Vor 70 Jahren: Lufthansa startet Liniendienst in Hamburg

Stand: 31.03.2025 10:50 Uhr

Am 1. April 1955 nimmt die Lufthansa den innerdeutschen Linienverkehr wieder auf. Zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs startet ein Passagierflugzeug vom Typ "Convair CV 340" von Hamburg nach München.

von Stefanie Grossmann

Es herrscht typisches Hamburger "Schietwetter", als am frühen Freitagmorgen eine zweimotorige Convair mit Kolbentriebwerk mit Flugkapitän James Monroe und seinem deutschen Co-Piloten Kurt Nonnenberg über das Flugfeld am Flughafen Fuhlsbüttel rollt. Das Motorengeräusch ist außerordentlich laut. Die Kraft der Vibration hinterlässt das Gefühl in einem gewaltigen Raubtier zu sein, das gerade zum Sprung ansetzen will. So beschreibt ein Augenzeuge seine Eindrücke vor dem Start. Währenddessen flattert die blaugelbe Flagge mit dem Kranich ordentlich im Wind. Um 7.43 Uhr hebt dann die Passagiermaschine der Lufthansa mit dem deutschen Hoheitszeichen am Heck in Richtung München ab - mit Zwischenlandungen in Düsseldorf und Frankfurt.

Erster Nachkriegsflugplan besteht aus einem Blatt

Eine Lufthansa-Maschine vom Typ Convair CV 340 ACEF vor der Wartungshalle auf der Lufthansa-Basis Hamburg. (Aufnahme um 1957) © picture-alliance / dpa / Lufthansa
Mit vier Maschinen vom Typ "Convair CV 340" startet die Lufthansa ihren innerdeutschen Liniendienst.

Fast zum gleichen Zeitpunkt startet auch in München eine Convair zu einem planmäßigen Linienflug über Frankfurt und Köln nach Hamburg. In dem Flieger finden 44 Passagiere Platz, die Reisegeschwindigkeit beträgt maximal 430 Stundenkilometern. Es ist die Premiere des innerdeutschen Luftverkehrs. Noch mit Sondergenehmigung - da die Lufthoheit noch bei den Besatzungsmächten liegt. Der erste Nachkriegsflugplan besteht damals gerade mal aus einem Blatt, das vier Verbindungen ausweist.

Die Zeitungen drucken an diesem 1. April großformatige Anzeigen, in denen die amerikanische Pan Am ihren neuen Konkurrenten willkommen heißt: "Bremsklötze weg!"

1955: Alliierten erlauben zivilen Luftverkehr in Deutschland

Bodenpersonal winkt am 31.03.1955 am Flughafen Fuhlsbüttel in Hamburg eine Maschine der Lufthansa vor dem Eröffnungsflug ein. © picture alliance / Kurt Rohwedder Foto:  Kurt Rohwedder
Klar zum Start: Am 31. März 1955 weist das Bodenpersonal die Maschine für den Jungfernflug am nächsten Morgen ein.

Die Wiederaufnahme des zivilen Flugverkehrs am 1. April 1955 ist ein bedeutender Tag in der deutschen Luftfahrtgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Und die "Bremsklötze" sind tatsächlich weg: Noch bis Anfang 1955 besitzen die Alliierten die Lufthoheit über Deutschland. Der Hamburger Flughafen steht unter britischer Verwaltung. Es gibt 24 Flüge pro Woche, auch nach Übersee, durchgeführt von ausländischen Linien wie der US-amerikanischen Pan Am und der schwedischen SAS. Mit der Erlaubnis der Alliierten Hohen Kommission genehmigt der damalige Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm am 1. März 1955 die Aufnahme eines Probeverkehrs in Westdeutschland. Es ist Vorstufe für die Aufnahme des Liniendienstes am 1. April. Zunächst steuern Flugkapitäne der British European Airways (BEA) und deutsche Kopiloten die Convairs. Die deutschen Piloten müssen erst auf die neuen Flieger geschult werden.

