Schauderhafte Kälte. Dabei ein gewaltiger Hitler-Umzug, der gar nicht enden wollte. Ist nun doch einmal die einzige Partei, für die ich mit dem Herzen eintreten kann. (...) [Nachbar] Ernst Mich. sagt, daß die Kinder, die kleinen u. die großen, nicht mehr sagen 'Guten Morgen, Mutter', 'Guten Morgen, Vater', sondern nur 'Heil Hitler!' Und weil diese Bewegung so gewaltig ist, so die Menschen durchdringend, glaube ich noch immer an sie, oder möchte es wenigstens.
Ich versuchte, Hitler als Lineol-Figur zu bekommen, er war aber ausverkauft.
Fackelzug der Nat. Soz. und Stahlhelmer! (...) Der Zug sollte durch die Bundesstr. kommen. Es wurde 22 Uhr ehe die ersten Fackeln kommen, u. dann folgten, wie Wellen im Meer, an 20.000 Braunhemden. (...) Wir waren berauscht vor Begeisterung, geblendet vom Licht der Fackeln gerade vor unsern Gesichtern u. immer in ihrem Dunst, wie in einer süßen Wolke von Weihrauch. (...) Neben uns hob ein kleiner Junge von 3 Jahren immer wieder die winzige Hand "Heil Hitler, Heil Hitlermann!" Es wurde 1/2 24 bis alles vorüber war. Sonst bin ich, was [Tochter] Gis[ela] angeht, so sehr gegen spätes Schlafengehen. Aber sie sollte u. mußte doch einmal fühlen, was Vaterland heißt.
Hitlerrede im Sportpalast Berlin, riesige nat. soz. Feier. Wir gingen zu den alten Mich.'s u. erlebten alles mit im Rundfunk. (...) Dann sprach der Führer u. Reichskanzler. Er schilderte die Not, den Abstieg, die Verworfenheit, den Schmutz dieser furchtbaren 14 Jahre [nach dem Ersten Weltkrieg], er sprach aus, was wir empfunden haben. (...) Er ließ die Rede auf Dtschl. vaterunserartig u. mit "Amen" ausklingen, u. er übersteigerte sich etwas. Ist ja auch nicht Redner sondern genialer Führer. Eine Begeisterung! Es standen uns vier Menschen die Tränen in den Augen.
Am Schulterblatt vor unserm Haus gestern traurige Schießerei, Nazilokal gegenüber in der Schanzenstr, Angriff der Kommunisten - 2 Tote, Unbeteiligte. Ein Wirt vom Schulterblatt, eine unbekannte Frau! Gräßlich. Wer hätte das in den Zeiten gedacht, als wir dort noch wohnten! (...) Gis.[ela] bestellte mir, ich sollte Freitag zur Mathematiklehrerin kommen. Auch das noch.
Wir hörten bei Mich.'s Görings begeisternde Rede. Nur, daß er meinte, dtsch. Kinder sollten nicht aufwachsen wie Negerstrolche, fand ich falsch. Gerade weil ich in der Rassenfrage sehr scharf empfinde, will ich, daß jeder Rasse innerhalb ihres Bereichs ihr Recht u. ihre Achtung werde. Der Neger in seiner eigenen Kultur, ohne die ihm von uns vermittelte u. anorganisch aufgetropfte Zivilisation, ist achtbar.
Die Kommunisten haben den Reichstag angesteckt, furchtbares Feuer, planmäßig an den verschiedensten Stellen angelegt. Das ganze Denken u. Fühlen der meisten Deutschen ist von Hitler beherrscht, sein Ruhm steigt zu den Sternen, der Heiland ist er einer bösen, traurigen deutschen Welt. Ach, daß er bewahrt bleibt vor der roten Mordhetze, die vor nichts zurückschreckt! (...) Gisela droht: "Daß du mir Hitler wählst! Ich wünsche es mir zum Geburtstag. Wehe, wenn du es nicht tust!" (...) Wohl uns, daß an der Spitze dieser mitreißenden, gewaltigen Bewegung ein reiner, guter Mensch steht, ein Mensch ohne Flecken u. Fehler!
