Caspar David Friedrich: Der introvertierte Künstler der Romantik

Stand: 26.09.2024 08:55 Uhr

Caspar David Friedrich komponierte Bilder von magischer Schönheit, aber auch voll düsterer Melancholie. Das machte ihn zu einem der bedeutendsten Landschaftsmaler. Geboren wurde er am 5. September 1774 in Greifswald.

von Britta Probol

"Man sagt, ich könne durchaus nichts anderes malen als Mondschein, Abendroth, Morgenroth, Meer und Meeresstrand, Schneelandschaften, Kirchhöfe, wüste Haiden, Waldströme, Klippenthäler und Ähnliches", klagte Caspar David Friedrich 1822 einem befreundeten Dichter, dem Baron Friedrich de la Motte Fouqué. Noch zehn Jahre zuvor hatte der gebürtige Greifswalder seine Gemälde an Preußens König und die angesehensten Museen verkauft, nun ging das Geschäft nur noch schleppend.

Bilder zeigen Landschaften von den Kreidefelsen bis zum Watzmann

Lag es an der Monotonie der Motive? Nein, die kann man dem Poeten der Landschaftsmalerei eher nicht vorwerfen. C. D. Friedrich hat von den Kreidefelsen auf Rügen bis zum Watzmann bei Berchtesgaden ganz verschiedene Winkel Deutschlands auf der Leinwand in Szene gesetzt.

Aber eines stimmt: Friedrich liebte das geheimnisvolle Zwielicht, malte immer wieder Wolken, Nacht oder Dämmerung. Fast alle seiner Gemälde eint eine melancholische Düsterkeit. Er komponierte Bilder, wie man sie nie zuvor gesehen hatte - mit mystischen Naturdarstellungen, die zu Ikonen einer ganzen Epoche wurden. Der stille Mann aus Vorpommern war erfolgreich, solange die deutsche Romantik blühte. Seine Bilder verkörpern die Sehnsucht eines vom Schicksal gezeichneten Menschen nach der heilen Welt.

Caspar David Friedrich: Romantiker christlicher Prägung

Geboren am 5. September 1774, wuchs Caspar David Friedrich - das sechste von zehn Kindern - in eine aufgeklärte, von der Französischen Revolution und Napoleons Feldzügen aufgewühlte Zeit hinein. Sein schlichtes, frommes Elternhaus stand direkt neben dem Dom, es prägte ihn christlich. Als Bürger Greifswalds war der Junge ein Untertan Schwedens, denn die Hansestadt gehörte bis 1815 - wie ganz Pommern - zur schwedischen Krone. Doch er fühlte sich als Deutscher.

Zur Ausbildung ging der Blondschopf trotzdem gen Norden, nach Kopenhagen. Er studierte von 1794 bis 1798 Zeichnen an der Kunstakademie, deren Ruf seinerzeit weit über die Grenzen Dänemarks hinausstrahlte. Anschließend kehrte er zurück in deutsche Lande, nach Dresden. Im Elbflorenz traf sich die zeitgenössische Kunstszene.

Zwei Männer mit blauen Gummihandschuhen hängen vorsichtig ein goldgrahmtes Gemälde von Maler Caspar David Friedrich an die Wand. © Screenshot
Das Gemälde "Kreidefelsen auf Rügen" von 1818 gehört zu den bekanntesten Werken Friedrichs.

Seine Inspiration holte sich der introvertierte Zeichner jedoch eher vor den Toren der Stadt. "Die Natur war sein Lebensumfeld. Und schon auch dieses Interesse an der Natur im Wechsel der Jahreszeiten. Das ist ja auch so eine romantische Entdeckung", sagte Markus Bertsch, Kurator der Hamburger Kunsthalle, dem NDR im Dezember 2023. Immer wieder zog er hinaus in die Sächsische Schweiz, reiste in den Harz, ins Riesengebirge, in die Sudeten und heimwärts an die Ostsee. Mit feiner Beobachtungsgabe, aber auch dem gewissen Sinn für effektvolle Manipulation verewigte er die Topografie seiner Ausflugsziele auf Papier.

Caspar David Friedrich war "ein Künstler, der wahnsinnig konsequent war in seiner Weltsicht, in seinem Weltbild. Er hat sich auf seinen eigenen Kosmos beschränkt", so Kurator Bertsch. Der Maler sei zum Beispiel nicht nach Italien gereist, was damals sehr populär war. Friedrich habe alles, was er zum Malen gebraucht habe, in seiner Umgebung gehabt.

Frömmelnder Streit um "Das Kreuz im Gebirge"

Erst allmählich wandte sich Friedrich der Ölmalerei zu, entfachte dann allerdings schon mit einem seiner ersten Gemälde eine heftige Debatte in den Gazetten: "Das Kreuz im Gebirge" (1808) hat die Gestalt eines Altarbilds, doch ist der Gekreuzigte kaum zu erkennen - die Landschaft drumherum dominiert. Ein Sakrileg, fanden manche. Für andere dagegen war es der neue Weg, das Erhabene der Schöpfung zu verdeutlichen.

Caspar David Friedrich: Selbstportät aus dem Jahr 1810. © picture-alliance / dpa / Bifab
So sah sich der Künstler selbst: Caspar David Friedrichs Selbstporträt aus dem Jahr 1810.

Friedrichs Bildsprache ist religiös und spirituell zugleich. Er traf damit den Nerv der Zeit. Als Reaktion auf den Rationalismus des 18. Jahrhunderts war damals die Vorstellung, Gott sei in allen Dingen, ebenso in Mode wie die Naturschwärmerei und die Beschäftigung mit dem Übersinnlichen. Friedrichs Mal-Rezept entsprach genau dieser Strömung: "Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst siehest dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es zurückwirke auf andere von außen nach innen."

