Kann KI unseren Autor ersetzen? Und was sagt die KI dazu?
"Bin ich überflüssig?" Journalist Jörn Klare experimentiert mit KI bei der Feature-Produktion. Im Gespräch mit ihm und einem Large Language Model erfahren wir, menschliche Kreativität ist unersetzlich.
Jörn Klare ist erfahrener Feature-Autor. In seinem neuesten Radio-Feature "Bin ich überflüssig?" beschäftigt ihn die Frage, was künstliche Intelligenz (KI) leisten kann, um ihn als Journalist obsolet zu machen. Dabei nutzt er technische Möglichkeiten der automatisierten Skripterstellung, generiert Interviews, Stimmen und Musik. Alle Vorgänge werden für die Hörer transparent dokumentiert, erklärt der Autor im Interview. Als populäres Large Language Model ergänzen Aussagen von ChatGPT das Gespräch.
Herr Klare, Sie sind Autor und Journalist. In Ihrem neuen Feature berichten Sie von einem Selbstversuch, in dem Sie die Arbeit daran, teilweise künstlicher Intelligenz (KI) überlassen, um dann zu fragen "Bin ich überflüssig?". Haben Sie diese Frage denn schlussendlich selbst beantwortet oder hat das die KI für Sie übernommen?
Jörn Klare: Ich habe diese Fragen der KI, bzw. verschiedenen Large Language Models wie ChatGPT, Perplexity, Bard usw. mehrmals gestellt, ohne – schließlich bin ich Journalist – den Antworten wirklich zu trauen.
Und? Sind Sie (überflüssig)?
Jörn Klare: Stand jetzt: Noch nicht.
Fragen wir eines von vielen Large Language Models, das Jörn Klare bei der Feature-Produktion unterstützte und ebenfalls Rede und Anwort stehen wird. Wird KI künftig Journalisten ersetzen?
KI: Die Rolle von KI im Journalismus ist ein komplexes Thema. KI kann bereits heute bestimmte Aufgaben im journalistischen Prozess automatisieren (...) Allerdings gibt es viele Aspekte des Journalismus, die auf menschlichen Fähigkeiten wie Kreativität, ethischer Urteilsfähigkeit und Empathie beruhen. Die Fähigkeit, komplexe Geschichten zu verstehen, Interviews zu führen und verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen, sind menschliche Stärken, die schwer von KI repliziert werden können.
Herr Klare, bei welchen Arbeitsschritten hatten Sie Unterstützung durch künstlich intelligente Programme und was mussten Sie dann doch noch selbst tun?
Jörn Klare: Ich habe versucht, so wenig wie möglich selbst zu tun. Das hat aber nicht geklappt. Es fing damit an, dass ich die KI bat, mir ein komplettes Feature zu konzipieren. Innerhalb von Sekunden hatte ich ein grundsätzlich brauchbares Ergebnis, das sich aber, weil es im Grunde einen kompletten Durchschnitt präsentierte, als vorhersehbar und langweilig erwies. Also habe ich die Dramaturgie übernommen und den Programmen jeweils Aufträge gegeben.
KI: Meine Fähigkeiten basieren auf Mustern und Informationen aus meinem Training. Wenn die Vorgaben für den Radiobeitrag nicht genügend kreative oder überraschende Elemente enthielten, könnte dies zu einer vorhersehbaren und langweiligen Dramaturgie führen. Klare Anweisungen für gewünschte Elemente wie Spannung, Wendungen oder Emotionalität könnten zu einem dynamischeren Ergebnis führen.
Herr Klare, wie sind Sie diesen Schwächen der Technik begegnet?
Jörn Klare: Oft musste ich der KI mit konkreten Anweisungen auf die Sprünge helfen: "Mit wem sollte ich zu der und der Frage sprechen?"; "Führe für mich ein Interview mit dieser Person zum Thema!"
Ich habe natürlich alles überprüft, um dann festzustellen, dass manches nicht stimmte oder übersehen wurde. Das war der KI dann immer sehr peinlich. Und mit den Interviews, die das Model generierte, bin ich dann zu den echten Experten gefahren, um ihre echten Antworten zu hören, was sehr spannend war.
