1999: Luftpirat erzwingt Landung in Hamburg
Eine Maschine der EgyptAir ist entführt worden - das Ziel lautet Hamburg: Diese Nachricht sorgt am 19. Oktober 1999 am Flughafen in Fuhlsbüttel für Alarmstimmung bei Polizei, MEK und Feuerwehr.
Als die Boeing 737 am Abend jenes Oktobertags landet, herrscht auf dem Flughafen Fuhlsbüttel höchste Alarmstufe. Die Polizei sperrt den Flughafen ab. In der Maschine der EgyptAir befinden sich ein Luftpirat mit 53 Geiseln. Das Flugzeug war in Istanbul mit dem Ziel Kairo gestartet und der Entführer hatte nach einem vierstündigen Irrflug die Landung in Hamburg erzwungen. Mehr als 500 Einsatzkräfte von Polizei, MEK und Feuerwehr sind vor Ort, auch das neue Kriseninterventionsteam des Deutschen Roten Kreuzes.
Große Aufregung und viele Fragen
Harald Krüger, der damalige Leiter des Kriseninterventionsteams, erinnert sich 2019: "Das war schon eine Herausforderung, mit neuen Kollegen, die sich alle noch nicht so richtig gut kannten, so etwas zu managen." Man habe sich in der Aufregung gefragt: "Was kommt da auf uns zu? Sind wir dem gewachsen? Wie viele Menschen sind da?", sagt Krüger dem Hamburg Journal des NDR. Sobald die Geiseln frei kommen, soll sein Team sie psychologisch betreuen. Die Verhandlungsgruppe der Polizei spricht über Funk mit dem Entführer, der Asyl fordert. Er bekommt die Zusage und seilt sich daraufhin aus dem Cockpit ab.
Keine Verletzten
"Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen: Das Mobile Einsatzkommando der Polizei hat auf dem Vorfeld in der Nähe der Maschine eine Person festgenommen. Wir gehen davon aus, dass es sich um den Geiselnehmer handelt. Die Passagiere werden gleich von Bord gehen, es gibt keine Verletzten", sagt Hans-Jürgen Petersen von der Polizei damals. Eine halbe Stunde nach der Landung ist die Entführung beendet. Gleich nach dem Start hatte der Ägypter das Cockpit gestürmt, vermutlich mit einem Messer bewaffnet. Er drohte, alle umzubringen. Der 31-Jährige sollte aus der Türkei nach Ägypten abgeschoben werden.
"Tatplan nicht umgesetzt"
"Er hat der Besatzung mitgeteilt, dass es ihm darum gehe, Asyl in Deutschland zu bekommen. Deswegen wolle er nach Hamburg und wenn er Asyl bekomme, dann werde er auch die Geiseln freilassen", berichtet damals Landespolizei-Inspekteur Wolfgang Sielaff. "Dann hat er diesen Tatplan aber nicht umgesetzt, sondern hat das Flugzeug verlassen, er ist also offensichtlich rausgesprungen, befand sich auf dem Flugfeld. Ob er flüchten wollte, kann ich nicht sagen", sagt damals Einsatzleiter Hans-Joachim Dittrich. Während Spezialisten der Kripo die Maschine inspizieren, werden die Passagiere und die Besatzungsmitglieder ins Flughafengebäude gebracht.
Flugverkehr eingestellt
Wegen der Entführung ist der Flugverkehr eingestellt worden. Es gibt erhebliche Verspätungen, Flüge fallen aus. Harald Krüger und sein Kriseninterventionsteam vom DRK kümmern sich um Angehörige und Opfer. "Die sind nach meinem Eindruck sehr gefasst, sehr ruhig gewesen. Ich hatte das Gefühl, dass sich die Crew an Bord sehr um die Menschen gekümmert hat. Die hat dafür gesorgt, dass da nichts eskaliert. Und vermutlich hatten die auch ganz viel Vertrauen in die Hamburger Polizei", sagt Harald Krüger.
Gegen den Entführer wird Haftbefehl erlassen. Bei der Vernehmung kommt die Kripo aber nicht weiter. "Die Beamten haben ihn angesprochen, haben versucht, die Motive offenzulegen. Er hat sinngemäß gesagt: Ich mag Deutschland, ich wollte nach Deutschland, ich mag Steffi Graf. Unter dem Strich kann ich sagen, er machte einen Eindruck eines geistig Verwirrten."
Sechs Jahre Haft für Entführer
Die Nacht verbringen die Passagiere, hauptsächlich Türken und Ägypter, in einem Hotel. Dabei wollte der Entführer zunächst gar nicht in Hamburg landen. "Er wollte auf den Flughafen London-Heathrow, aber wir konnten ihn nach zwei Stunden überzeugen, dass es besser sei, auf dem europäischen Festland zu landen, weil wir kaum noch Treibstoff hatten", erzählt Pilot Hazem el Abedi. Das Messer, mit dem der Mann die Passagiere bedroht haben soll, wurde nie gefunden. "Das ist ein Ereignis, das man nicht so häufig erlebt und das ist für mich bislang auch einmalig gewesen, ein solcher Einsatz und ich hoffe, das bleibt auch so", sagt Harald Krüger 2019.
Nur 18 Stunden nach Ende der Entführung hebt die Maschine wieder ab - mit dem Ziel Kairo. Der Entführer bleibt in Hamburg. Er wird zu sechs Jahren Haft verurteilt.