Direktorin Ruth Slenczka über die Caspar David Friedrich-Ausstellung
Seit Monaten hält Caspar David Friedrich die Kunstwelt in Atem. Mit Jubiläums- und Sonderausstellungen lockt der Superstar der Romantik in Museen nach Hamburg, Berlin, Dresden und in seine Heimat Greifswald.
Vor 250 Jahren, am 5. September 1774, wurde der Freigeist und Visionär geboren. Seine Geburtsstadt Greifswald hat dazu ein vielfältiges Programm vorbereitet. Katja Weise geht mit der Direktorin des Pommerschen Landesmuseums, Ruth Slenczka, durch die Sonderausstellung "Sehnsuchtsorte", betrachtet prominente Bildergäste wie die Leihgabe aus dem schweizerischen Winterthur "Kreidefelsen auf Rügen" und besucht Orte, die in der Kindheit von Caspar David Friedrich eine Rolle spielten: Sein Geburtshaus, der Hafen, der Greifswalder Dom mit den jetzt neuen Fenstern des Installationskünstlers Ólafur Elìasson.
Wir beginnen unseren Rundgang in der aktuellen Ausstellung im Pommerschen Landesmuseum. Es ist bereits die zweite Ausstellung in diesem Jahr, nach "Lebenslinien" folgt nun "Sehnsuchtsorte". Die Kreidefelsen von Caspar David Friedrich waren schon in Hamburg und Berlin zu sehen und sind jetzt erstmals auch in Greifswald, also in der Nähe des Ortes, von dem sie inspiriert sind. Was haben Sie gedacht, als das Bild hier hing?
Ruth Slenczka: Das war ein ganz bewegender Moment. Erst konnte man es gar nicht richtig glauben, dass sie jetzt wirklich da hängen und dass das wirklich das Original ist. Aber diese Aura, die so ein Original umgibt, ist sehr wirksam. Ich finde es einfach wunderbar.
Friedrich ist in Greifswald geboren, früh aus der Stadt weggegangen, hat viele Jahrzehnte in Dresden gelebt und ist immer wieder gekommen. Außerdem ist er viel gewandert, dieses Motiv greifen Sie in der Ausstellung immer wieder auf.
Slenczka: Das Wandern war für ihn, wie für eine ganze Generation junger, freiheitsliebender Männer, eine ganz wichtige Art die Welt und die Landschaft zu erleben. Das war gerade für Künstler der Romantik wichtig. Friedrich ist in der Regel von Dresden zu Fuß nach Greifswald gekommen und bei jeder Reise in der Umgebung und meist auch auf Rügen unterwegs gewesen. Er ist frühmorgens losgezogen. Er liebte das Zwielicht, den Übergang vom Dunkel zum Licht, von der Nacht zum Tag. Das spiegeln auch viele seiner Bilder wider. Er hat sich große Strecken vorgenommen, ist schnell gelaufen, in der Regel 30 Kilometer oder noch viel mehr, und man muss auch berücksichtigen, dass er zwischendurch gezeichnet hat. Das hat er nicht flüchtig gemacht, sondern viele der Zeichnungen in seinen Skizzenbüchern lassen uns miterleben, dass er lange auf einem Baumstumpf oder auf einen Stein gesessen hat und überlegt hat, bevor er losgelegt hat. Diese Zeichnungen lassen spüren, dass er niemals einen beliebigen Baum gewählt hat, sondern dass er in Ruhe und mit einem ganz besonderen Blick seinen Gegenständen viel Zeit gewidmet hat. Er lief schnell, und er lief oft allein, manchmal auch mit einem Freund zusammen. Aber selbst, wenn er mit einem Freund unterwegs war, trennte man sich durchaus zwischendurch. Das Erlebnis, das zu dem Malen der Kreidefelsen geführt hat, ist mit solchen persönlichen Wanderungen verbunden.
Ganz eng ist das Bild mit den Wanderungen, 1815 und 1818 verbunden, da ist auch einiges von diesem persönlichen Erleben übers Bild eingegangen. 1815 war diese Geschichte mit seinem Freund Kummer, der in die Felsen reinkletterte und nicht wieder herauskam. In einer spektakulären Aktion in der Nacht konnte er dann gerettet werden. Das war gar nicht so klar, denn es zog auch ein Wetter auf. Es war die Geschichte von großer Not und Angst, und das Erleben dieser Gefahr, die auch von den Felsen ausgeht und dann die wunderbare Errettung. Friedrich hat zwei Tage später die erste Skizze zu den Kreidefelsen gemacht. Das war sicherlich unter dem Eindruck dieses Erlebens von Bedrohlichkeit und wunderbarer Errettung, die auch die Spannung des Bildes ausmachen.
1818 kam er mit seiner jungen Frau nach Greifswald. Das einzige Mal überhaupt, dass er mit der Schwägerin und dem Bruder zusammenreist, dann auch mal nicht zu Fuß. Das hat er aber später kommentiert, dass er das nie wieder machen will. 'So eine Lumperei', hat er gesagt. Aber ich denke, dass die Frauengestalt im roten Kleid mit auf das Bild gekommen ist, ist eng mit diesem Ausflug und seiner eigenen Frau verbunden.
Das Gespräch führte Katja Weise.