Was macht Caspar David Friedrichs Kunst so besonders?
"Der Wanderer über dem Nebelmeer", "Das Eismeer" oder die "Kreidefelsen auf Rügen": Die Bilder von Caspar David Friedrich sind zu Ikonen geworden. Die Hamburger Kunsthalle feiert den 250. Geburtstag des Greifswalder Romantikers mit einer großen Jubiläumsausstellung. Kurator Markus Bertsch stellt die wichtigsten Gemälde vor.
Der "Wanderer über dem Nebelmeer" ist gerade aus einem Schweizer Museum in sein Hamburger Zuhause zurückgekehrt. "Das ist quasi unsere Ikone", sagt Kurator Markus Bertsch. "Das ist das Bild, was am gefragtesten ist von allen Kunsthallen-Bildern und uns auf vielen Buchcovern begegnet."
Es gebe auch Menschen, die sich selbst in der Landschaft in der Pose fotografieren. "Deswegen ist das Bild auch so wahnsinnig zeitgemäß in unserem Zeitalter der sozialen Medien. Ich glaube, das ist das Besondere an Friedrich: dass er Personen zeigt, die in der Natur stehen, verharren und einfach schauen und die gleichsam den Prozess des Sehens, des Erlebens von Natur zum Thema machen."
Der Mensch und die übermächtige Umwelt
Caspar David Friedrichs wichtigstes Thema: Der Mensch und seine Umwelt. Aber was macht den großen Maler der Romantik dabei so besonders? "Dieses Bild hat für ein ziemliches Aufsehen gesorgt, was immer auch zeigt: Da ist etwas, da passiert etwas Neues", erklärt Bertsch Friedrichs "Mönch am Meer".
"Das kann man über dieses Bild auch wirklich sagen: dass es ein Gemälde ist, was diese Grenzenlosigkeit feiert. Wir sehen nicht so viel. Wir haben diesen wahnsinnig hohen Himmel, der zum Teil wolkenverhangen ist. Wir haben unten dieses dunkle Meer, was sich kräuselt, wo man auch die anbrandenden Wellen sieht, und diese Reflexionsfigur, diese Person in Kutte - ein Mönch, der sich da eingefunden hat, auf diesen sandigen Dünen. Man sieht ein paar Möwen, die fliegen, und das war's dann auch."
Caspar David Friedrich: Inspiriert durch die Natur
Geboren wurde Friedrich 1774 in Greifswald. Er war das sechste von zehn Kindern, studiert hat er an der Kunstakademie in Kopenhagen. Die Inspiration holt er sich aus der Natur, erzählt Bertsch: "Die Natur war eigentlich sein Lebensumfeld, auch das Interesse an der Natur im Wechsel der Jahreszeiten. Das ist auch eine romantische Entdeckung, kann man sagen. Das haben Sie vorher kaum: diese starken Nachtbilder, die kommen, die Abendstimmung, Morgen, Abend, der Naturzyklus, also das Ganzheitliche. Im Kleinen das Ganze und dieses Universelle zu sehen: Das ist Romantik und das ist auch Friedrich in ganz starkem Maße."
"Der Schauer des Erhabenen"
Eine Kunst, die die Natur feiert - und manchmal Rätsel aufgibt. Zum Beispiel bei den "Kreidefelsen auf Rügen": Was macht dieser Mann, der dort auf dem Boden liegt? "Das ist der Schauer des Erhabenen: Der möchte die Erfahrung der Tiefe machen und robbt sich langsam an die Abbruchkante ran, um nach unten zu schauen und dieses Gefühl zu haben, was man damals gesucht hat in der Natur", sagt Markus Bertsch. "Da sind ganz unterschiedliche Typen des Schauens in der Natur zusammengeführt. Deswegen ist mir dieses Bild auch so wahnsinnig sympathisch. Es hat eine irre Wasseroberfläche mit diesen Nuancen, wo er die Pinselstriche stehen ließ, wo Bewegung drin ist und das Abendlicht sich auf dieser Fläche sammelt. Das hat was wahnsinnig Räumliches, auch was Tiefenräumliches. Es ist schon ein ganz, ganz starkes Bild."
"Das Eismeer" irritiert und verstört seinerzeit
Mit Anfang 30 hatte Friedrich große Erfolge. Doch es gab Zeiten, da konnte er kaum von seiner Malerei leben. "Heute ist ['Das Eismeer', Anm. d. Red.] für uns ein Bild, was wir uns gerne anschauen, was zu den Highlights der Friedrich-Werke zählt, aber damals hat er es nicht verkauft. Das ist schon irgendwie eine Aussage. Er ist es einfach nicht losgeworden. Er hätte es gerne verkauft, weil er in dieser Zeit durchaus Geld brauchte. Das hat die Menschen einfach irritiert, verstört, sie konnten damit nichts anfangen", sagt der Kurator. "Ich glaube, dass er ein besonderes Sensorium hatte und einen sehr, sehr achtsamen Umgang mit der Natur. Hier macht er etwas zum Thema, wo man sagt: Das ist eine Hybris des Menschen. Er glaubt, er könnte ohne Probleme die Polarregion mit den Schiffen durchqueren, aber das ist nicht so leicht. Die Natur wird den Menschen zum Verhängnis. Dieses Schiff ist da eingebacken und eingefroren und die Eisschollen schichten sich auf zu einem sehr eigenwilligen Gebirge."
Fast vergessen und doch wiederentdeckt
Als Friedrich 1840 mit 65 Jahren in Dresden starb, waren er und seine Kunst von der Welt fast vergessen. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wird er wiederentdeckt und die Themen seiner Kunst - der Mensch und die Natur - sind aktueller denn je. "Es ist ein Künstler, der wahnsinnig konsequent war in seiner Weltsicht, in seinem Weltbild", findet Bertsch. "Er hat sich auf seinen eigenen Kosmos beschränkt. Er wollte nicht nach Italien reisen - das ist auch ein Abwehrreflex: Ich habe alles, was ich für meine Kunst brauche, in meiner Umgebung oder immer mal wieder in Greifswald, wenn er an die Küste gefahren ist oder auf Rügen unterwegs war."
Was macht Caspar David Friedrichs Kunst so besonders?
Die Hamburger Kunsthalle feiert Friedrichs 250. Geburtstag mit einer großen Jubiläumsausstellung. Kurator Markus Bertsch stellt die wichtigsten Gemälde vor.
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Hamburger Kunsthalle
Glockengießerwall 5
20095 Hamburg