Ein Porträtbild zeigt den Komponisten und Arrangeur Bert Kaempfert. © Doris Kaempfert
Ein Porträtbild zeigt den Komponisten und Arrangeur Bert Kaempfert. © Doris Kaempfert
Ein Porträtbild zeigt den Komponisten und Arrangeur Bert Kaempfert. © Doris Kaempfert
AUDIO: Bert Kaempfert: "Strangers In The Night" (3 Min)

Bert Kaempfert: Der Erfinder des Easy Listening

Stand: 16.10.2023 05:00 Uhr

Er war ein echter Hamburger Jung, wuchs im Arbeiterstadtteil Barmbek auf. Der Komponist und Arrangeur Bert Kaempfert schrieb viele Hits, die ihn berühmt machten - darunter den Evergreen "Strangers in the Night".

von Beatrix Hasse

"Ich sage immer, ich schreibe nur Hits", sagt Bert Kaempfert 1979 in einem Radio-Interview. "Nur die Leute wissen es nicht." Die Wirklichkeit sieht anders aus. Der in Hamburg geborene Komponist und Arrangeur ist damals schon weltweit bekannt - und ist es über seinen Tod hinaus bis heute geblieben. Evergreens wie "Strangers in the Night" und "Spanish Eyes" stammen aus seiner Feder. Kaempfert gilt als Begründer des "Easy Listening". Er mochte Swing-Musik mit internationalen Einflüssen und ungewöhnlichen Instrumentierungen. Der Tonkünstler hat rund 700 Arrangements und 400 Eigenkompositionen hinterlassen und - so Schätzungen - 150 Millionen Schallplatten verkauft.

Unfall mit positiven Folgen

Die Musik wird Berthold Heinrich Kaempfert nicht gerade in die Wiege gelegt: Als Sohn des Malergesellen Otto Kaempfert und seiner Frau Helene kommt er am 16. Oktober 1923 auf die Welt. Die kleine Familie lebt in einfachen Verhältnissen im Hamburger Stadtteil Barmbek, damals vorrangig ein Arbeiterviertel.

1929 wird der Sechsjährige von einem Taxi angefahren. Der Unfall geht glimpflich aus, lediglich ein paar Rippenbrüche trägt der Kleine davon. Die Versicherung zahlt 500 Mark und Mutter Helene trifft eine Entscheidung mit Folgen: Sie kauft von dem Geld ein Klavier. Lust zum Üben hat der Spross zwar nicht, doch klimpert er viel auf den Tasten herum und denkt sich Melodien aus. Wie sehr das Instrument seinen weiteren Lebensweg bestimmen wird, ahnt die Familie da wohl noch nicht.

Jüngster im Ensemble - Spitzname "Fips"

Mit 14 Jahren ist Bert - den Künstlernamen legt er sich Jahre später für den internationalen Markt zu - noch zu jung für seinen Berufswunsch Schiffssteward. So meldet ihn der Vater nach Abschluss der Volksschule 1937 bei einer privaten Musikschule an. Klarinette, Saxophon, Klavier und Akkordeon lernt der talentierte Junge neben Fächern wie Harmonielehre. Zwei Jahre später kann die Familie das Geld für die Schule nicht mehr aufbringen. Ohne abgeschlossene Ausbildung spielt Kaempfert beim Tanzorchester Hans Busch vor - und kann sofort anfangen. Weil er mit Abstand der Jüngste im Ensemble ist, taufen ihn die Musikerkollegen bald "Fips". Der Spitzname bleibt ihm ein Leben lang.

Bert Kaempfert erlebt schwierige Kriegsjahre

Ab 1940 wird das Hans-Busch-Orchester verpflichtet, vor Wehrmachtssoldaten- und Offizieren zu spielen. Die Tour geht gen Osten bis nach Danzig. Dort wird Kaempfert 1941 - mitten im Zweiten Weltkrieg - eingezogen. Nach der Grundausbildung dient er als Gefreiter im Musikkorps auf Sylt und muss statt Tanzmusik nun Marschmusik spielen, in den letzten Kriegswochen in Rendsburg bei der Flakabwehr dienen. Er gerät in dänische Kriegsgefangenschaft, landet einige Wochen später wieder in Schleswig-Holstein. In der britischen Besatzungszone gründet er eine Kapelle, spielt auf Tanzabenden für die Armee und fängt mit dem Komponieren an. Kurz darauf lernt er Heinrich Gödecke und Max Wittmann kennen, gründet mit ihnen das Varieté-Ensemble "Pik Ass", das bald erfolgreich durch Norddeutschland tourt.

