Zwischen Zwang und Hoffnung: Die Gründung der SED

Stand: 13.04.2021 10:57 Uhr

Unter Druck der sowjetischen Besatzer wird am 21. April 1946 die SED gegründet. Der Zusammenschluss von SPD und KPD entwickelt sich später zur Staatspartei der DDR. In MV erfährt sie breite Unterstützung - wenngleich es auch dort Gegner und Kritiker gibt.

von Michael Bluhm

Admiralspalast Berlin, 22. April 1946: Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl inszenieren ihren historischen Händedruck, der zum Symbol der SED-Herrschaft in der DDR werden soll. Per Handschlag besiegeln die beiden neugewählten Vorsitzenden den Zusammenschluss der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zur Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED). Das Emblem der neuen marxistisch-leninistischen Partei soll die Einheit der Arbeiterbewegung versinnbildlichen. Die KPD hat damals allerdings die Sowjetische Besatzungsmacht im Rücken und kann den Fusionsprozess zu ihren Gunsten beeinflussen. Besonders in Mecklenburg-Vorpommern kann sie sich einer breiten Unterstützung sicher sein.

Kriegsende 1945: Arbeiterparteien suchen Schuldige

Die Ausgangslage für die neue Einheit ist zunächst Uneinigkeit: Die Mitglieder von SPD und KPD machen nach dem Kriegsende 1945 jeweils andere Gründe dafür verantwortlich, dass es zur verheerenden Nazi-Herrschaft kommen konnte. Einige Sozialdemokraten geben der KPD die Schuld, weil sie bis 1933 die SPD bekämpfte. Andere sehen in der Spaltung der Arbeiterbewegung nach dem Ersten Weltkrieg die Voraussetzung für Hitlers Aufstieg.

Unter dem Eindruck des zerstörerischen Zweiten Weltkrieges und einer breiten antifaschistischen Haltung in beiden Lagern mehren sich dann allerdings auf beiden Seiten die Forderungen nach einer vereinigten Arbeiterpartei. Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) versucht zunächst, die KPD zur stärksten Kraft aufzubauen, um ein Herrschaftssystem nach sowjetischem Vorbild zu etablieren. Doch die SPD zieht in der sowjetischen Besatzungszone mehr Mitglieder an und tritt entsprechend selbstbewusst auf. Ab Herbst 1945 propagieren deshalb KPD-Politiker wie Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht massiv die Gründung einer Einheitspartei.

Sozialdemokratischer Neuanfang nach Kriegsende

Wilhelm Höcker in der Mitte.  Foto: Elisabeth Schürer-Necker
SPD-Politiker Höcker (m) wird 1946 als SED-Spitzenkandidat zum ersten Ministerpräsidenten Mecklenburg-Vorpommerns.

Die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern bemühen sich nach Kriegsende zügig darum, wieder jene politische Bedeutung zu erlangen, die die SPD vor Hitlers Ermächtigungsgesetz 1933 inne hatte. Zu den bedeutendsten unter ihnen gehören Wilhelm Höcker, Albert Schulz, Carl Moltmann und Herman Lüdemann. Höcker, Landesvorsitzender der Mecklenburger SPD, wird schon 1945 von der SMAD zum Chef der Landesverwaltung ernannt. Schulz wird 1946 Oberbürgermeister in Rostock. Von der SMAD wird er allerdings lediglich, da er eine Vereinigung mit der KPD offen ablehnt. Lüdemann ist Geschäftsführer und Moltmann der Vorsitzender des SPD-Landesverbandes.

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Bernhard Quandt (li.) im Gespräch mit mecklenburgischen Bauern, 1958. © cc-bysa Foto: Wolf Spillner

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KPD punktet bei Landwirten mit Bodenreform

Die Anhängerschaft von KPD und SPD wächst in Mecklenburg-Vorpommern auf etwa gleichem Niveau. Allerdings verzeichnet die KPD hier stärkeren Zulauf als in den anderen Ost-Gebieten: Hier arbeiten mehr Menschen in der Landwirtschaft und die KPD ist Verfechter einer Bodenreform, die die Übertragung des Großgrundbesitzes auf viele Klein- und Neubauern vorsieht. Im Frühjahr 1946 hatte sie mit 70.000 Mitgliedern fast so viele wie die SPD mit 83.000. Hier fiel auch die Idee einer Einheitspartei der Arbeiterbewegung auf fruchtbaren Boden.

Vereinigung zwischen Zwang und Hoffnung

Die SMAD unterstützt die Kampagne der KPD-Funktionäre, die in gemeinsamen Gremien mit der SPD nun offensiv die Führungsrolle beanspruchen - und drangsalierte unwillige Sozialdemokraten wie Hermann Lüdemann. Als Gegner der Vereinigung wird ihm jede politische Tätigkeit untersagt, bis er die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) 1946 verlässt. Andere führende SPD-Politiker befürworteten die Fusion. Eines ihrer entscheidenden Motive ist die Hoffnung, innerhalb der SED sozialdemokratische Traditionen und Ziele bewahren zu können und den weiteren Weg der Partei von innen zu beeinflussen.

