VIDEO: Berlin feiert 100. Geburtstag von TV-Genie Wolfgang Menge (2 Min)

Wolfgang Menge: Visionär der TV-Unterhaltung

Stand: 10.04.2024 16:45 Uhr

Bekannt wurde der Drehbuchautor und Regisseur Wolfgang Menge durch die NDR Krimiserie "Stahlnetz", die Familienserie "Ein Herz und eine Seele" und als Moderator der Talkshow "3 nach 9". Er wurde am 10. April 1924 geboren. 2012 starb Menge.

Journalist und Schriftsteller Wolfgang Menge war Autor zahlreicher erfolgreicher TV-Serien. In den 1950er- und 60er-Jahren verfasste er fast alle Drehbücher der legendären NDR Krimireihe "Stahlnetz" unter der Regie von Jürgen Roland. Ein Publikumsliebling war die von ihm erfundene Figur "Ekel Alfred" aus der Serie "Ein Herz und eine Seele", die in den 1970er-Jahren lief. Wer auf Wolfgang Menges Leben blickt, sieht auch ein Stück Rundfunk und Fernsehgeschichte, denn an vielen Stellen war er der erste: erster Reporter nach dem Zweiten Weltkrieg beim "Hamburger Abendblatt", erster Korrespondent in Tokio und der erste deutsche Journalist, der mit der Transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau reiste.

Erinnerungslücken bei NS-Zeit und Krieg

Journalist und Fernsehautor Wolfgang Menge 1974 während einer Talkshow mit einer Tabakpfeife im Mund. © picture-alliance/ dpa Foto: Horst Ossinger
Kahler Kopf und Pfeife im Mundwinkel: So kannte man Wolfgang Menge.

Geboren am 10. April 1924 in Berlin, wächst Menge in Hamburg auf und verlebt seine Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus. Als Kind einer jüdischen Mutter und Außenseiter will er in die Hitlerjugend, um dort zu sein, wo alle sind - darf aber nicht. Als 17-Jähriger wird er in den Krieg eingezogen. Er kommt an die Ostfront und wird schließlich verwundet. In seinem späteren Leben dazu befragt, antwortet er allerdings immer wieder, sich nicht erinnern zu können - als hätte sein Leben erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs begonnen.

Wenige Jahre nach Kriegsende stellt ihn das "Hamburger Abendblatt" 1949 als seinen ersten Reporter ein, in den 1950er-Jahren geht Menge als Auslandsreporter nach Ostasien. Nach Jahren als Journalist und einem Leben aus dem Koffer kehrt Menge nach Hamburg zurück und kommt zum NWDR, aus dem Mitte der 50er-Jahre der NDR und der WDR hervorgehen.

"Stahlnetz" bringt Deutschland vor den Fernseher

Szene aus der "Stahlnetz"-Folge "Das Haus an der Stör" (1963) mit Rudolf Platte und Andrea Gosske. © NDR Foto: Annemarie Aldag
Als Kommissar Roggenburg ermittelte Rudolf Platte in dem "Stahlnetz"-Klassiker "Das Haus an der Stör" von 1963.

Menge beginnt, Drehbücher zu schreiben und wird zum Autor etlicher erfolgreicher Fernseh-Serien. Fast alle Drehbücher des ersten deutschen Straßenfegers, derNDR Krimiserie "Stahlnetz", stammen aus seiner Feder. Die Filme unter der Regie von Jürgen Roland basieren auf echten Kriminalfällen, zeigen die Verbrechen der "normalen" Menschen aus der Mitte der Gesellschaft und ziehen ganz Deutschland in ihren Bann.

