Stiftung Lesen benutzt KI-Bilder: "Ein fatales Signal"
Die Stiftung Lesen wirbt für die neue Vorlese-Kampagne mit dem Motto: "#MachmitLiesvor: Starke Stimmen, starke Motive." Diese Motive wurden von einer KI generiert, was für viele Diskussionen gesorgt hat.
Auch die Illustratorin Anne Behl kritisiert die Entscheidung, KI-generierte Bilder für diese Kampagne zu benutzen. Die Stiftung signalisiere damit, dass die Urheber*innen ihr Geld nicht wert seien.Behl meint, "KI ist Diebstahl geistigen Eigentums."
Frau Behl, wie haben Sie die Diskussionen wahrgenommen?
Anne Behl: Da findet gerade zurecht ganz viel Aufregung statt. Als ich von dieser Kampagne erfahren habe, ist mir auch erst einmal die Kinnlade runtergefallen. Im Kinderbuchbereich fühlen wir uns noch relativ sicher, was die Benutzung von KI angeht, sowohl seitens der Illustrator*innen als auch der Autor*innen, weil wir in den Gesprächen mit den Verlagen merken, dass die noch das Handwerk wollen. Dann kommt da aber jemand aus der Buchbranche und schlägt uns so ins Gesicht, indem dann eine KI benutzt wird, um Werbung fürs Vorlesen zu machen.
Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen? Ist es die fehlende Wertschätzung, macht man sich Sorgen?
Behl: Die Benutzung von KI ist ein fatales Signal an alle Urheber*innen generell. Es kann um Autor*innen, Illustrator*innen gehen oder auch um die Filmbranche. Die Stiftung Lesen signalisiert damit: "Ihr seid austauschbar, ihr seid euer Geld nicht wert". Man muss wissen, dass die KI kein Tool ist, mit dem man hübsche Bildchen macht, sondern KI ist Diebstahl geistigen Eigentums. Es werden Bilder generiert, weil eine KI durch unsere Bilder gefüttert wird, und wir sehen dafür keinen einzigen Cent.
Sie sehen das also als Bedrohung für Ihren Beruf, oder?
Behl: Genau. Es ist auf jeden Fall eine Berufsbedrohung. Aber abgesehen davon finde ich auch, dass die Benutzung einer KI bei diesem Thema diese Kampagne ad absurdum führt. Bei den Bildern geht es zum einen um Nachhaltigkeit, und eine KI ist alles andere als nachhaltig. Es geht um Populismus. Man weiß mittlerweile, dass gerade Populisten sich sehr gerne einer KI bedienen, weil ihnen Faktenwissen und Originalität nicht wichtig ist.
Aber das sind doch Werte, die bei der Stiftung Lesen vorrangig sein sollten. Es sollte doch nicht nur ums Vorlesen, sondern auch um die Förderung von Kreativität gehen. Wenn wir Kindern vorlesen, dann geht es auch um die Bildung von Empathie. Aber die Benutzung einer KI ist doch alles andere als empathisch gegenüber sämtlichen Kreativen.
Dazu kommt auch noch der reine ästhetische Effekt, dass die Bilder auch sehr künstlich aussehen, oder?
Behl: Absolut. Hätte man einen Illustrator oder eine Illustratorin für diese Bilder benutzt, dann würde der Eisbär in der einen Illustration sicherlich nicht das Vorlesebuch zertreten. Da frage ich mich auch, ob da niemand draufguckt. Wer hat da überhaupt noch die Expertise? Da wird einer KI gesagt, ein Bild zu machen, wo ein Eisbär einem kleinen Eisbären vorliest, und dann haut die KI ein Bild raus, wo das Vorlesebuch quasi vom großen Bären mit der Tatze zertreten wird. Das ist auch eine fragwürdige Aussage, finde ich.
Die Stiftung Lesen beteuert, dass man auf gar keinen Fall auf Illustratoren verzichten will und dass das überhaupt nicht schwarz-weiß zu denken sei, sondern dass man sich mal ausprobieren wollte, was mit KI möglich ist und was nicht. Was sagen Sie dazu?
Behl: Ich kann verstehen, dass man sich mal mit einer KI ausprobieren möchte, weil es gerade hip ist. Die Stiftung Vorlesen ist allerdings keine hippe Stiftung. Da geht es auch um die Bewahrung von einem Kulturgut, und da hat eine KI überhaupt nichts zu suchen.
Die Statements, die wir bislang von der Stiftung Lesen bekommen haben - in Form von versteckten Kommentaren auf deren Instagram-Seite oder deren Webseite -, sind eine Farce. Wenn die davon sprechen, dass sie einen bestimmten Look wollten, dann ist das Quatsch. Eine KI ist kein Look. Eine KI ist eine schlechte Kopie dessen, was es schon an Originalität gibt. Da können wir nicht von Look sprechen. Diesen Look hätten sie auch gefunden, wenn sie sämtliche Kinderbücher in die Hand genommen hätten, die vermutlich dort vor Ort sind. Die hätten jemanden gefunden, der genau diese Art Illustrationen gemacht hätte, nur besser und mit einem bisschen mehr Seele.
Das heißt, Sie würden sich einen besseren Austausch mit der Stiftung Lesen wünschen?
Behl: Unbedingt. Die haben auch angemerkt, dass die sozialen Medien ein zu kleiner Raum für so einen Austausch sind. Dem stimme ich zu. Ich habe selber schon einige Instagram-Videos und Beiträge zu dem Thema gemacht und immer wieder gesagt, dass ich für ein Gespräch bereit bin. Ein Gespräch gab es aber bisher nicht.
Ich finde das notwendig an der Stelle, und ich hoffe, dass es vielleicht noch dazu kommt. Aber am Ende ist der Drops auch ein bisschen gelutscht, und auch das Vertrauen in die Stiftung Lesen seitens der Illustrator*innen, aber auch Autor*innen hat durch diese Kampagne ganz schön gelitten.
Das Gespräch führte Florian Schmidt.