Hamburg bekommt 1914 einen Park fürs Volk
Ein Park für alle Hamburger, nicht nur zum Flanieren gedacht, sondern auch zum Spielen und Tummeln. Am 1. Juli 1914 wurde der Stadtpark eröffnet - nach jahrelangen Querelen.
"Bleibt Hamburg auf Dauer bewohnbar?" Diese Frage stellt sich Alfred Lichtwark 1897. Der Leiter der Kunsthalle ist überzeugt, dass nur die Schaffung eines großen Volksparks, wie er ihn in Stockholm kennengelernt hat, die Probleme der Stadt lösen kann. Denn für den Großteil der Bevölkerung ist das Leben in Hamburg damals alles andere als angenehm. Die Arbeiter und ihre Familien hausen in engen Vierteln ohne ausreichend Licht, Luft und sanitäre Einrichtungen. 1892 war in der Hansestadt erneut die Cholera ausgebrochen.
Weg von drangvoller Enge - hin zu Spiel- und Sportstätten
Kein Landschaftspark zum Flanieren, sondern eine Grünfläche mit vielen Spiel- und Sportstätten - das schwebt dem sozial engagierten Lichtwark vor: "Wir brauchen einen Park, der bei jedem Wetter die ganze Bevölkerung dauernd anzieht und festhält, der eine reiche Quelle edler Lebensfreude bietet (...) und Leib und Seele gesund macht und gesund hält". Für seine Idee macht er sich in der Öffentlichkeit stark und findet Mitstreiter, darunter zwei Mitglieder des Senats. 1901 stellt der Senat in der Hamburgischen Bürgerschaft einen Antrag für weitere Landankäufe und die Anlage eines Stadtparks in Winterhude. Ein Jahr später kauft Hamburg von den Erben des Goldschmieds Adolph Sierich das Sierichsche Gehölz - ein Waldgebiet mit Forsthaus.
Unterschiedliche Ideen, lange Diskussionen
Die Flächen für den gewünschten Park sind damit vorhanden, wie genau er aber aussehen soll - darüber herrscht Uneinigkeit. Die Befürworter der neuen Volkspark-Idee stehen den Konservativen gegenüber, die einen Landschaftspark nach englischem Vorbild wünschen. Die Diskussion in Senat und Bürgerschaft dauert Jahre. Auch ein öffentlicher ausgeschriebener Wettbewerb bringt 1908 keine Entscheidung - die Jury kann sich nicht auf einen Sieger festlegen. Ein Jahr später beauftragt der Senat den Oberingenieur Ferdinand Sperber und den neuen Baudirektor Fritz Schumacher mit der Ausarbeitung eines Entwurfes.
Die beiden haben zwar ebenfalls unterschiedliche Vorstellungen - Schumacher ist glühender Verfechter der Volkspark-Idee und wünscht sich ein "Freiluft-Volkshaus" mit Räumen für alle -, können sich aber auf einen Kompromiss einigen, dem die Bürgerschaft im April 1910 zustimmt. 7,7 Millionen Mark werden für den Bau zur Verfügung gestellt, der noch im selben Jahr beginnt. Außerdem schafft die Stadt den neuen Bereich Gartenwesen, erster Gartendirektor wird der Landschaftsarchitekt Otto Linne.
Juli 1914 - Es ist so weit
Vier Jahre später, am 1. Juli 1914, feiert Hamburg die Eröffnung des Stadtparks, der zwar noch nicht vollständig, aber in großen Teilen fertiggestellt ist. Tausende strömen bei kühlem Wetter auf das Gelände. Sie finden eine Anlage mit klaren räumlichen Strukturen vor: Von West nach Ost erstreckt sich eine Längsachse mit großer Festwiese und dem künstlich geschaffenen Stadtparksee, Bäume und Sträucher säumen die Wege. Anders als heute durchziehen zahlreiche breite gepflasterte oder asphaltierte Straßen den Park - dort finden in den folgenden Jahren auch Autorennen statt. Hinzu kommen gut acht Kilometer Reitwege.
Der Park von 1914 bis heute
Nur einen Monat später bricht der Erste Weltkrieg aus. Die weiteren Arbeiten kommen zum Erliegen oder gehen nur sehr schleppend voran. Wegen der Lebensmittelknappheit dürfen die Bürger auf den Freiflächen Gemüse und Kartoffeln anbauen. Nach 1918 nimmt die Stadt den Ausbau des Parks wieder auf. Es entstehen viele wichtige Sport- und Spielstätten wie der große Spielplatz mit Planschbecken, eine Freilichtbühne, Restaurants, der Wasserturm sowie zahlreiche Gartenanlagen. Auch die Kunst im öffentlichen Raum hält Einzug in den Park - in Form von verschiedenen Skulpturen, die Privatpersonen stiften.
So kann der Stadtpark in den 1920er- und 1930er-Jahren schließlich das erfüllen, was seine Planer gefordert hatten: Hamburger aller Schichten erholen sich dort, treiben Sport, besuchen Konzerte oder andere Veranstaltungen.
Flakstellung und Nissenhütten
Der Zweite Weltkrieg bereitet dem Freizeitvergnügen ein jähes Ende. 1939 richtet das Militär auf der Festwiese eine Flakstellung mit zahlreichen Scheinwerfern ein; die Alleen ringsherum werden abgeholzt. Die schweren Bombenangriffe im Sommer 1943 treffen auch den Park - die Stadthalle, das Parkcafé und die Kaskaden - alle drei Werke von Fritz Schumacher - werden zerstört. Bei Kriegsende ist die Not in der Stadt groß, auf der Wiese leben mehrere Tausend Menschen in Notunterkünften, den sogenannten Nissenhütten. Die Grünflächen werden zu Grabeland - statt Blumen wächst dort jetzt Gemüse.
Als es Land und Stadt besser geht, rückt auch der Park wieder in den Fokus. Anfang der 1950er-Jahre werden Wiese und Gartenanlagen wiederhergestellt, Straßen und Reitwege zurückgebaut. 1953 finden im Stadtpark das deutsche Turn- und Sportfest, der Kirchentag und Teile der Internationalen Gartenbauausstellung statt. Allmählich eroberten die Hamburger sich ihr grünes Wohnzimmer zurück.
Der Park heute
Jogger, Spaziergänger, Freizeitkicker oder Menschen, die einfach nur im Grünen entspannen: Heute wird der Park von Hamburgern jeden Alters genutzt. Besonders an schönen Sommertagen und -abenden ist die Festwiese ein einziges Meer von kleinen Gruppen. Über dem Park liegt der Duft von Gegrilltem und in den Biergärten ist nur noch mit Glück ein Platz zu finden. Dass der Stadtpark ein so attraktives Ziel bleibt, dafür setzt sich der Stadtpark Verein Hamburg e.V. ein. Wer ihn unterstützen möchte, ist herzlich willkommen. Anlaufstelle ist der Vereinssitz im ehemaligen Forsthaus an der Otto-Wels-Straße.