Schleswig-Holstein: Von der Provinz zum Bundesland
Armut und die Integration von Flüchtlingen prägen die Nachkriegszeit in Schleswig-Holstein. Eine große Herausforderung für das Land, das am 23. August 1946 offiziell aus der gleichnamigen Provinz hervorgegangen ist. 1949 wird es zu einem Bundesland der Bundesrepublik.
Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg: Die Menschen leiden unter Nahrungsmittelknappheit und Wohnungsmangel, zudem gibt es kaum Arbeit. Ein massiver Bevölkerungszuwachs durch Flüchtlinge und Vertriebene verstärkt das Elend und führt zu Spannungen im nördlichen Teil der britischen Besatzungszone.
Eine Million Menschen suchen Zuflucht in Schleswig-Holstein
Bereits ab 1944 erreichen Flüchtlings- und Verwundetentransporte aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches die Region. Nach Kriegsende strömen weitere Flüchtlinge und Vertriebene nach Schleswig-Holstein, insgesamt sind es zwischen 1944 und 1949 rund 1,1 Millionen Menschen. Hinzu kommen zahlreiche sogenannte "Displaced Persons", ehemalige Zwangsarbeiter und befreite Lagerinsassen.
Briten setzen Ernannten Landtag mit beratender Funktion ein
In dieser angespannten Situation muss die britische Militärregierung mit ihrem "Regional Commissioner for Schleswig-Holstein", Hugh Vivian Champion de Crespigny, den politischen Neuaufbau gestalten. Formal ist Schleswig-Holstein nach der Auflösung des Landes Preußen 1945 eine preußische Provinz ohne übergeordnete staatliche Gewalt. Als Oberpräsident der Provinzial-Regierung setzen die Briten den CDU-Politiker Theodor Steltzer ein. Dazu ernennen sie 60 Personen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen als Mitglieder des sogenannten Ernannten Landtags, der beratende Funktion hat und im Februar 1946 erstmals zusammenkommt.
23. August 1946: Geburtsstunde Schleswig-Holsteins
Aus dem Provinzial-Landtag wird am 23. August 1946 durch die Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung, die nun die Bildung von Ländern erlaubt, der Landtag. Hugh Vivian Champion de Crespigny ernennt Theodor Steltzer zum Ministerpräsidenten. Es ist die Geburtsstunde des Landes Schleswig-Holstein. Am 13. Oktober lassen die Briten Kommunalwahlen abhalten, aus denen die SPD und die CDU als stärkste Parteien hervorgehen. Die Militärregierung nimmt die Wahlergebnisse als Maßstab für einen neuen Ernannten Landtag, der weiterhin überwiegend beratende Funktion hat.
Wahlkampfthema: Die Vertriebenenfrage
Die erste freie Wahl zum schleswig-holsteinischen Landtag soll am 20. April 1947 stattfinden. Im Wahlkampf geht es vor allem um die Vertriebenenfrage: Wie soll man die zahlreichen Flüchtlinge und Vertriebenen integrieren und der gesamten Bevölkerung gerecht werden? "Raus aus dem Elend!", lautet dementsprechend der Wahlkampf-Slogan der SPD. Viele Einheimische treten als sogenannte Neudänen dem Südschleswigschem Verein der dänischen Minderheit bei. Zu ihren Forderungen gehören die Ausweisung der Flüchtlinge und der Anschluss an Dänemark, wo sie sich bessere wirtschaftliche Bedingungen erhoffen.
SPD stellt erste gewählte Landesregierung
Aus der Wahl geht die SPD mit einem Stimmanteil von 43,8 Prozent als Sieger hervor. Sie bildet eine Alleinregierung unter Ministerpräsident Hermann Lüdemann. Zum Sitz der Landesregierung wird auf Geheiß der Briten Kiel - entgegen dem Willen vieler Politiker aus dem schleswiger Landesteil, die sich für die Stadt Schleswig als Landeshauptstadt aussprechen. Als Grund nennen die Befürworter die historische Bedeutung der Stadt. Zudem war Schleswig von 1879 bis 1917 Regierungssitz der Provinzial-Regierung und des Oberpräsidenten.
Lüdemann tritt nach zwei Jahren zurück - unter anderem, weil sich sein Plan eines Zusammenschlusses mit Hamburg und Niedersachsen zu einem Nordstaat namens "Unterelbe" nicht verwirklichen lässt. Ihm folgt im Amt sein Parteigenosse Bruno Diekmann, der bereits 1950 von Walter Bartram (CDU) abgelöst wird. Erst mit Björn Engholms (SPD) Amtsantritt 1988 kann die SPD wieder den Ministerpräsidenten stellen.
Ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland wird Schleswig-Holstein mit der 1949 verabschiedeten Landessatzung. Diese tritt am 12. Januar 1950 in Kraft.