Ein KI-generiertes Model präsentiert Kleidung © Mang Fashion Group

Modelabel setzt KI-Models ein: "Langweilig und nichtssagend"

Stand: 09.09.2024 16:53 Uhr

Das spanische Modelabel Mango hat für seine neue Kollektion KI-generierte Models eingesetzt. Die renommierte Mode-Expertin Barbara Vinken findet: "Man kann mit KI tolle Modekampagnen machen, aber es kommt immer darauf an, wie."

Frau Vinken, ich kann mir kaum vorstellen, dass sie überrascht sind über dieses erste rein KI-produzierte Kampage. Aber wie bewerten Sie das?

Barbara Vinken: Ich würde sagen, es lag in der Luft. Aber die Kampagne von Mango war von einer nicht zu überbietenden Langweiligkeit, irre klischiert und 08/15.

Mango ist keine von den ganz großen Edelmarken. Ist das Thema dann auch auf die Weise besetzt, und es ist jetzt für die großen Pariser oder Mailänder Häuser schwierig, daran anzuknüpfen?

Vinken: Mango ist in diesem Fall auf Profitmaximierung aus und ist, wie Sie richtig sagen, modisch keine interessante Firma. Die ist im Design völlig uninteressant und klaut meistens. Die Kampagne war unheimlich langweilig, nichtssagend und irgendwie auch ärgerlich in dieser Hinsicht.

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Woran liegt das? Ist nicht mehr möglich, oder sind die mit dem Thema nicht kreativ genug umgegangen?

Vinken: Etro hat im Januar auch eine KI-Kampagne gemacht, und die war wesentlich witziger, weil sie das Künstliche der Künstlichen Intelligenz Science-Fiction-artig, hyperrealistisch herausgestellt. Während Mango versucht, einfach nur eine schöne Kampagne zu machen, die aber ästhetisch völlig flach ist. Man kann mit KI tolle Sachen machen, auch tolle Modekampagnen, aber es kommt immer darauf an, wie. Ich finde es ganz wichtig, dass dabei dem Medium ein eigener ästhetischer Reiz zugesprochen wird, wo das Individuelle, das Schöpferische, das Kreative eine Rolle spielt. Modefotografie ist hochkomplex, und da können Sie nicht so eine Flach-Kampagne starten, da müssen Sie sich ein bisschen was einfallen lassen.

Der Kollege Gabor Paal vom SWR befasst sich theoretisch mit dem Thema Schönheit. Er unterscheidet zwischen Attraktivität, also der glatten Symmetrie, und der Schönheit, die etwas tiefer ist, weil auch unsere Zuschreibung eine Rolle spielt. Glauben Sie, dass es durch automatisch lernende Systeme noch gar nicht möglich ist, das auch darzustellen?

Vinken: Schönheit liegt im Auge des Betrachters, Schönheit hat immer etwas Widerständiges. Gerade in der Mode gibt es einen bestimmten Punkt, an dem wir uns aufhängen, der nicht in das Schema passt, der gegenläufig ist in gewisser Weise. Die großen Modefotografen haben immer diesen Punkt gefunden. Wenn man das in solche glatten Klischees presst, dann ist von dem Reiz des Bildes und von dem Reiz der Mode nicht mehr viel übrig.

Sie haben in der "Neuen Züricher Zeitung" vor einiger Zeit zu einem ganz anderen Komplex geschrieben: "Je virtueller die Welt wird, je unwirklicher, medialer, umso stärker wird der Wunsch nach dem Wirklichen, das man anfassen, riechen, spüren kann. Insbesondere in der Popkultur kommt auf jede Bewegung eine Gegenbewegung." Kann es also sein, wenn jetzt noch ein paar Konzerne solche Kampagnen starten, dass wir dann wieder in ganz analoge Ästhetiken kommen?

Vinken: Ich würde sogar sagen, dass das sehr wahrscheinlich ist. Auf der anderen Seite kann ich mir schon vorstellen, dass aus dem Medium ein spezifischer ästhetischer Reiz gezogen werden kann, in seiner Selbstreflexivität. Aber Sie haben schon Recht: Ich denke auch, dass es einen analogen Backlash gibt. Das sieht man auch im Büchermarkt und in ganz vielen anderen Bereichen.

Es gibt bei den Sprachsystem ein Problem, nämlich dass diese Automaten mit Texten trainieren, die von anderen Automaten geschaffen worden sind. Daraus entsteht eine Rückkopplung, die ungut sei. Wie sehen Sie das beim Thema Fotografie und Bilderzeugung?

Vinken: KI kann immer nur Bilder verwenden, die es gibt. Insofern hat das prinzipiell etwas Plagiatartiges. Sie verwenden im Prinzip die Schönheit, die schon irgendwo da ist, und setzen sie zusammen. Eigentlich müsste man darauf aus sein, nicht diese ganzen Ideen zu synthetisieren, sondern einen spezifisch neuen Reiz daraus zu gewinnen. Das ist ästhetische, schöpferische Arbeit, das ist eine Art von Kunst, genau wie Modefotografie, wenn sie gut ist, auch eine Art von Kunst ist. Das muss man jetzt in das neue Medium der KI übertragen.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 09.09.2024 | 16:30 Uhr

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