Stand: 23.11.2013 10:44 Uhr

Wie die Hamburger Hitler sahen

Nikolaus Sieveking mit seinem Sohn
Dem Archivar Nikolaus Sieveking (hier mit Sohn Peter) sind die Nationalsozialisten von Anfang an zuwider.

Der Hamburger Archivar Nikolaus Sieveking (1889-1953) verachtet Hitler von ganzem Herzen. Anfang Februar sieht er in dem neuen Reichskanzler "einen ganz niederträchtigen Verleumder", die Nationalsozialisten bezeichnet er als "Banditenvolk". Die Bewegung mit ihren Aufmärschen und grölenden Parolen ist ihm fremd. Das lässt sich in seinen Tagebüchern eindrucksvoll nachlesen.

Jüdische Urgroßmutter

Sieveking stammt aus einer bildungsbürgerlichen Familie. Wegen einer schweren Krankheit seines Vaters muss seine Familie in großer Sparsamkeit leben, während die Verwandtschaft weiter in ihren Villen wohnt. Seit 1926 arbeitet Sieveking im Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (WWA), wo er Zeitungen ordnet und katalogisiert. Die "bedeutungslose Arbeit" unterfordert ihn geistig, aber sie verhilft ihm zu einem sicheren Einkommen. Seine Stelle kann er während der gesamten NS-Herrschaft behalten, seine jüdische Urgroßmutter ist den Nazis kein Dorn im Auge. Den Antisemitismus lehnt Sieveking aufs Schärfste ab.

Weitsichtige Analysen

Seine Analysen über das Wesen des Nationalsozialismus sind bis heute bestechend. So schreibt er im November 1933 davon, dass die Bewegung eine Religion sein wolle, die unbedingten, blinden Glauben fordere. Nach dem Krieg wirkt er beim Aufbau der Hamburger Staatsbibliothek mit. 1953 stirbt Nikolaus Sieveking in Hamburg an Krebs.

Auszüge aus dem Tagebuch von Nikolaus Sieveking

30. Januar

Mit der gleichen überraschenden Schnelligkeit, mit der Schleicher in der Versenkung verschwunden ist, hat Hindenburg heute Herrn Adolf Hitler zum Kanzler des Deutschen Reiches ernannt. (...) Adolf wird eine übermenschliche diplomatische Kunstfertigkeit entwickeln müssen, wenn er nicht von den deutschnationalen Herrschaften an die Wand gedrückt werden will. Daß sie ihm mangelt, wage ich kaum zu bezweifeln. (...) Aus der Tatsache der Hitlerschen Kanzlerschaft irgendwelche Sensation zu machen, halte ich für kindlich genug, um es seinen getreuen Anhängern zu überlassen.

 

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 27.01.2013 | 19:30 Uhr

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