Wir wanderten morgens zum Braunen Haus, sagt man "Guten Tag", ist das beinah eine Beleidigung. Es heißt nur Heil Hitler. (...) An der Verbindungsbahn ein starker Zug Polizei, wohl Altonaer, u. da sah ich zum ersten Mal die Armbinden mit dem Hakenkreuz! Alle trugen sie, alle! (...) Wir alle standen wie die Erwachenden. Es war wie 1914, jeder hätte jedem um den Hals fallen mögen im Zeichen Hitlers. Trunkenheit ohne Wein.
So schnell wirkt Görings Blödsinn. In der Grindelallee stehen sie, sagt Fredy, vor einem galizianischen Eiergeschäft, in Uniform der S.A. "Kauft nur bei Deutschen." Polizei daneben, verschüchtert, unsicher, was soll sie tun? Herr Zille [Polizeikommissar] sagte, die Polizei habe die S.A. Leute schon zurückgepfiffen.
Gisela ist Judenhasserin. Fredy schweigt, ich schweige. Oder wir knurren "Laß nur." Sie sagt, sie könne nie einen Juden lieben, was ja auch keiner von ihr verlangt. Mit 13 Jahren hat man andere Sorgen, bes. wenn die Mathem.[atik] so schlecht ist.
"Hitlers großer Sieg im Reichstag." Die Ermächtigung erteilt, d.h. eigtl. die Diktatur. Ein Glück.
1400 Juden seien allein in Hamburg abgeschlachtet!!! Und die Welt tut, als glaubte sie das, weil ihr das so schön in ihre geschäftl. Konjunktur hineinpaßt. Dabei tut kein Braunhemd den Juden was, nicht mal ein Schimpfwort fliegt ihnen nach, es ist Alltag in Hamburg, jeder geht seines Weges, wie immer.
Fredy und ich sind furchtbar niedergeschlagen wegen der Judenfrage, - eine Dummheit, ein Irrsinn, ein Wahnsinn, sie in die nationale Sache einzubeziehen. (...) Also nun geht es los: Kauft nicht bei Juden; man boykottiert jüdische Rechtsanwälte, Ärzte. Wohin soll das führen? Dahin, daß auch schließlich der internat. Jude den Nat. Soz. als Kinderei verbietet. (...) Statt, daß man gesagt hätte "Judenfrage? Wir kennen gar keine, haben andere Sorgen." - und das Notwendige dann doch getan hätte, aber eben nur das wirklich Notwendige. (...) Es ist mir, der Judenfeindin, doch nie der Gedanke gekommen, die dtsch. Erhebung ausgerechnet an den Juden verbluten zu lassen!! Sind denn die Juden das wert!
Auch in Ansichten über Literatur, Kunst, Baukunst, in der Frage der Flaggentechnik steht bei Hitler fast dasselbe, was bei mir steht. (...) Er ist Hitler, ich bin nichts, durchschnittlicher Durchschnitt, aber die gleiche Geistesrichtung macht mir Freude. Gleich auf jedem Gebiet.
Ein bitterböser Aprilscherz heute, der uns noch Jahre lang zu tun geben wird. (...) "Kauft nicht beim Juden" usw. Manche Scheibe mit roter Ölfarbe beschmiert: "Achtung Juden." Man schämte sich vor jedem bekleisterten Geschäft u. vor jedem Juden, das ist glücklich erreicht. Die Stimmung der Menschen schien gedrückt, unfroh; die meisten konnten nicht innerlich zustimmen. (...) Ich seh schwarz u. schwärzer. Hitler?! Ach, du Großer, was tust du? Ich bin kleingläubig, hilf uns.
Ich persönlich fühle mich unter der Diktatur außerordentlich wohl. Treue, Gehorsam, Beständigkeit u., glaube ich, Selbstzucht war es, was Hitler von seinen Leuten verlangte, u. das ist richtig. Von der Judengeschichte abgesehen, bin ich zwar nicht kritiklos aber unendlich vergnügt.