Beginnender Erfolg mit amerikanischer Musik

1946 ruft Kaempfert sein eigenes Orchester ins Leben. Das Varieté der Stadt Bremen engagiert die Musiker und lädt sie ein, in einer Villa bei Bremerhaven zu wohnen. Kaempfert zieht dort mit seiner großen Liebe Hannelore ein, die er im Jahr zuvor kennengelernt hat. Die beiden heiraten, im November des Jahres kommt die erste Tochter zur Welt.

Nebenbei spielt Kaempfert mit seiner Band in US-amerikanischen Clubs. Als Gage bekommen die Musiker oft nur Zigaretten, die sie aber auf dem Schwarzmarkt gegen Lebensmittel tauschen. Außerdem kommt Kaempfert durch die Amerikaner auch an Noten seiner geliebten Musik heran - etwa von Glenn Miller - und kann so sein Wissen erweitern. Wenige Monate später knüpft der Tonkünstler erste Kontakte zu Radio Bremen und wird mit seinem Orchester zu Musikaufnahmen eingeladen.

Rückkehr nach Hamburg

Der deutsche Bandleader und Komponist Bert Kaempfert probt mit seinem Orchester in Hamburg (1950er-Jahre) © picture alliance/United Archives Foto: Siegfried Pilz
In den 1950er-Jahren macht sich Bert Kaempfert in Hamburg einen Namen.

1947 kehren die Kaempferts zurück nach Hamburg. Berthold tritt in Bars und Hotels wie dem "Esplanade" auf und arbeitet für Radiosender, etwa für den Nordwestdeutschen Rundfunk und den britischen Militärsender BFN.

Die zweite Tochter Doris wird im Februar 1951 geboren. Um die Familie zu ernähren, nimmt Kaempfert zunächst jeden Job an. Schon bald bekommt er von Musikverlagen und Rundfunkanstalten regelmäßig Aufträge als Arrangeur - auch bei Polydor. Mitte der 1950er-Jahre arbeitet er für die Plattenfirma als Produzent und macht sich in Hamburg einen Namen.

Der internationale Durchbruch

Für Freddy Quinn schreibt er 1959 einen Hit: "Die Gitarre und das Meer". Mit dem Song hält sich der Sänger wochenlang in der deutschen Hitparade. Ein Jahr später gelingt Kaempfert dann auch der internationale Durchbruch. Für die Melodie "Wunderland bei Nacht" findet der Künstler in Deutschland keine Abnehmer, geht aber damit nach Amerika: "Wonderland by Night" stürmt die US-Hitparade und landet auf Platz eins. Der Song gewinnt 1961 sogar eine Goldene Schallplatte.

1960 stößt Kaempfert im Top-Ten-Club auf der Hamburger Reeperbahn auf eine Band aus Liverpool. Er nimmt sie unter Vertrag und produziert mehrere Lieder mit ihnen, darunter das modern arrangierte "My Bonnie". Es ist der erste Song, mit dem die legendären Beatles etwas später in Deutschland bekannt werden.

"Strangers in the Night" wird sein erfolgreichster Song

Der deutsche Bandleader und Komponist Bert Kaempfert mit dem Golden Globe, den er am 10. März 1967 in Hamburg bekommt. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS Foto: HELMUTH LOHMANN
Ausgezeichnet: Bert Kaempfert erhält 1967 den Golden Globe.

Kaempfert schreibt in den folgenden Jahren zahlreiche Hits, darunter "L.O.V.E." für Nat "King" Cole und "Danke Schoen" für Wayne Newton. Zudem entstehen Orchester-Kompositionen wie Afrikaan Beat oder A Swingin' Safari.

