Stewardessen 1955: Jung, adrett und fesch sollten sie sein
1955 lernten junge Frauen in der Stewardessen-Schule in Hamburg-Fuhlsbüttel, was sie an Bord eines Flugzeugs alles beachten mussten. Neben der Sicherheit war der Lufthansa auch Schönheit wichtig.
Der Dienst über den Wolken will gelernt sein. Und zwar von der Pike auf! Begrüßen, Sitzplätze zuweisen, Ansagen machen, Sicherheitseinweisung und Bordverkauf. Das alles muss sitzen. Wer in einer Lufthansa-Maschine als Flugbegleiterin abheben will, muss erstmal ganz bodenständig in Fuhlsbüttel die Schulbank drücken. So war das in der Nachkriegszeit.
Im Januar 1955 steht Bordservice auf dem Lehrplan. Jedes Detail zählt. Denn ab dem 1. April 1955 soll der Service nicht mehr in einer Attrappe stattfinden, sondern im Flieger - mit Passagieren, die für die Reise bezahlt haben und Service erwarten.
Traumberuf vieler junger Mädchen
"Umwittert vom Parfüm der weiten, großen Welt ist die Stewardess zum Traumberuf vieler junger Mädchen geworden", heißt es 1959 in einem NDR-Filmbericht über den Beruf, der heute fast nur noch Flugbegleiterin genannt wird. "Jung, adrett und fesch" - so stellt man sich damals das Idealbild einer Stewardess vor, ein Job, der noch vergleichsweise neu ist. Mag es in der Anfangszeit noch ein reiner Frauenberuf gewesen sein, sind es längst auch Männer, die den Fluggästen alle Annehmlichkeiten von Getränken über Essen und Zeitschriften über den Wolken bereiten. Seit 1955 hat die Lufthansa 40.000 Menschen zu Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern ausgebildet.
Knallhartes Bewerbungsverfahren mit hoher Durchfallquote
Die sogenannte Stewardessen-Schule befindet sich damals am Flughafen in Fuhlsbüttel. Das Bewerbungsverfahren ist knallhart: 80 Prozent fallen durch. Im Unterricht geht es unter anderem um Flugzeugtypen, Flugstrecken und Sicherheit: "Sie sind dafür verantwortlich, dass keine Gegenstände in der Gegend rumfliegen, dass nichts so untergebracht ist, dass es gefährlich werden kann, dass kein Feuer gemacht wird, dass das Flugzeug nicht angezündet wird, dass die Gäste sich anständig benehmen", erklärt den Schülerinnen damals ein Flugkapitän.
Aber das ist nicht alles: Die Flugbegleiterinnen werden auch als Visitenkarte der Airline angesehen. Deshalb stehen auch andere Einheiten im Lehrplan. In der Nordschau von 1959 heißt es: "Hier [...] gehört der formschöne Anstrich der Lippen durchaus zum Unterricht. Ebenso wie alles andere, was ein junges Mädchen zur jungen Dame macht: Haut-, Gesicht- und Haarpflege, graziöser Gang, richtige Körperhaltung beim Sitzen sowie eine Lektion darüber, wie man die Beine zu Geltung bringt."
Benimmunterricht: "Da lachen die sich heute tot drüber"
Heidi Klausen hatte sich Ende der 1950er-Jahre auch beworben. Sie bestand die Aufnahmeprüfung. Das Flugzeug wurde ihr Arbeitsplatz. "Wir bekamen in unserer Ausbildungszeit auch von einer Gräfin Benimmunterrricht, wie wir uns in bestimmten Situationen zu verhalten haben. Ich glaube, da lachen die sich heute tot drüber, wenn sie das hören. Aber das war wirklich so", berichtet Heidi Klausen dem NDR.
Arbeit auf der Langstrecke ist herausfordernd
Im April 1955 nimmt die junge Lufthansa ihren Betrieb auf. Wenn hier aber irgendjemand von irgendwas umwittert ist, dann ist es wohl zunächst der Kerosingeruch westdeutscher Flughäfen. Nach und nach kommen internationale Ziele dazu. Während die Piloten im Cockpit ihren Dienst verrichten, kümmern sich die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter in der Kabine um die Passagiere. Es ist Arbeit im Akkord. Gerade die Langstrecke ist herausfordernd. Wie etwa in die US-Metropole Chicago. Die Lufthansa bietet diese Strecke bereits ein Jahr nach Betriebsaufnahme ab 1956 an. Zum Einsatz kommt eine Ikone der Luftfahrt: die legendäre Super Constellation.
"Als ich meinen ersten Langstreckenflug nach Chicago hinter mir hatte, da war ich fast am Zusammenbrechen. Da ist man fertig und müde. Und ich glaube, ich habe sogar geweint. Das war zu anstrengend, um sich zu freuen. Das hat sich nachher geändert. Man war dann auch gewöhnt an diese langen Strecken", erzählt Heidi Klausen.
50 Lehrgänge - 1.500 Absolventen in Hamburg
Hamburg wird mit den Jahren auch auf dem Luftweg zum Tor zur Welt. Zur Karriereleiter für Flugbegleiterinnen wird die Gangway jedoch nicht unbedingt: 1962 sind von etwa 430 Stewardessen bei der Lufthansa nur 16 sogenannte Check-Stewardessen. Das Gehalt steigt dafür von 530 Mark in den ersten drei Probemonaten auf fast 1.000 Mark im zehnten Dienstjahr. Bei Düsenflügen gibt es eine Zulage.
Nach knapp zehn Jahren schließt die sogenannte Stewardessen-Schule in Fuhlsbüttel. Sie zieht nach Frankfurt am Main. 50 Lehrgänge fanden in Hamburg statt, etwa 1.500 Flugbegleiterinnen und -begleiter wurden ausgebildet. Im Februar 2024 feierte die Lufthansa Jubiläum: den 2.000. Lehrgang - ein kleines Kapitel Luftfahrtgeschichte, das einst in Hamburg begann.