Mit dem Fernsehfilm "Die Dubrow-Krise" erweist sich Menge 1969 als Visionär: Die Satire, in der ein DDR-Ort der Bundesrepublik beitritt, zeigt Probleme auf, die bei der Wiedervereinigung 1990 tatsächlich auftreten werden. Auch 1970 ist Menge seiner Zeit voraus, als er die Zukunft des Fernsehens thematisiert: In "Das Millionenspiel" setzt sich der Kandidat einer Fernseh-Show der Verfolgung durch ein Killer-Kommando aus, um eine Million D-Mark zu gewinnen. Im gleichen Jahr entwickelt Menge für den "Tatort" die Figur des Zollfahnders Kressin. Auch fürs Kino schreibt Menge Drehbücher, unter anderem zur Konsalik-Verfilmung "Strafbataillon 999" und dem Edgar-Wallace-Film "Der grüne Bogenschütze".

"Ekel Alfred" wird zum Publikumsliebling

Protagonisten der Serie 'Ein Herz und eine Seele' © picture-alliance / dpa Foto: Hans Dürrwald
Ein Unsympath erobert die Herzen der Deutschen: "Ekel Alfred" alias Heinz Schubert als Oberhaupt der Famile Tetzlaff in "Ein Herz und eine Seele".

Zum absoluten Publikumsliebling wird in den 1970er-Jahren die von Menge erfundene Figur "Ekel Alfred" - das reaktionäre und cholerische Familienoberhaupt der Familie Tetzlaff in der WDR-Serie "Ein Herz und eine Seele". In jede Folge der Familienserie fließen damals aktuelle gesellschaftliche und politische Themen ein - und sorgen regelmäßig für Streit und hitzige Debatten in der westdeutschen kleinbürgerlichen Familie. Menge gelingt damit nicht nur gute Unterhaltung, sondern auch das Porträt einer Epoche.

Mit "Smog" unter der Regie von Wolfgang Petersen schreibt Menge das Drehbuch für einen fiktiven Doku-Thriller über eine Smog-Katastrophe im Ruhrgebiet. Auch hier spürt er mit der Umweltverschmutzung als Folge der Industrialisierung ein Thema auf, lange bevor es den Massen bewusst ist und die grüne Umweltbewegung an Fahrt aufnimmt.

Vibrator-Talk mit Beate Uhse bei "3 nach 9"

Am Puls der Zeit ist Menge auch, als es um die Entwicklung neuer Fernseh-Formate geht. Als Mitbegründer der ersten Live-Talkshow im deutschen Fernsehen moderiert er von 1974 bis 1982 die Talkshow "3 nach 9" von Radio Bremen. Und sogt abermals für legendäre Fernseh-Momente. Unvergessen ist zum Beispiel das Interview mit Beate Uhse über Sex-Spielzeuge. Ausgestattet mit einer Plastiktüte kramt der Talkmaster in der Sendung einen "Trockenspanner" für Präservative und Vibratoren hervor - und zeigt damit: In seiner Brust schlägt noch immer das Herz eines Journalisten, der recherchiert und sich erstmal selbst anschaut, worüber er reden will.

"Der Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten"

Für sein Lebenswerk wird Menge 2002 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Bis zu seinem Tod ist er mit der Journalistin Marlies Menge verheiratet und hat mit ihr drei Söhne. Das Paar lebt zuletzt in Berlin und auf Sylt. Im Kreis seiner Familie stirbt Wolfgang Menge im Alter von 88 Jahren am 17. Oktober 2012 in einem Berliner Krankenhaus.

Die damalige ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin Monika Piel würdigt Menge nach seinem Tod als "einen der ganz Großen der deutschen Fernsehunterhaltung", der ein Lebenswerk geschaffen habe, "das im deutschen Fernsehen seinesgleichen sucht." Er habe der deutschen Gesellschaft in den 70er-Jahren "einen Spiegel vorgehalten, in dem sie sich selbst erkennen und zugleich über sich lachen konnte", so der damalige ARD-Programmdirektor Volker Herres.

Weitere Informationen
"Ekel Alfred" in "Ein Herz und eine Seele" (Heinz Schubert). © NDR/SWR/WDR

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Andrea Grosske und Rudolf Platte in einer Szene der TV-Serie Stahlnetz - Folge "Haus an der Stör", 1963 © picture alliance/United Archives

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NDR Info | 10.04.2024 | 16:00 Uhr

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