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Wilhelm Pieck (rechts) im Gespräch mit Otto Grotewohl während einer Konferenzpause auf dem Vereinigungsparteitag von SPD und KPD im Admiralspalast in Ostberlin, 21./22.April 1946 © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images

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Parteiämter sollen paritätisch besetzt werden

Letztendlich beschließen führende SPD- und KPD-Politiker die Fusion von der unteren Kreisebene bis zur Landesebene - unter der Bedingung, dass die jeweiligen Parteiämter paritätisch besetzt werden. Bis Ende März 1946 wird der Beschluss in allen Kreisen Mecklenburg-Vorpommerns umgesetzt. Die Landes-SED gründet sich am 7. April 1946 auf dem Vereinigungsparteitag im Schweriner Capitol, auf dem Carl Moltmann und Kurt Jünger von der KPD gleichberechtigt in den Vorsitz des Landesverbandes gewählt wurden.

Admiralspalast: Bühne für den symbolischen Händedruck

Der SED-Vereinigungsparteitag auf Ebene der Besatzungszone am 21. und 22. April 1946 im Admiralspalast in Berlin ist hingegen nur noch eine formale Angelegenheit: Die Delegierten sind aus den SED-Gliedern in den Ländern angereist und schon deshalb vereinigungswillig. Der Parteitag bietet letztlich nur die Bühne für das berühmte Foto mit dem - besonders in Szene gesetzten - Händedruck: Der Sozialdemokrat und der Kommunist reichen sich die Hand, ein Symbol für das Ende der historischen Spaltung der Arbeiterschaft.

Gegner der Gründung - Flucht in den Westen

Portät Albert Schulz © NDR Foto: Hoferichter & Jacobs Film- und Fernsehproduktion
Albert Schulz wird nach wenigen Jahren aus der SED ausgeschlossen und flieht in den Westen.

Doch die Gründung der SED erntet nicht überall Applaus. In Mecklenburg-Vorpommern etwa verweigern Zehntausende SPD-Mitglieder den Übertritt in die neue Arbeiterpartei.

Albert Schulz bleibt zunächst in der SED und zugleich Oberbürgermeister von Rostock. Er genießt großes Ansehen in der Bevölkerung. Im Amt versucht er, sozialdemokratische Traditionen zu wahren - bis er 1947 in einem Schauprozess der sowjetischen Besatzer zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt wird. Nach vier Monaten kommt er wieder frei und kehrt in sein Amt zurück. Doch 1949 sieht er seine Unabhängigkeit soweit untergraben, dass er zurücktritt. Er wird aus der SED ausgeschlossen und flieht mit seiner Familie in den Westen.

Sozialdemokraten werden zu SED-Funktionären

Carl Moltmann.

Carl Moltmann hingegen gehört von Beginn an zu den Befürwortern einer Vereinigung von SPD und KPD. Mittlerweile Vorsitzender des SED-Landesverbands in Mecklenburg wird er nach den Landtagswahlen im Oktober 1946 der erste Landtagspräsident von Mecklenburg-Vorpommern und bliebt - neben weiteren Funktionen im SED-Apparat - bis 1952 in dieser Funktion.

Wilhelm Höcker, der einstige Landesvorsitzende der Mecklenburger SPD und seit 1911 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, wird als SED-Spitzenkandidat 1946 erster Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern. Aus gesundheitlichen Gründen trat er 1951 zurück, besetzte bis zu seinem Tod 1955 aber weiterhin Ämter in der DDR.

Abschied von Parität und Doppelspitze

Doch trotz dieser Beispiele und der zunächst paritätischen Besetzung von Leitungspositionen: Die ehemaligen KPD-Funktionäre bekommen immer mehr Gewicht. In den Folgejahren werden die Doppelspitzen abgeschafft und ehemalige KPD-Funktionäre übernehmen endgültig die Führung der SED. Tausende ehemalige SPD-Mitglieder, die ihre Traditionen in Taten umsetzen wollten, werden ihrer Ämter enthoben, teilweise inhaftiert oder flüchten nach Westdeutschland. Und die SED baut gezielt ihre Partei-Herrschaft in der 1949 gegründeten DDRauf - für letztlich mehr als 40 Jahre.

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An der Fassade des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in Berlin-Mitte ist im Januar 1990 das Partei-Emblem mit dem Händedruck vor der roten Fahne zu sehen. © picture alliance / ZB Foto: Karlheinz Schindler

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Nordmagazin | 10.04.2016 | 19:30 Uhr

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