Seewarte Hamburg: Flaschenpost sorgt für Sicherheit auf dem Meer
Flaschenpost, Strömungskarten und Sturmwarnungen: Ab 1875 kümmert sich die Deutsche Seewarte in Hamburg um eine sichere Schifffahrt. Heute nimmt das Bundesamt für Seefahrt und Hydrographie diese und weitere Aufgaben wahr.
"Es ist meine Absicht, [...] ein, kurz gesagt, 'Maurysches Institut' ins Leben zu rufen, welches vom ersten Tag seines Bestehns an in den unmittelbaren Dienst der praktischen Seefahrt tritt." Wilhelm Ihno Adolf von Freeden
Mit diesen Worten schlägt der damalige Rektor der Großherzoglich Oldenburgischen Navigationsschule in Elsfleth, Wilhelm Ihno Adolf von Freeden, der Hamburger Handelskammer vor, ein Institut zu gründen, das sich um die Belange der Schifffahrt kümmert und dabei hilft, ozeanische Reisen zu sichern und abzukürzen.
Deutsche Seewarte wird zur Reichsanstalt
Mit dem "Mauryschem Institut" bezieht sich von Freeden auf den US-amerikanischen Marineleutnant Matthew Fontaine Maury. Dieser hatte bereits um 1840 bis 1850 alte Logbücher ausgewertet und daraufhin Wind- und Strömungskarten erstellt. Dank seiner Segelanweisungen verkürzen die Schiffe ihre Routen erheblich. "Von Freeden fertigt in der Zeit von 1868 bis 1875 in der Tradition von Maury rund 850 solcher Segelanweisungen, die sehr gewürdigt werden", schreibt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) über die Geschichte der Einrichtung. Von Freeden führt ab 1867 zunächst die private Norddeutsche Seewarte. Am 9. Januar 1875 wird sie per Gesetz von der staatlichen Deutschen Seewarte abgelöst. Sie wird zu einer Reichsanstalt und der Kaiserlichen Admiralität unterstellt.
"Es gilt, die Seefahrt zu fördern"
Der Hydrograph Georg Balthasar von Neumayer wird erster Direktor der Seewarte. Er baut die Fachgebiete Meereskunde, Meteorologie und Nautik aus. "Es gilt, die Seefahrt durch meeresphysikalische und maritim-meteorologische Beobachtungen zu fördern, nautische Instrumente zu prüfen sowie hydrographische und nautische Schriften und Karten zu sammeln und die heimische Schifffahrt durch nautische Veröffentlichungen sowie die Sturmwarnungen an der Küste und im Binnenland [...] zu informieren", so das BSH, das als Nachfolgeorganisation der Seewarte gilt.
"Da waren die Windverhältnisse natürlich sehr, sehr wichtig - und auch die Meeresströmung. Wenn man einen günstigeren Weg von den Windverhältnissen und von den Meeresströmungen her nimmt, kann der längere Weg der schnellere sein." Rainer Fröhlich, BSH-Vizepräsident im NDR 2025
Mithilfe der Flaschenpost die Strömungen erforscht
Dass bei der Erforschung der Routen die Flaschenpost eine wichtige Aufgabe übernimmt, klingt aus heutiger Sicht verblüffend. Direktor Neumayer hat damals die Idee, die Kapitäne in seine Arbeit einzubeziehen. "Die Deutsche Seewarte hat tatsächlich den einzelnen Kapitänen eine Flaschenpost gegeben und hat denen dann gesagt: An der und der Position schmeißt ihr die über Bord", erzählt BSH-Vizepräsident Rainer Fröhlich 2025 dem NDR. Rund um den Globus schicken die Flaschenpostfinder die in den Behältern steckenden Karten ausgefüllt an die Seewarte in Hamburg zurück. Anhand dieser Informationen entstehen Karten von Meeresströmungen.
Am 21. Januar 2018 wird in Australien eine Flaschenpost gefunden, die am 12. Juni 1886 von dem deutschen Schiff "Paula" in den Indischen Ozean geworfen worden ist. In verblichener Handschrift ist auf dem Zettel zu lesen: "Der Finder wird ersucht den darin befindlichen Zettel, nachdem die auf umstehender Seite gewünschten Angaben vervollständigt sind, an die Deutsche Seewarte in Hamburg zu senden oder auch an das nächste Konsulat zur Beförderung an jene Behörde abzugeben." Diese Flaschenpost mit ihrem Alter von gut 131 Jahren dürfte eine der ältesten der Welt sein. Weil nicht bekannt ist, wie viele Flaschenposten ins Wasser geworfen worden sind, ist es möglich, dass man auch heute noch alte Flaschen der Seewarte an den Stränden der Welt finden kann.
Heute übernehmen sogenannte Argodrifter mit Satellitentechnik die Aufgabe der Flaschenpost. Dabei handelt es sich um autonome Messgeräte, die ohne eigenen Antrieb mit den Meeresströmungen treiben. Sie sind etwa zwei Meter lang und können in eine Tiefe von bis zu 2.000 Metern abtauchen. Die Daten übertragen sie dann von der Meeresoberfläche.
Gebäude auf dem Stintfang wird im Krieg zerstört
1881 zieht die Seewarte auf den Stintfang an den Landungsbrücken. Im Zweiten Weltkrieg wird das imposante Gebäude zerstört. Die britischen Besatzer gründen 1945/1946 das German Maritime Institute, aus dem das Deutsche Hydrographische Institut (DHI) und das Meteorologische Amt für Nordwestdeutschland (MANWD) hervorgehen. Während die meteorologischen Arbeiten dem MANWD zugeordnet werden und das Meteorologische Amt in der Navigationsschule am Hamburger Hafen einzieht, übernimmt das DHI die nautischen, hydrographischen und meereskundlichen Aktivitäten und bezieht 1948 das ehemalige Seemannshaus.
In der sowjetischen Besatzungszone entsteht der Seehydrographische Dienst. Er startet 1950 seine Tätigkeiten in der neu gegründeten DDR. Seinen Sitz hat er zunächst in Berlin, ab 1953 in Stralsund und schließlich ab 1959 in Rostock am Dierkower Damm. Außerdem entstehen Außenstellen in Warnemünde, Stralsund, Saßnitz und Wolgast.
"Meere sind essenziell für das Leben auf diesem Planeten"
Mit der Wiedervereinigung 1990 werden die Aufgaben des DHI gemäß des Einigungsvertrags mit den Aufgaben des Seehydrographischen Dienstes der DDR zusammengelegt und ab dann vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie übernommen. Der Standort in Rostock, zunächst eine Außenstelle, ist seit 1994 gleichberechtigter Dienstort des Bundesamts.
Das BSH ist die zentrale maritime Behörde in Deutschland. Als eine Bundesoberbehörde gehört sie dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr an. Sie ist zuständig für Schifffahrt, Meeresschutz, Offshore, Meeresvermessung, Meeresdaten und für maritime Ressortforschung. Besonders der Zustand der Meere ist in den Fokus gerückt. "Die Meere, das weiß man ja mittlerweile, sind wirklich essenziell für das Leben auf diesem Planeten", sagt BSH-Vizepräsident Fröhlich
1.000 Beschäftigte arbeiten für das BSH
Heute arbeiten rund 1.000 Beschäftigte in mehr als 100 Berufen für das BSH. Sie sind in Hamburg und Rostock sowie auf fünf Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiffen tätig. So werden zum Beispiel Untiefen erkannt und gemeldet. Die erhobenen Informationen fließen in die Nachrichten für Seefahrer, die es seit 1870 gibt - inzwischen nur noch in digitaler Form.