Deutschland erhält volle Lufthoheit zurück

Ein weiterer, wichtiger Beschluss folgt einen Monat später - am 5. Mai 1955 treten die Pariser Verträge in Kraft, mit denen das Besatzungsregime endet. Damit erhält die Bundesrepublik einen Teil ihrer Souveränität zurück und im Zuge dessen die volle Lufthoheit. Ab diesem Zeitpunkt kann die Lufthansa auch europäische Ziele wie London, Madrid und Paris anfliegen. Der Weg zur Neugründung der Lufthansa führt über die Auflösung der Vorgängerin durch die Alliierten im Jahr 1951. Sie hatten die erste, im Jahr 1926 gegründete Lufthansa 1951 liquidiert. Am 6. Januar 1953 entsteht die "Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf", kurz Luftag, mit Sitz in Köln. Das Grundkapital beträgt sechs Millionen D-Mark, finanziert vom Bund, einem kleineren Teil vom Bundesland Nordrhein-Westfalen und der Bundesbahn. Am 6. August 1954 kauft die Luftag Namensrecht, Firmenlogo und weitere Symbole für 30.000 D-Mark von der abgewickelten Lufthansa. Seitdem firmiert das Unternehmen als "Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft".

Hamburg ist Heimathafen der neuen Lufthansa

"Der Flughafen Hamburg erfüllt praktisch alle Forderungen, die sowohl hinsichtlich der Gestaltung des Flugplans nach verkehrswirtschaftlichen Gesichtspunkten als auch für die Ortswahl der technischen Basis (Werftbetrieb) des Unternehmens gelten." Aus der Geschichte der Lufthansa-Technik, 2015

Als Heimathafen und operatives Zentrum dient der Lufthansa damals Hamburg. Die Hansestadt ist bereits Drehscheibe für den internationalen Flugverkehr nach West-Berlin und Skandinavien. Der 1. Juli 1953 ist der erste Tag, an dem der Union Jack nicht mehr auf dem Flughafen gehisst wird. Sämtliche Verwaltungsfunktionen sind endgültig in deutsche Hände übergegangen. Das Verbot eines eigenen deutschen Luftverkehrs bleibt allerdings bestehen. Die Aufgabe der neuen Lufthansa besteht zunächst darin, Deutschland auf die Aufnahme des zivilen Flugverkehrs vorzubereiten.

Technisches Zentrum für Flieger: Lufthansa-Basis Hamburg

Eine der beiden ersten Flugzeuge der Deutschen Luftshansa, eine Convair CV 340, wird nach der Landung auf dem Flughafen-Fuhlsbüttel am 29.11.1954 auf ihre Parkposition eingewiesen. © picture-alliance / dpabilderarchiv / Lufthansa
Hamburg wird zum technischen Zentrum für die Lufthansa, hier können mehrere Flugzeuge gleichzeitig gewartet werden.

Mit der Bestellung von vier "Convair CV 340" und vier "Super Constellation" von Lockheed legt die Luftag den Grundstein für die spätere Flotte der Lufthansa. Hamburg sichert sich außerdem die technische Basis für die neue Airline: "Ich war stolz darauf, dass ich für Hamburg-Fuhlsbüttel den Standort der technischen Basis, der Werft also, ergattern konnte", resümiert Helmut Schmidt den Erfolg. Er leitet damals das Amt für Verkehr in Hamburg. Für knapp zwölf Millionen D-Mark baut die Hansestadt die entsprechenden Gebäude. Die Doppel-Flugzeughalle auf der Lufthansa-Basis Hamburg wird am 29. November 1954 feierlich eingeweiht. Bis zu zehn zweimotorige oder sechs viermotorige Flugzeuge können hier gleichzeitig gewartet werden.

Das Fliegen ist lange Privileg der Reichen

Anders als heute ist das Fliegen Mitte der 1950er-Jahre purer Luxus. Die Preise für einen Flug von Hamburg nach München liegen in einer Größenordnung von etwa 300 bis 500 D-Mark, je nach Fluggesellschaft und Ticketklasse. Zum Vergleich: Ein Arbeitnehmer verdient 1955 im Durchschnitt etwa 300 bis 400 D-Mark monatlich. "In den 50er-Jahren zahlte der Durchschnittsbürger rund fünf Prozent seines Jahreseinkommens selbst für einen kurzen Flug", weiß Guillaume de Syon, Professor und Luftfahrtexperte.

