Freddy Quinn: Die Stimme der Seemanns-Romantik
Freddy Quinn verkörpert den einsamen Seefahrer wie kein anderer - dabei ist er nie zur See gefahren. Er gilt als erfolgreichster Sänger der Nachkriegszeit, vertrat Deutschland als erster beim Grand Prix.
Zwischen 1956 und 1966 hat Freddy Quinn zehn Nummer-eins-Hits. Unvergessen: "Junge, komm bald wieder" und Lieder wie "Heimweh", "Brennend heißer Wüstensand" oder "Die Gitarre und das Meer". Sie prägen seinen Ruf als Hamburger Jung und Seefahrer mit Troubadourflair. Mehr als 60 Millionen Platten verkauft er bis zur Jahrtausendwende, er bekommt 17 goldene Schallplatten, 16 Löwen und zwei Bambis. Er spielt mit Musikfilmen wie "Freddy, die Gitarre und das Meer" oder "Heimweh nach St. Pauli" mit der Hollywood-Schauspielerin Jayne Mansfield. Meist mimt er den heimatlosen Einzelgänger, den es als Seemann in die weite Welt zieht. Die Rollen sind ihm auf den Leib geschneidert und bedienen die Sehnsüchte der Nachkriegsgeneration. Für die Verdienste um das deutsche Liedgut erhält Quinn von Bundespräsident Karl Carstens 1984 das Bundesverdienstkreuz.
Sänger und Seiltänzer: Ein Leben auf der Bühne
Gut 60 Jahre steht Freddy Quinn auf der Bühne, die sein Leben bedeutet - als Sänger, Schauspieler, Entertainer und Zirkusartist. Doch der Mensch Freddy Quinn ist stets geheimnisvoll geblieben - rund 20 Versionen seiner Lebensgeschichte soll es geben. Dichtung und Wahrheit verweben sich, es gibt immer wieder Gerüchte. Quinn scheint das kalt zu lassen. Auf die Frage, ob er schwul sei, antwortet er 2006: "Es hat mich fast amüsiert, wenn Leute verbreitet haben, ich sei homosexuell." Er schafft es, sein Privatleben weitgehend von den Medien fernzuhalten.
Abneigung gegen Adoptivvater
Am 27. September 1931 wird Freddy Quinn als Manfred Franz Eugen Helmuth Nidl im niederösterreichischem Niederfladnitz geboren - er selbst gibt Wien als Geburtsort an. Nicht Hamburg, wie man annehmen möchte, doch immerhin wurde er nach eigenen Angaben in seiner Wahlheimat gezeugt - dieses kleine Detail aus seinem meist verschlossenen Nähkästchen plaudert er gerne aus. Seine Mutter war Journalistin in Wien, sein Vater - laut Quinn - ein Kaufmann irischer Abstammung, bei dem er einige Zeit in den USA lebt. Zurück in Österreich kommt ein Stiefvater ins Spiel, gegen den sich der kleine Manfred auflehnt. Eine Zeit lang heißt er Manfred von Petz - erst 15 Jahre später darf er seinen Namen offiziell in "Quinn" ändern.
Der junge Quinn flieht vor der Polizei
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs - Quinn ist gerade erst 14 Jahre alt - setzt er sich aus Wien ab, um seinen Vater in den USA zu besuchen. Dort erfährt er, dass dieser bei einem Autounfall gestorben ist, und wird von den US-Behörden zurückgeschickt. "Damals lernte ich zum ersten Mal, was wirklicher Seelenschmerz ist", sagte Quinn später in einem Interview über diese leidvolle Erfahrung.
Zurück in Europa geht der Österreicher zunächst auf die Volksschule in Antwerpen und später in Wien. Nach kurzer Präsenz am Gymnasium in der Albertgasse reißt er als 16-Jähriger aus und schließt sich einem Zirkus an. Dort ist er Allround-Talent, arbeitet als Kapellmeister und Akrobat. Weil er noch minderjährig ist, wird er von seinem Stiefvater polizeilich gesucht. Nach einer Warnung flüchtet Quinn vom Burgenland nach Rom per Autostopp. In der italienischen Hauptstadt spielt er Klavier für die amerikanischen Soldaten. Über Palermo gelangt er per Schiff nach Tunis und von dort als Anhalter nach Algerien.
Fremdenlegionär in spe - für drei Wochen
In der algerischen Stadt Sidi bel Abbès spielt Quinn in Bars auf seiner Gitarre vor den dort stationierten Fremdenlegionären. Seine Lieder über Sehnsucht und Heimweh kommen gut an und bringen ihm viel Geld ein. Ein Ausbilder der Legionäre schlägt ihm vor, probeweise eine Grundausbildung bei den Berufssoldaten mitzumachen. Nach drei Wochen Basistraining entscheidet sich Quinn gegen die Fremdenlegion und kehrt Anfang der 1950er-Jahre nach Europa zurück.