Es soll schon heute Mittag 12 Uhr geflaggt werden. Hitlers Geburtstag ist morgen erst. Wir flaggten also um 12 Uhr mittags. (...) Wer das Hitlers Eltern heute vor 44 Jahren gesagt hätte - Flaggen durch ganz Deutschland bis zum Norden hinauf u. sogar an den evang. Kirchen, u. das nicht am Geburtstag ihres Sohnes selbst, nein, schon am Tag vorher!
Hitlers Geburtstag in ganz Dtschl. gefeiert. Gleichaltrig sind wir. Er ist jung. Ich bin alt. Hitler ist Ehrenbürger von Hamburg geworden.
Hitler hat Kitsch verboten. Da ist er machtlos, denn um das Hakenkreuz blüht u. wuchert eine ganze Industrie der Geschmacklosigkeiten: Sofakissen mit Hakenkreuz. Hitler oder sein Banner auf Radiergummi u. Bleistift, auf Decken u. Taschentüchern, auf Bonbons. (...) Kurzum, wie 1914. Es scheint, daß das Volk so etwas will u. braucht.
Gis.[ela] kommt mir immer wieder, sie möchte in die Hitlerjugend. Nein. Den Grund kann ich ihr nicht angeben.
Verbrennen undeutscher Bücher am Kaiser Friedrich Ufer, wie es Goebbels unter Feuersprüchen in Berlin hatte machen lassen.
Deutschland soll mit einem Netz von Autostraßen überzogen werden; so will man Arbeit schaffen. Aber wer hat Geld, Auto zu fahren?
Hitler hat recht, recht in seinem Kampf. Wenn es uns auch persönlich hart u. bitter trifft. Was für ein gutes, kluges u. fröhliches Kind ist meine Gisela. Und die will man von jeder Zukunft ausschließen. Unser, mein Ein u. Alles, mein Sonnenschein. Und Fredy mit seinem strengen, unerschütterlichen Ehr- u. Pflichtgefühl, der die Juden haßt, der wehrt sich dagegen mit ihnen zu einem Menschen zweiter Klasse herabgedrückt zu werden.
Wir gingen zum "Senator", dem Nazilokal, hörten dort Hitlers wundervolle Rede. Was für ein Mann! Unvergeßlich ist mir, wie zwei Stammtische m. Skatspielen unentwegt weiterkloppten mit keinem Gedanken bei Hitler waren an einem solchen Tag. Die typischen dtsch. Spießbürger.
Was soll aus Gis. werden, da ihr alles verschlossen ist? Da schon Kolonialschaft u. Tierschutzverein verbotene Gebiete sein können? (...) Wir wissen, wie hoffnungsleer das Leben vor ihr liegt u. erstreben nur, daß sie es nicht vorzeitig merkt u. Schaden an ihrer Seele leidet. Jedes noch so verwahrloste, verkommene, im Kern verdorbene Kind steht über ihr, wenn es von sich sagen kann: Vollarier.
Nichts auf der Welt geht mir über Mann u. Kind u. dennoch weiß ich, daß Hitlers Rassengrundsätze richtig sind. - "Liebst Du mich noch trotz der Hitlerschen Maßnahmen?!" fragte Fredy mit einem ein wenig trüben Lächeln u. weiß doch die Antwort voraus: Immer.
1933 hat uns das Dritte Reich gebracht, mit ihm, für uns persönlich, eine harte Nuß zu knacken, - wir werden nie damit fertig werden; die Arierfrage. Ein überaus glückliches Jahr, es ließ uns gesund u. beieinander, brachte uns eine herrliche Ruhe u. dem Haus die Zentralheizung. Und nun wollen wir wünschen, daß es nie schwerer werden möchte, u. getrost u. voll Zuversicht hineinwandern ins Jahr 1934. Mit Gott u. mit Heil Hitler.