Hamburger Michel: Eine Kirche trotzt Bränden und Krieg
Nach bereits zwei verheerenden Bränden wurde die Hamburger Kirche St. Michaelis im Zweiten Weltkrieg auch noch zerbombt. Am 19. Oktober 1952 wurde der restaurierte Michel neu geweiht. Die wechselvolle Geschichte eines Wahrzeichens.
453 Stufen hat der Hamburger Michel, vom Eingang bis zur Spitze. Und die größte Turmuhr Deutschlands - allein der große Zeiger ist fast fünf Meter lang. Das Gotteshaus war lange Zeit das erste und letzte, was Seeleute auf großer Fahrt von Hamburg sahen. Das machte ihn zum Wahrzeichen der Hansestadt, denn der Anblick der Kirche St. Michaelis bedeutet für viele Heimat.
Der heutige Hauptpastor Alexander Röder nennt seine mehr als 350 Jahre alte Kirche "das Wohnzimmer des Lieben Gottes". Dreimal wurde der Michel geweiht: 1762, 1912 und 1952, jeweils am 19. Oktober. Die Daten stehen für die wechselvolle Geschichte des Gotteshauses, das 1750 und 1906 bei Bränden zerstört und im Zweiten Weltkrieg von Bomben schwer beschädigt wurde. Doch immer wieder wurde der Michel aufgebaut und jeweils zur Wiedereröffnung geweiht.
Beginn von St. Michaelis als Friedhofskapelle
Seine Anfänge hatte der Michel um das Jahr 1600. Damals entstand außerhalb der damaligen Stadtmauern ein Friedhof für die Pest-Toten. Seine Kapelle war der Vorläufer der heutigen Ansgar-Kirche. Als immer mehr Menschen in die Neustadt zogen, war die Kapelle zu klein. Der Hamburger Rat und die Bürgerschaft beschlossen einen Neubau der dem Erzengel Michael geweihten Kirche in der Nachbarschaft. Am 14. März 1661 fand die Weihe des ersten großen Michels statt. Nach der Eröffnungspredigt erklang "Nun lob, mein Seel, den Herren" vom damaligen Hauptkirchen-Kantor Thomas Stelle.
1750 wird der Michel vom Blitz getroffen
Knapp hundert Jahre später, im Jahr 1750, wurde der Michel vom Blitz getroffen, der Turm brach in sich zusammen, die Kirche brannte bis auf ihre Grundmauern ab. Das ursprüngliche Gotteshaus, der sogenannte Kleine Michel, diente als Notkirche, bis der große Bruder 1762 wieder aufgebaut war. Damals erhielt die Kirche unter Leitung des noch weitgehend unbekannten Baumeisters Ernst Georg Sonnin ihre heutige Form.
Gemeinde verhindert Umwandlung zum Pferdestall
Als Hamburg 1811 an das französische Kaiserreich angegliedert wurde, wurde der "Kleine Michel, die heutige St. Ansgar Kirche, zur katholischen Kirche umgewidmet. Französische Soldaten feierten dort ihre Gottesdienste. In vielen anderen Kirchen richteten die Franzosen Pferdeställe ein. Der "Große Michel" blieb davon verschont. Zwölf Gemeindemitglieder stellten die 300 geforderten Pferdeplätze anderweitig zur Verfügung und verhinderten damit, dass das Gotteshaus zum Stall wurde.
Zum zweiten Mal Feuer in St. Michaelis
Am 3. Juli 1906 fing der große Michel bei Lötarbeiten am Turm zum zweiten Mal Feuer. Zwar konnte der Turmwächter noch Alarm geben, doch für eine Rettung war es bereits zu spät. Der Turmwächter starb in den Flammen, die Kirche brannte vollständig ab. Schon einen Tag nach dem verheerenden Brand wurde vom Kirchenkollegium und dem Rat der Stadt der Wiederaufbau beschlossen. Optisch wurde der Michel in der Folge erneut nach den Plänen des Architekten Ernst Georg Sonnin errichtet - anstelle der früheren Holzkonstruktion kamen nun allerdings Stahl und Beton in den Turm und den Dachstuhl. Auch die zehn zerstörten Glocken wurden neu gegossen. Schon sechs Jahre nach dem Brand konnte Norddeutschlands größte Barockkirche zum dritten Mal eingeweiht werden.
Kriegsbomben setzen der Kirche zu
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Krypta als Luftschutzbunker genutzt. 1945 trafen Bomben das Hauptschiff der Kirche und beschädigten es schwer. Der Wiederaufbau wurde zum größten Teil durch Spenden der Hamburger Bevölkerung finanziert. Die Reparatur dauerte bis 1952. Am 19. Oktober konnte Hamburgs heutige Hauptkirche schließlich neu geweiht werden.
Zwischen 1983 und 2009 wurde der Michel nochmals grundlegend saniert: Der Beton im Turm hatte sich über Jahre hinweg mit Wasser vollgesogen und damit den Stahl in der Turmkonstruktion rosten lassen.
Der Michel in Hamburg - Mehr als eine Kirche
Heute wird die Kirche St. Michaelis nicht nur für Gottesdienste, Konzerte und Hochzeiten genutzt. Auch Wirtschaftskongresse, Motorradgottesdienste und Trauerfeiern finden dort statt. 2015 etwa wurde im Michel die Trauerfeier für den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt ausgerichtet, an der 1.800 geladene Gäste aus dem In- und Ausland teilnahmen. 2020 verabschiedeten sich die Hamburgerinnen und Hamburger dort vom Schauspieler und Publikumsliebling Jan Fedder.
Zehn Glocken und vier Orgeln
Der Turm des Michels ist mit 132 Metern nach dem Fernsehturm (272 Meter) und dem Turm an der Ruine der Kirche St. Nikolai (147 Meter) der dritthöchste Turm Hamburgs und besitzt insgesamt zehn Glocken. Die beiden Uhrschlagglocken fehlten jedoch fast einhundert Jahre, sie waren 1917 während des Ersten Weltkriegs für die Waffenproduktion eingeschmolzen worden und wurden erst 2016 - durch Spenden finanziert - ersetzt.
Der Michel verfügt außerdem über fünf Orgeln: Die romantische Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Orgel steht in der Krypta, die Marcussen-Orgel auf der Konzertempore. Die Steinmeyer-Orgel ist das größte und die Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Orgel das neueste der Riesen-Instrumente. Zusätzlich befindet sich über der großen Steinmeyer-Orgel noch ein Fachwerk mit 17 Registern und 1.222 Pfeifen - gespielt wird dieses Instrument am Zentraltisch im Kirchenschiff.