Grand-Prix-Teilnehmer und Schallplatten-Millionär
1954 verdient Quinn sein Geld mit einem festen Engagement für Country, Rock 'n' Roll und Shantys in der Hamburger "Washington Bar" auf St. Pauli. Jürgen Roland, Fernsehregisseur und Redakteur des NWDR, und der Musiker Werner Baecker entdecken Quinn in der Kneipe und machen Aufnahmen für den Sender. Die Plattenfirma Polydor wird aufmerksam und strickt dem gutaussehenden und talentierten jungen Mann eine dem Markt angepasste Biografie. Er nimmt Gesangsunterricht bei Professor Möbius und Schauspielunterricht bei Joseph Offenbach. Fortan verschmilzt Freddys Leben mit seinen Liedern: Freddy auf Wanderschaft, heimatlos, auf der Suche. 1956 hat er mit "Heimweh" seinen ersten Hit und wird damit zum ersten deutschen Schallplatten-Millionär. Im selben Jahr startet er bei der Premiere des Grand Prix für Deutschland. Das Lied "So geht das jede Nacht" landet auf Platz 13.
Freddy Quinn ist auch als Schauspieler erfolgreich
Seefahrer-Romantik, Sehnsucht und Heimweh sind neben Fischermütze und weinenden Bräuten am Hafen die Stichworte, die auch junge Leute heute noch mit Freddy Quinn verbinden. Dass er nie wirklich Seefahrer war, stört niemanden. Das Image steht. Auch wenn er immer wieder betont, dass die Seemannsballaden nur einen Teil seines Repertoires ausmachen. Am 7. Dezember 1957 hat er einen Auftritt in der ersten Aktuellen Schaubude. Danach ist er dort regelmäßig zu Gast. Im folgenden Jahr holt ihn Jürgen Roland für die Krimi-Serie "Stahlnetz" in der Folge "Die Tote im Hafenbecken" für eine Nebenrolle vor die Kamera. Danach spielt er in vielen Musikfilmen die Hauptrolle, Seite an Seite mit bekannten Schauspielern wie Heidi Brühl, Heinz Erhardt, Gustav Knuth oder Grethe Weiser. "Freddy, die Gitarre und das Meer" wird 1959 als erfolgreichster Film mit dem Bambi in Gold ausgezeichnet.
Musical-Darsteller, Volksschauspieler, Operettensänger
In den 1960er-Jahren verlegt Quinn seinen Wohnsitz für einige Zeit in die USA. Er startet 1962 eine weitere Karriere als Musical-Star und Volksschauspieler. Mit dem Musical "Heimweh nach St. Pauli" steht er mehr als 600 Mal auf bundesdeutschen Bühnen. An der Seite von Heidi Kabel hat er 1968 einen Gastauftritt beim Ohnsorg-Theater in dem Stück "Die Kartenlegerin". Seine Vielseitigkeit beweist er im selben Jahr auch als Operettensänger bei einer Aufführung der "Fledermaus". Mit dem Volksstück "Der Junge von St. Pauli" feiert er 1970 ebenso Erfolge wie drei Jahre später mit "Mensch, Kuddel, wach auf!". Quinn ist insgesamt etwa 1.000 Mal auf der Bühne des St. Pauli Theaters zu sehen.
Quinns Stern sinkt mit Kritik an Studentenbewegung
Ende der 1960er-Jahre, als Elvis, die Beatles und Rock 'n' Roll angesagt sind, versucht Freddy Quinn anders zu sein, verschätzt sich aber mit dem Protest-Song "Wir" - eine Kritik gegen die damalige Studentenbewegung, die nach Quinns Ansicht nicht arbeiten will und auf Kosten der Gesellschaft lebt. Auf der A-Seite der Schallplatte setzt er sich mit dem Song "Für eine Handvoll Reis" mit dem Vietnamkrieg auseinander. Sein Stern sinkt. Aber er bleibt aktiv.
Spannende Jahrzehnte: Die 70er- und 80er-Jahre
Bei der Eröffnungsfeier zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974 singt er mit den Fischer-Chören vor 62.000 Zuschauern im Frankfurter Waldstadion das Lied "Das große Spiel". Obwohl Quinn keine größeren Hits mehr landen kann, bleibt er ein gern gesehener Gast in zahlreichen Fernsehshows und begibt sich erfolgreich auf Tourneen. 1981 gastiert der Sänger in der New Yorker Carnegie Hall. Das Konzert ist bis auf den letzten Platz ausverkauft. Im selben Jahr bekommt er die Hamburger Auszeichnung Ehren-Schleusenwärter. In dem Musical "Große Freiheit Nr. 7" tritt er 1984 in Hamburg auf und spielt 1987 und 1991 in zwei Folgen der Fernsehserie und NDR Produktion "Großstadtrevier" mit.