Juni 1955: Erster Nonstop-Flug von Hamburg nach New York

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, nur vier Tage nach dem innerdeutschen Jungfernflug folgt der nächste Höhepunkt: Am 19. April 1955 wird die erste "Super Constellation" an die Lufthansa übergeben. Das viermotorige Verkehrsflugzeug mit der eleganten, delphinartigen Silhouette hat eine Reichweite von 6.400 Kilometern. 77 Passagiere finden in der "Super Connie", wie der Flieger liebevoll genannt wird, Platz. Drei weitere Maschinen dieses Typs komplettieren kurz danach die Lufthansa-Flotte für Interkontinentalflüge.

Eine Super-Constellation der Lufthansa in der Luft © picture alliance / Mary Evans Picture Library Foto: Philip Jarrett / the aviationimages.com
Premiere für die Transatlantikroute der Lufthansa: Am 8. Juni 1955 hebt eine "Super Constellation" von Hamburg in Richtung New York ab.

Am 8. Juni 1955 ist es schließlich so weit: Von Hamburg aus startet an diesem regnerischen Mittwoch eine "Super Constellation" zum 17-stündigen Eröffnungsflug (reine Flugzeit) mit einer komplett deutschen Besatzung über Düsseldorf, das westirische Shannon und Island nach New York. Es ist die erste Transatlantikroute der Lufthansa. An Bord von LH400 sind 44 Gäste in der Touristenklasse und 20 Passagiere in der ersten Klasse. Für letztere gibt es Sekt, Kaviar, Austern und Hummer, serviert auf Porzellantellern. Das fliegerische Vergnügen kostet in der First Class um die 3.314 D-Mark - fast so viel wie ein Volkswagen, in der Touristenklasse immerhin auch noch 2.483 D-Mark. Der erste Transatlantikflug ist der nächste Meilenstein in der Geschichte der Lufthansa und der deutschen Luftfahrtgeschichte.

"Die 'Super Constellation' hat ein herrliches Geräusch"

Da dieser Flugzeugtyp viel Treibstoff schluckt, schafft die "Super Constellation" die Strecke über den großen Teich nicht ohne Zwischenlandungen. Im Cockpit der Maschine ist es mit fünf Mann richtig voll: Zwei Piloten, ein Navigator, ein Bordingenieur und ein Funker haben alle Hände voll zu tun. Mitunter kommt es zu Zwischenfällen wie einem Triebwerksausfall. "Das hat uns aber nicht groß irritiert, denn es ging das Gerücht um, die 'Super Constellation' wäre auch das beste dreimotorige Flugzeug", so der ehemalige Flugkapitän Didi Krauss 2008 gegenüber dem NDR. Er ist einer der ersten Piloten, der die "Super Connie" in Deutschland fliegt.

Es ist die Ära der Kolbenmotoren, für das herrliche Geräusch kann sich Krauss auch Jahre später noch begeistern. Auch mit drei Triebwerken kommt der Flieger sicher über den Atlantik. Für die Passagiere sei das nicht so erfreulich gewesen, weil sie sofort gesehen hätten, dass der Propeller steht. Von der fliegerischen Seite sei es völlig problemlos gewesen, so Krauss weiter.

Der Traum vom Fliegen ist teuer und subventioniert

Für viele Menschen und auch Piloten wie Didi Krauss öffnet sich mit der Wiederaufnahme des Linienflugverkehrs in den 1950er-Jahren die erste Chance wieder aus Deutschland herauszukommen. "Ich war vorher einmal mit dem Fahrrad in der Schweiz. Jetzt gab es die Chance mit der Lufthansa in andere Länder zu kommen, das war für mich das Größte", so Krauss. Fliegerisch ist die Wiederaufnahme des Luftverkehrs eine Erfolgsgeschichte für die Lufthansa, wirtschaftlich weniger. Noch lange ist die Kranichlinie auf staatliche Unterstützung angewiesen, erst 1964 schreibt sie schwarze Zahlen. Seit 1997 ist die Deutsche Lufthansa AG vollständig privatisiert.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 23.08.2015 | 19:30 Uhr

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