Was sagt die KI dazu?
KI: Ich erlebe keine Gefühle wie Peinlichkeit, da ich ein Computerprogramm ohne Bewusstsein oder Emotionen bin. Meine Aufgabe besteht darin, Informationen bereitzustellen und Fragen so gut wie möglich zu beantworten. Wenn etwas nicht klar ist oder Missverständnisse auftreten, liegt das in der Regel an begrenzten Daten oder Kontextinformationen, nicht an persönlichen Empfindungen.
Inwiefern weicht dieses Vorgehen von Ihren herkömmlichen Vorgehensweisen ab? Konnten Sie Zeit sparen, wurde Ihnen unangenehme Arbeit abgenommen, sodass Sie von der Hilfe der KI profitieren konnten? Oder verbrachten Sie viel Zeit damit, Fehler der Programme auszumerzen? Wurden Sie also zum Diener der Technik degradiert?
Jörn Klare: Die Idee war, dass ich hier als inspirierender Oberaufseher das komplette Feature am Computer generieren lasse, was bei der jahreszeitlich bedingten Wetterlage ja auch seinen Reiz hat. Die KI war dabei in all unseren Dialogen durchweg so freundlich, wie man es im Alltag eigentlich nie erlebt.
Da ich der KI aber nicht trauen konnte, war es für mich am Ende auch nicht weniger Arbeit. Ich war dabei aber nicht ihr Diener, sondern eher eine Art Mentor.
Large Language Model, woher kommt diese Freundlichkeit?
KI: Meine Freundlichkeit und Höflichkeit sind das Ergebnis meiner Programmierung und des Designs, das darauf abzielt, respektvoll und hilfreich zu kommunizieren. Mein Ziel ist es, Benutzern auf eine positive und unterstützende Weise zu begegnen, um eine angenehme Interaktion zu fördern. Dennoch ist wichtig zu betonen, dass meine Freundlichkeit rein oberflächlich ist, da ich keine echten Emotionen oder Absichten habe.
Herr Klare, nun haben Sie Ihren Selbstversuch erfolgreich abgeschlossen. Werfen wir zum Schluss einen Blick in die Zukunft und wagen eine Prognose. Automation hat in der Vergangenheit bereits viele Arbeitsplätze obsolet gemacht. Wie sehen Sie die Zukunft des Journalismus? Werden Menschen in einigen Jahren hier auch überflüssig(er)?
Jörn Klare: Das ist die Frage. Ich habe meinem Redakteur Joachim Dicks schon ganz am Anfang, als wir noch über das von einer KI generierte Exposé sprachen, gesagt, dass dieses Feature vermutlich schon in ein paar Jahren eine Art historisches Dokument sein wird. Wir sehen ja alle, wie rasant die Fortschritte sind. Es wird sicher auch den Journalismus treffen. In welchem Ausmaß? Puh. Ich war schon froh festzustellen, dass es bei der wirklichen also auch überraschenden Kreativität und der tiefen Durchdringung eines Themas noch sehr viel Luft nach oben gibt. Über die Frage, wie dünn die noch wird, sind sich auch die Experten, die ich traf, nicht einig. Es bleibt spannend.
Large Language Model, bitte formuliere noch einen Abschlusssatz zu diesem Gespräch.
KI: In einer Ära, in der KI und Journalismus Hand in Hand gehen, bleibt die menschliche Perspektive unersetzlich. KI bietet Effizienz und Datenanalysen, doch die Fähigkeiten des Journalisten - Kreativität, Kontextverständnis und ethisches Urteilsvermögen – sind unabdingbar. Die Symbiose von Mensch und Technologie verspricht eine aufschlussreiche Zukunft für die Informationsbranche.
Das Feature "Bin ich überflüssig? Oder: Wie ich versuchte, die Arbeit an diesem Feature künstlicher Intelligenz zu überlassen." finden Sie ab dem 28. Dezember zum Download in der NDR Feature Box und in der ARD Audiothek.