Zurück zu den Wurzeln - der Zirkus
Immer öfter tritt er zudem in seine alten Fußstapfen zurück - wer einmal Zirkusluft geschnuppert hat, der kommt von dieser Leidenschaft nicht mehr los. Freddy Quinn moderiert die Fernsehsendungen "Zirkus, Zirkus" und "Manegen der Welt", tritt in "Stars in der Manege" auf und geht in der "Arena der Sensationen" übers Seil - ohne Netz und doppelten Boden. Mit seinem Können erwirbt er sich in Artistenkreisen hohes Ansehen. Von Fürst Rainier von Monaco erhält er sogar den "Zirkus-Oscar". Quinn werden zudem TV-Sendungen anvertraut. Begleitet vom Orchester Bert Kaempfert präsentiert er 1976 und 1977 seine ersten eigenen Shows. Ferner moderiert er Anfang der 80er-Jahre Shows wie "It's Country Time", bei der Stars wie Dave Dudley, Emmylou Harris und Johnny Cash auftreten.
Quinn als reumütiger Steuerhinterzieher
Doch die Erfolge der früheren Jahrzehnte lassen sich nicht wiederholen, obwohl er 1999 noch mehr als 50 Auftritte im Jahr hinlegt. 2004 wird Freddy Quinn wegen Steuerhinterziehung angeklagt, weil sein Hauptwohnsitz in der Schweiz gemeldet ist, sein Lebensmittelpunkt aber tatsächlich in Hamburg gelegen haben soll. Unter Tränen legt er am ersten Prozesstag vor dem Landgericht der Hansestadt ein Geständnis ab - schuldbewusst hatte er schon vor der Verhandlung rund 900.000 Euro Steuerschulden gezahlt. Im November wird der Steuersünder zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 150.000 Euro verurteilt.
Abschiedstournee "Memories" mit treuen Fans
Trotz des Prozesses halten seine treuesten Fans zu ihm. Das zeigt seine Abschiedstournee "Memories" im Frühjahr 2005. Sein Motto ist stets: Aufhören, bevor die Leute Mitleid mit ihm haben. Doch Freddy Quinn bleibt präsent: Zum Empfang der "Queen Mary 2" im Hamburger Hafen Ende August 2006 wählen Hamburger ihre Lieblingslieder, darunter zwei Hits von Freddy: "Junge, komm bald wieder" und "La Paloma".
Schicksalsschlag: Tod von Lilli Blessmann
Dann im Januar 2008 der Schicksalsschlag: Quinns Managerin und Lebensgefährtin Lilli Blessmann stirbt in einem Hamburger Krankenhaus an einer Lungenentzündung. Sie wurde 89 Jahre alt. "Sie war mein guter Stern", sagt Freddy Quinn. "An vorderster Front vor dem Publikum - da war ich gut. Aber hinter mir stand stets Frau Blessmann."
Freddy Quinn: Späte Heirat mit 91 Jahren
Seitdem ist es stiller geworden um Freddy Quinn. Er hat sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. 2023 sorgt der Musiker aber doch noch mal für Schlagzeilen: Er und seine neue Partnerin Rosi, die er schon seit mehreren Jahrzehnten kennt und mit der er seit einigen Jahren zusammen ist, haben am 2. Mai in Hamburg geheiratet. Die damals 64-Jährige sagt der "Bild"-Zeitung: "Vor einigen Wochen hat er plötzlich gesagt: Wir machen das jetzt! Lass uns heiraten! Und dann ging alles ganz schnell." Dem Bericht zufolge kommen 25 Freunde und Verwandte zu der Zeremonie. Quinn selbst ist dabei gut aufgelegt: "Sprechen Sie bitte laut - ich habe mein Hörgerät nicht drin. Aber keine Sorge: Ich habe schon mitbekommen, worum es hier geht."
Plan: Aufs Land ziehen
2024 reift bei dem Paar der Plan, aufs Land zu ziehen. Laut "Bild"-Zeitung haben Freddy Quinn und seine Rosi ein altes Bauernhaus mit Scheune und Obstplantage in Schleswig-Holstein gefunden, wo sie gern leben möchten. "Im neuen Haus werde ich ein eigenes Zimmer für meine Uhren haben. Darauf freue ich mich", erzählt der Sänger.