Caspar David Friedrichs Stil: Erkennen statt Abbilden

Was er von seinem inneren Auge auf die Leinwand projizierte, war oft melancholisch. In die Natursymbolik der Landschaft gekleidet, behandelte Friedrich den Tod, die Unterdrückung der Deutschen durch Napoleon und, genereller, das Leiden der Menschheit. Er thematisierte die Ohnmacht gegenüber der Natur und die Einsamkeit, die er zugleich suchte und fürchtete. Einem Freund berichtete der Maler: "Einmal wohnte ich eine ganze Woche im Uttenwalder Grund zwischen Felsen und Tannen, und in dieser Zeit traf ich keinen einzigen lebenden Menschen: Unwillkürlich tritt Düsterkeit in die Seele."

Schicksalsschlag in früher Jugend

Dunkel überschattet war das Leben des Malers bereits seit frühester Jugend. Die Mutter starb, als er junge Caspar sieben war. Mit 14 brach er beim Schlittschuhlaufen im Eis ein, sein kleiner Bruder Johann Christoffer rettete ihn und starb dabei - Friedrich wurde seine Schuldgefühle nie mehr los. Von späteren seelischen Krisen und depressiven Phasen ist zu lesen. Schwer trafen den Künstler auch der Tod seiner Schwester Dorothea 1808 und der seines Vaters 1809.

Doch kein Schatten ohne Licht: Mit 43 Jahren heiratete der einsame Wanderer recht überraschend die erst 25-jährige Caroline Bommer. Er wurde dreifacher Vater. Immer häufiger tauchten nun Menschen in seinen Bildern auf - meistens als Rückenfiguren und in der altdeutschen Tracht der Patrioten, die seit 1819 verboten war.

Caspar David Friedrich gerät in Vergessenheit

Bald aber kehrte die Düsterkeit in Friedrichs Welt zurück. 1835 erlitt er einen Schlaganfall und war eine Zeit lang gelähmt. Eine Kur in Teplitz (heute Tschechien) konnte er sich nur deshalb leisten, weil er einige Bilder über den Dichter Wassili Andrejewitsch Schukoswski an den russischen Zarenhof verkauft hatte.

Caspar David Friedrich an der Staffelei. Gemalt von seinem Freund Gerhard von Kügelgen. © NDR
Friedrichs Atelier in Dresden (gemalt von H. F. Kersting) war karg wie eine Mönchszelle.

Aber: Die Herrschenden kauften seine Bilder schon längst nicht mehr - nach dem Ende der Befreiungskriege gegen Napoleon war ihnen deren patriotische Aussage lästig, und überhaupt war die Mystifizierung der Welt nicht mehr en vogue.

Hinzu kam, dass ihm das Malen nach seiner Erkrankung schwer fiel. Im Spätwerk dominieren Friedhöfe und düstere Landschaften. Wassili A. Schukow, russischer Dichter und Bewunderer des Malers, besuchte ihn Ende März 1840 in seinem kahlen Atelier An der Elbe 33 in Dresden. Schockiert notierte er in sein Tagebuch: "Zu Friedrich. Traurige Ruine. Weint wie ein Kind." Kurze Zeit später, am 7. Mai 1840, starb der große Romantiker, 65-jährig, von der Welt vergessen.

Die Wiederentdeckung der romantischen Epoche

Durch die "Jahrhundertausstellung" in Berlin 1906 wurde Caspar David Friedrich wiederentdeckt, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr seine Kunst massiv neue Aufmerksamkeit. In den 1960er- und 1970er-Jahren suchten Kunsthistoriker, Kritiker und Intellektuelle nach der Wurzel des letzten Endes pervertierten deutschen Patriotismus. Sie fanden einen Teil der Antwort in seinen Bildern - die Sehnsucht nach dem Jenseits. Alle großen europäischen Museen kauften nun mindestens ein Friedrich-Bild.

Ende November 2023 wurde in Berlin ein Skizzenbuch des Romantik-Malers versteigert - für 1,8 Millionen Euro.

Friedrich-Aktionen zum 250. Geburtstag

Kurator Markus Bertsch steht vor "Das Eismeer" von Caspar David Friedrich © Screenshot NDR
Zum Bild "Das Eismeer" gibt es auch eine gleichnamige Komposition.

In der Sächsischen Schweiz erinnert seit November 2023 ein kleines Denkmal an Friedrich. Der Schöpfer des berühmten Bildes "Der Wanderer über dem Nebelmeer“ wird in dem Ort Krippen mit einer Sandstein-Stele gewürdigt. Dort beginnt auch der Caspar-David-Friedrich-Weg, der zum Wandern einlädt.

In Friedrichs Geburtsstadt Greifswald erinnern Kommune und Caspar-David-Friedrich-Gesellschaft im Geburtshaus des Malers in der Langen Straße 57 ständig an den großen Sohn der Stadt. Schwerpunkte des Caspar-David-Friedrich-Zentrums sind Herkunft und Werdegang des Künstlers. 2024 finden in Greifswald rund 200 Veranstaltungen anlässlich des 250. Geburtstages von Caspar David Friedrich statt. Die Festspiele MV widmen sich ebenfalls dem Maler, unter anderem mit der Komposition "Eismeer". Friedrich hatte ein Bild mit gleichem Titel geschaffen.

Dr. Ruth Slenczka, Direktorin des Pommerschen Landesmuseums © Pommersches Landesmuseum Foto: Vincent Leifer
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Dieses Thema im Programm:

Hanseblick | 01.09.2024 | 18:00 Uhr

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