Walter Kempowski - ein literarischer Chronist
Walter Kempowski gehört seit Jahrzehnten zu den meistgelesenen deutschen Gegenwartsautoren und gilt als einer der großen literarischen Chronisten deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Bekannt wurde der 2007 verstorbene Schriftsteller und Ehrenbürger der Stadt Rostock vor allem durch sein Werk "Echolot" in zehn Bänden, das Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und andere Dokumente aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu einer Collage verdichtet.
Vom Dorfschullehrer zum Autor
Am 29. April 1929 wurde Walter Kempowski in Rostock als Sohn eines Reeders geboren. Drei Jahre nach Kriegsende wurde er wegen angeblicher Wirtschaftsspionage verhaftet und saß acht Jahre lang im DDR-Zuchthaus in Bautzen ein. Mitte der 1950er-Jahre zog er in den Westen, studierte in Göttingen Pädagogik und arbeitete 20 Jahre lang als Dorfschullehrer in Niedersachsen, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete.
Zu seinen bekannten Werken zählen unter anderen "Tadellöser & Wolff", "Uns geht's ja noch gold. Roman einer Familie" und "Deutsche Chronik". Für sein Mammut-Werk "Echolot" erhielt er auch aus dem Ausland große Anerkennung. Sein letztes Buch "Alles umsonst" erschien 2006. Der Roman handelt von der dramatischen Flucht der Deutschen im Kriegswinter 1945 aus dem von der Roten Armee besetzten Ostpreußen.
Tagebücher als wichtigste Quelle
In seinen Werken beschäftigte sich der Autor immer wieder mit dem Thema totalitäre Gewalt und Ideologie. Dabei verarbeitete er zahlreiche Elemente der eigenen Biografie von der Zeit im Dritten Reich über die Kriegswirren und die Flucht bis hin zur Verurteilung und Inhaftierung wegen Spionage durch die sowjetischen Besatzer im Nachkriegsdeutschland.
Wichtigste Quelle für Kempowskis Schaffen waren Tagebücher: seine eigenen, die Kempowski seit 1945 geführt hatte, aber auch die Aufzeichnungen anderer Menschen, die er seit den 1980er-Jahren sammelte. Vielen seiner Rezensenten galt Kempowski als Stellvertreter für eine ganze Generation des deutschen Nachkriegsbürgertums.
Zahlreiche Auszeichnungen
Kempowski hatte lange auf eine breite Anerkennung warten müssen - dem bekennenden Antikommunisten brachte der kommerzielle Erfolg seiner neun Chronik-Romane nicht unbedingt auch gleich die entsprechende literarische Würdigung. Das änderte sich grundlegend erst mit der Veröffentlichung der Echolot-Kriegschronologie in den 1990er-Jahren. Zahlreiche Ehrungen folgten.
So erhielt Kempowski unter anderem im Oktober 2005 in Rostock den Hans-Erich-Nossack-Preis für sein Lebenswerk. Zu den weiteren Auszeichnungen zählen unter anderem der Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung (1994), das Bundesverdienstkreuz (1996) und der Verdienstorden des Landes Niedersachsen (2004). 2005 erhielt er den Thomas-Mann-Preis.
Ehrenbürger und Ehrendoktor
Die Akademie der Künste in Berlin, die 2005 das Archiv des Schriftstellers übernommen hatte, stellte dessen persönliche Sammlung in diesem Jahr unter dem Titel "Kempowskis Lebensläufe" aus. Wegen einer Erkrankung konnte der Schriftsteller die Schau nicht selber sehen. Nach Angaben seiner Frau war diese Ausstellung aber der "Höhepunkt seines Lebens". "Die Bedeutung, die Sie meinem Werk beimessen, hat mich überrascht, und die Liebe und Sorgfalt, die man der Realisation dieser Ausstellung angedeihen ließ, macht vieles wieder gut", erklärte Kempowski in einer Grußbotschaft, die sein Sohn Karl Friedrich zur Eröffnung verlas. Seine Geburtsstadt Rostock hatte Kempowski 1994 die Ehrenbürgerwürde verliehen.
Schreiben trotz schwerer Krankheit
Am 5. Oktober 2007 starb Walter Kempowski nach seiner schwerer Krankheit im Alter von 78 Jahren. Er litt an Darmkrebs. Bis zuletzt hatte er sich von seiner Erkrankung nicht unterkriegen lassen. Er schrieb weiter an einem neuen Buch und lud noch zu Literaturnachmittagen in seinem Haus in Nartum bei Bremen ein.
Wenige Tage danach, am 8. Oktober, wurde der Schriftsteller in aller Stille in seinem Wohnort im Kreis Rotenburg/Wümme beerdigt. Die Beisetzung habe auf Wunsch der Familie im engsten Familien- und Freundeskreis stattgefunden, sagte die Sprecherin von Kempowskis Verlag Albrecht Knaus, Susanne Klumpp. In "Haus Kreienhoop" in Nartum, in dem Kempowski mit seiner Frau lebte, ist die 2005 gegründete Kempowski-Stiftung ansässig. Das Haus ist an bestimmten Terminen für Literatur- und Kulturveranstaltungen geöffnet und kann auf Anfrage auch besichtigt werden.