehrerverbandes Heinz Peter Meidinger etwa heraus, man bräuchte an Schulen Lernplattformen und dringend "eine massive Lehrkräftefortbildungsinitiative."
Wirtschaftsinformatikerin Doris Weßels: Technik führt zu Missverständnis
Das Publikum ist gemischt: Studierende, Rentner und auch einige Lehrkräfte. Aber alle treibt die eine Frage um: "Wie hat ChatGPT Schule und Studium verändert und ist das das Ende des Selberdenkens?". Dazu muss erstmal verstanden werden, was ChatGPT so besonders macht.
Doris Weßels unterrichtet Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kiel und kennt die Vorzüge der Technologie: Der Eingabeschlitz sehe aus, wie eine Suchmaschine. "Das führt dann zu diesem Missverständnis, dass viele gedacht haben, 'ich gebe da was ein und heraus kommt, wie bei Google, etwas Fakten-basiertes, dem ich vertrauen und an das ich glauben darf'." Das sei eben nicht der Fall. "Das Ganze war auch so, dass wir den Eindruck haben, wir kommunizieren mit einem Menschen," ergänzt Weßels.
Technik denkt sich manchmal Fakten aus oder lässt Relevantes weg
Aber die Technik sagt nicht immer die Wahrheit, sondern denkt sich manchmal auch Fakten aus oder lässt wichtige Informationen weg. Deshalb brauche es eine Medienkompetenz, fordert Katharina Scheiter. Sie hat eine Professur an der Uni Potsdam für digitale Bildung: "Wenn wir den Eltern die Verantwortung zuschieben, die Kinder und Jugendlichen vorzubereiten, setzt das voraus, dass sie selber die Kompetenzen haben." Sie glaube aber nicht, wenn man auf der Straße Eltern ansprechen würde, dass diese in der Lage seien, "mal schnell das Large Language Modell zu erklären und welche Schwierigkeiten damit assoziiert sind."
Auch könnte dann die soziale Herkunft beeinflussen, wie gut oder schlecht Kinder die Technik beherrschen. Also muss neben dem Elternhaus auch die Schule ihren Beitrag leisten. Das erschwere jedoch nicht nur der Lehrermangel, so der Ehrenpräsident des deutschen Lehrerverbands, Heinz Peter Meidinger: "Was fehlt, ist tatsächlich Datenschutz sicherere Zugänge zu ChatGPT. Wir brauchen auf jeden Fall auch Lernplattformen, in die ChatGPT integriert ist. Es ist eine Frage, wer die Kosten übernimmt." Die kostenlosen Systeme seien deutlich schlechter, sagt Meidinger. Wir brauchen eine massive Lehrkräftefortbildungsinitiative. Und da muss man in die Gänge kommen."
Eine KI-Taskforce auf Bundesebene?
Das ist dann Part der Kultusministerkonferenz - und die hat allein für die Oberstufenverordnung fünf Jahre gebraucht. Von daher hat Wirtschaftsinformatikerin Weßels unlängst eine KI-Taskforce auf Bundesebene gefordert. Kultusministerin Julia Willie Hamburg findet den Vorschlag gut, sieht aber Hürden: "Wir haben 2.900 Schulen. Rechnen Sie das mal hoch. Dann ist ein Kollegium von etwa 100 Kolleginnen und Kollegen - wie viele Fortbildungen da alleine für Digitalisierung angeboten werden müssten! Wir haben noch ungleich mehr Themen."
Vorteil: Bis zu 40 Prozent Zeitersparnis im Schreibprozess
Worin sich aber alle einig sind ist die enorme Zeitersparnis, die ChatGPT möglich macht. Wirtschaftsinformatikerin Doris Weßels sieht große Chancen für die Arbeitswelt: "Es gibt Studien, Analysen, die belegen, dass ich im Schreibprozess 40 Prozent der Zeit sparen kann. Das sind Routinetätigkeiten. Aber das bedeutet natürlich, dass wir dort Entlastung bekommen und uns kreativeren Aufgaben zuwenden können, für die wir im Moment wenig Zeit oder keine Zeit haben."
Diese Zeitersparnis ist natürlich besonders verlockend für Schülerinnen oder Studenten - mal eben die Künstliche Intelligenz die Arbeit schreiben lassen. Diese Plagiate versuchen einige Institute mittlerweile mit KI-Detektoren zu entlarven, sagt Weßels: "Das ist eine Mechanismus, der nicht greift. Das ist auch so ein Hase- und Igelrennen. Wir dürfen als Lehrende nicht in diese Falle tappen. Wir müssen uns überlegen: Welche Aufgabenstellungen sind motivierend, dass Mensch und Maschine ihre Qualitäten zeigen können?"
Das führt dann dazu, dass die althergebrachten Aufgaben nicht mehr funktionieren. Es ist also viel Kreativität im Umgang mit Künstlicher Intelligenz gefordert, aber noch wichtiger ist. Tempo zu machen beim Vermitteln von Medienkompetenz.
Die komplette Podiumsdiskussion läuft am Sonntag, den 11. Februar 2024 bei NDR Kultur in der Sendung "Sonntagsstudio".