Zeitreise: Schleswig-Holstein und das Grundgesetz
Für Schleswig-Holstein war das am 23. Mai 1949 verkündete Grundgesetz auch als Start für den Aufbau eines eigenständigen Bundeslandes wichtig. Es bildete die Grundlage für eine politische und gesellschaftliche Identität im Norden.
Schleswig-Holstein war als eigenständiges Bundesland nicht überlebensfähig, da waren sich die Parteien im Landtag 1948 einig und die Politiker von CDU und SPD suchten nach Alternativen. Zwischen Elbe und der dänischen Grenze herrschte große Not. Mehr als eine Million Flüchtlinge aus dem deutschen Osten kamen in das Land. Die Menschen hungerten und wussten nicht weiter. Zugleich orientierten sich viele Menschen nach Dänemark und wünschten sich, dass auch das Gebiet nördlich des Nord-Ostsee-Kanals in den nördlichen Nachbarstaat eingegliedert wurde. Mehr als 30 Prozent der Wahlberechtigten wählte 1946 bei den ersten freien Kommunalwahlen eine Partei der dänischen Minderheit. In Flensburg wurde sogar die kommunale SPD aus der Bundespartei ausgeschlossen, weil sie die dänische Seite unterstützte.
Die vier Schleswig-Holsteiner im Parlamentarischem Rat
Nötig war unbedingt eine Grundlage, die ein staatliches Handeln möglich machte - die Basis für einen neuen demokratischen Staat. Daran arbeitete der Parlamentarische Rat. Alle elf Länderparlamente sandten ihre Vertreter in den Rat, der seit September 1948 in Bonn tagte. Aus Schleswig-Holstein kamen vier Vertreter: Andreas Gayk und Rudolf Katz von der SPD sowie Hermann von Mangoldt und Carl Schröter von der CDU. Sie sollten nun für einen politischen Neuanfang in Deutschland sorgen.
Spuren im Grundgesetz
Sebastian Lotto-Kusche ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Europa-Universität in Flensburg. Er hat sich intensiv mit dem Neuanfang vor allem in Schleswig-Holstein beschäftigt. Von den vier Abgeordneten, die Schleswig-Holstein in den Parlamentarischen Rat schickte, sind zwei Juristen, die anderen Lehrer und Journalist. Während Gayk kaum Zeit hatte, sich im Parlamentarischen Rat zu engagieren, weil seine Aufgaben als Oberbürgermeister in Kiel und als Abgeordneter des Landesparlaments viel seiner Zeit in Anspruch nahm, erzählt Sebastian Lotto-Kusche, drückte vor allem Hermann von Mangoldt dem Grundgesetz mit seinen Stempel auf. Er war Vorsitzender des Ausschusses für Grundsatzfragen und Grundrechte. Hier setzte er zusammen mit dem SPD Politiker Carlo Schmid zum Beispiel das Grundrecht auf Asyl durch. Es garantierte politisch Verfolgten aus aller Welt ein Recht auf Asyl in der Bundesrepublik. Ein anderer, der sich stark im Parlamentarischen Rat engagierte, war Rudolf Katz. Der Sohn eines jüdischen Kantors war erst 1946 aus dem Exil nach Schleswig-Holstein zurückgekehrt und kümmerte sich im Grundgesetz vor allem um die Einfachheit und Funktionalität der Gesetze.
Das Grundgesetz - eine Erfolgsgeschichte
Als das Grundgesetz am 23. Mai 1949 verkündet wurde, war das zugleich für Schleswig-Holstein der Start für einen selbstbewussten Umgang mit seinem Status als eigenständiges Bundesland. Vor allem auch, weil die Wünsche nach einem Zusammenlegen mit anderen Bundesländern von diesen abgelehnt wurden. Als erstes Land in der Bundesrepublik verkündete Schleswig-Holstein eine eigene Landesverfassung. Es wurde zudem ein Haus für das Landesparlament umgestaltet, das heutige Landeshaus. Sebastian Lotto-Kusche sagt, das Grundgesetz habe die Schleswig-Holsteiner dazu gezwungen, "Farbe zu bekennen". Wer wollen wir sein, in welcher Art Staat wollen wir leben? Und insgesamt, sagt er, hat sich die Entscheidung der Schleswig-Holsteiner bis heute als Erfolgsgeschichte entpuppt.