Caspar David Friedrichs "Der Wanderer über dem Nebelmeer" neben der KI-Neuinterpretation "Gewanderer". © Screenshot

Wenn die KI Kunst macht: Banal oder das nächste Level?

Stand: 10.01.2024 14:24 Uhr

Ein neues Bild im gleichen Stil oder inspiriert von alten Meistern wie Jan Vermeer oder Caspar David Friedrich - das lässt sich mithilfe der Künstlichen Intelligenz innerhalb von ein paar Minuten erschaffen. Aber ist das eigentlich Kunst?

von Diane Zweng

"Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge" ist das wohl bekannteste Werk von Jan Vermeer. Als das Gemälde einmal ausgeliehen war, startete das Mauritshuis-Museum in Den Haag einen Aufruf, um den leeren Platz zu füllen. Das Haus bekam 3.500 neue Interpretationen des um 1665 entstandenen Bildes. Eine davon sorgte für Empörung, weil sie mithilfe von KI entstanden ist. Das war dem Museum auch bekannt, aber das Bild gefiel der Jury.

"Mädchen mit dem Perlenohrgehänge": KI macht seltsame Dinge 

Zwei Kunstwerke zeigen jeweils ein Mädchen mit Ohrringen. © Screenshot
Batteriebetrieben oder magisch? Julian van Diekens KI-Neuschöpfung des "Mädchens mit dem Perlenohrgehänge" mit Leuchtschmuck (rechts).

"Aus der Nähe betrachtet wirken die Sommersprossen ein wenig gespenstisch", findet Boris de Munnick, der Pressesprecher des Museums. "Aber was den Rest betrifft, weiß ich nicht. Wenn ich in ein Museum moderner oder zeitgenössischer Kunst gehe, sehe ich die seltsamsten Dinge. Und die gelten als Kunst."

Die KI-Variante hat Julian van Dieken erschaffen. Neben den Sommersprossen fallen vor allem die hellorange leuchtenden Ohrringe auf, die einen Widerschein auf den Wangen des Mädchens erzeugen. Der Fotograf und Digital Creator van Dieken hält Vorträge und leitet Workshops zur KI-Bildgenerierung.

Angela Merkel und Barack Obama tanzen in der U-Bahn 

Einige seiner KI-Werke sind viral gegangen, wie die Deep Fakes von Merkel und Obama, die ausgelassen in der U-Bahn tanzen. Elon Musk reagierte positiv auf Julians KI-Bilder - eines zeigt ihn Händchen haltend beim Strandspaziergang mit Marc Zuckerberg. Justin Bieber gefiel eine Serie, die abgekämpfte Superhelden in der New Yorker Subway zeigt - und verhalf den Bildern van Diekens so zu weiterer Popularität. 

Angeregt von Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer", schuf Julian van Dieken mithilfe von KI und Photoshop auch den "Gewanderer" - auch hier ist eine Rückenfigur zentral, deren surreal anmutendes Gewand allerdings den ganzen Gipfel bedeckt, auf dem sie steht. 

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Midjourney versteht auch deutsche Prompts 

Interessant wird es, wenn man der KI beliebige Begriffe vorgibt wie "Schneekönigin" und "Sahnetorte". Der KI-Bildgenerator Midjourney kommt auch mit den deutschen Wörtern klar und liefert Bild-Vorschläge, in der die beiden Motive auf verschiedene Art verschmelzen. Mit den englischen Begriffen erzeugt die KI jedoch kreativere Ergebnisse.

Aber ist das noch Kunst? Julian van Dieken hat da gewisse Zweifel: "Was heißt denn in so einem neuen Umfeld Kreativität? Wie kann denn da etwas entstehen, das trotzdem besonders ist, was Herz hat, was eine Vision ist, was eine Haltung zur Welt darstellt, was nicht banal ist?"

Leon Löwentraut: Gespannt auf die Verbindung von KI und Kunst 

. © Screenshot
Leon Löwentraut glaubt nicht daran, dass die Künstliche Intelligenz bessere Bilder produziert, als wenn Menschen den Pinsel schwingen - noch nicht.

Auch Leon Löwentraut, einer der erfolgreichsten deutschen Künstler unter 30, macht sich Gedanken über Künstliche Intelligenz in der Kunst: "In der Kunst finde ich unfassbar spannend, dass man auch zwei Komponenten miteinander verbindet: Da ist einerseits die Kunst, da ist andererseits die Künstliche Intelligenz, um die Kunst nochmal auf ein ganz anderes Level zu bringen."

Löwentraut begann schon als Kind zu malen. Mit 16 wurde er von der Kunstwelt als Sensation gefeiert und bekam den Spitznamen "Baby Picasso". Noch ist der kreative Prozess bei ihm der eines typischen Künstlers: Er zeichnet und malt ohne High Tech, aber mit leidenschaftlicher Hingabe, die ihn viel Kraft kostet.

"In den nächsten Jahren ist die KI absolut auf dem Vormarsch" 

Könnte die KI ähnlich gute oder sogar bessere Bilder produzieren als er? "Momentan würde ich behaupten: Nein, das geht noch nicht", so Löwentraut. "Aber ich bin sehr zurückhaltend mit den Antworten oder Vermutungen, was in den nächsten Jahren passiert, weil da ist die Künstliche Intelligenz absolut auf dem Vormarsch. Und ich glaube, da werden noch sehr viele Überraschungen in diesem Thema auf uns zukommen."

Noch macht die KI kleine Fehler, wie überzählige Finger an den Händen. Manchmal erschafft sie einen doppelten Mund. Oder eine Turmspitze ohne das restliche Gebäude. In der neuesten Version von Midjourney kommt das schon viel seltener vor. Die Bilder lassen sich auch noch im Handumdrehen animieren. Bald werden wir staunen, was mit KI noch alles möglich ist.  

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Zwei Hände greifen ineinander. Die rechte Hand ist menschlich, die linke Hand ist aus blauem Metall und mit Scharnieren und Kabeln versehen. Der HIntergrund ist schwarz. © IMAGO / CHROMORANGE

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