Stand: 23.11.2013 10:44 Uhr

Wie die Hamburger Hitler sahen

Cornelius Freiherr v. Berenberg-Goßler
Der Bankier Cornelius Freiherr v. Berenberg-Goßler tritt der NSDAP bei, obwohl er Hitler gering schätzt.

Auch der Hamburger Großbankier Cornelius Freiherr v. Berenberg-Goßler schreibt im Jahr 1933 Tagebuch. Er stammt aus einer alteingesessenen Patrizierfamilie. Seit 1913 führt der national-liberale, weltgewandte Großbürger Tagebuch, eine Gewohnheit, die er annähernd 40 Jahre lang - bis kurz vor seinem Tode - beibehält. Auch wenn das Geschäft und die Familie mit Ehefrau Nadia und sechs Kindern für den Bankier das Wichtigste sind, beobachtet er den Aufstieg der Nationalsozialisten mit großem Interesse.

"Hitler ist ein verbohrter Autodidakt"

Mit Hitler hat er sich früh befasst, das Buch "Mein Kampf" las er schon 1930. Sein Urteil: "Weitläufig und uninteressant geschrieben, verbohrter Autodidakt." Den Nationalsozialismus stuft er wie viele andere Großbürger als eine Bewegung der "kleinen Leute" ein. Die Nazis an der Macht sieht er zwar als ein gefährliches Risiko an, aber sie sind ihm lieber als die Kommunisten.  Aber so ganz ist auch dem 59 Jahre alten Berenberg-Goßler nicht klar, was die Nationalsozialisten vorhaben.

1934 bricht er mit den Nazis  

Aus heutiger Sicht überraschend ist, dass Berenberg-Goßler sich trotz seiner Vorbehalte gegenüber Hitler schon im März 1933 entschloss, der NSDAP beizutreten - aber nicht ohne sich vorab bei einem jüdischen Bankier zu erkundigen, ob dieser Schritt seine jüdischen Freunde verletzen würde. Der Bankier befand den Plan für gut, "weil in die Partei Leute gehen müßten, die nicht antisemitisch seien." Im Sommer 1934 - nach dem Röhm-Putsch und dem Tod von Reichspräsident Hindenburg - tritt Berenberg-Goßler wieder aus der NSDAP aus, der Ton gegenüber den Nationalsozialisten wird schärfer. Aber anders als bei den Hamburger Tagebuch-Verfassern Rosenberg und Solmitz muss er nicht um seine Existenz bangen.

Nach Kriegswende arbeitet der Freiherr weiter im Bankgeschäft. Cornelius v. Berenberg-Goßler stirbt im September 1953 im Alter von 79 Jahren in Hamburg.

Auszüge aus dem Tagebuch von Cornelius Freiherr v. Berenberg-Goßler

01. Februar

Der Reichstag ist heute, ohne daß er zusammengetreten, aufgelöst worden. Neuwahlen sollen am 5. März stattfinden. Abds. spricht der neue Reichskanzler Hitler am Radio, wieder mit fabelhafter Rhetorik: ein 4 Jahres Plan ist in Aussicht genommen.

 

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 27.01.2013 | 19:30 Uhr

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