Ein Meilenstein in der Karriere Bert Kaempferts ist das Jahr 1965. Im Auftrag von Universal soll er für den Hollywood-Streifen "A Man Could Get Killed" den Soundtrack schreiben. Der Film, der später als "Willkommen, Mr. B." in Deutschland über die Leinwand flimmert, hat aber nur mäßigen Erfolg. Doch eine Melodie - das musikalische Liebes-Thema des Filmes - findet spektakulären Anklang, nicht nur beim Publikum. Als der damals eher erfolglose Sänger Frank Sinatra den Song hört, will er ihn unbedingt singen. Später, so heißt es, habe er das Lied aber gehasst. Jedenfalls wird "Strangers in the Night" Sinatras Renner - und Kaempferts größter Erfolg. "Mr. Hitmaker" nennen ihn nun die Amerikaner. Zwei Jahre später gewinnt der Titel den Golden Globe als bester Song des Jahres.

Bert Kaempfert. © picture-alliance/dpa
AUDIO: Bert Kaempfert 1967 im Interview (3 Min)

Dem Sänger Al Martino verhilft Kaempfert 1966 mit dem Song "Spanish Eyes" zum Kassenerfolg. Bis heute wurde der Ohrwurm geschätzte 500 Mal gecovert.

In der Welt zu Hause

Freddy Quinn (rechts), österreichischer Schlagersänger und Schauspieler mit dem deutschen Orchesterleiter Bert Kaempfert (ca. 1975) © picture alliance/United Archives Foto: United Archives / kpa
Mit Freddy Quinn (r.) tritt Bert Kaempfert öfter im Fernsehen auf.

Ausgleich zu seiner Arbeit findet Bert Kaempfert, der 1966 in die Schweiz auswandert, entweder in seinem Haus am schleswig-holsteinischen Brahmsee oder in den USA. Angeln gehört zu seinen liebsten Hobbys, am besten in den Everglades. Zudem besitzt die Familie ein Haus auf Mallorca. Der Künstler scheut zu viel Öffentlichkeit. "Es genügt, wenn man meine Melodien kennt", ist seine Meinung.

1974 steht er doch wieder mehr im Rampenlicht. Mit seinem Orchester, das "aus den besten Musikern, die man in Europa bekommen kann", besteht, gibt er einige Konzerte in England. Mit Freddy Quinn gestaltet er danach in Deutschland eine Fernsehshow.

Auch in den Folgejahren geht Bert Kaempfert immer wieder auf Konzertreisen. 1979 kommt die schwedische Sängerin Sylvia Vrethammar zum Orchester und reist mit den Musikern durch Europa. 1980 steht erneut eine England-Tournee an. Das Abschlusskonzert am 16. Juni findet - wie auch schon sechs Jahre zuvor - in der Londoner Royal Albert Hall statt. Mehr als 5.000 begeisterte Fans sind gekommen, um ihr Idol live zu sehen.

Plötzlicher Tod auf Mallorca

Nach den Strapazen der Tour fährt Bert Kaempfert mit seiner Ehefrau nach Mallorca, um dort den Sommer zu verbringen. Er denkt bereits über ein neues Album im Oktober nach. Doch dazu kommt es nicht mehr. Am 21. Juni 1980 stirbt Kaempfert plötzlich und unerwartet an den Folgen eines Schlaganfalls. Die letzte Ruhestätte findet der berühmte Komponist und Arrangeur in den Everglades. Seine Asche wird dort am 15. Januar 1981 verstreut, so ist es sein Wunsch. Dort hat er häufig Urlaub bei amerikanischen Freunden gemacht und ist seinem größten Hobby, dem Angeln, nachgegangen.

Neben zahlreichen Auszeichnungen, die er zu Lebzeiten bekommt, wird Kaempfert 1993 besonders geehrt - mit einem Platz in der New Yorker "Songwriters Hall Of Fame". Seine Heimatstadt Hamburg lässt sich damit etwas länger Zeit: Erst im Oktober 2008 weiht sie den Bert-Kaempfert-Platz vor dem Museum der Arbeit in Barmbek ein.

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 15.01.2017 | 19:30 Uhr

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