Stand: 23.11.2013 10:44 Uhr

Wie die Hamburger Hitler sahen

Kurt Rosenberg mit seiner Frau Margarethe
Der Rechtsanwalt Kurt F. Rosenberg und seine Frau Margarethe fliehen erst 1938 aus Deutschland.

Für den jüdischen Rechtsanwalt Kurt F. Rosenberg bringt das Jahr 1933 nichts Gutes. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten alarmiert ihn. Angesichts der beängstigenden Erlebnisse in Hamburg nimmt der 33-Jährige am 23. März 1933 seine alte Gewohnheit, Tagebuch zu schreiben, wieder auf. Die Sorge um seine Familie ist groß: Ende des Monats notiert er, dass er seine Frau Margarethe ("Gretel") und die beiden Töchter Thekla-Maria (Theklein) und Gabriele am liebsten ins sichere Ausland bringen möchte. Die Gedanken an die Flucht durchziehen die Aufzeichnungen für das ganze Jahr. Das Problem: Rosenberg sieht für sich im Ausland keine (berufliche) Perspektive. 1925 hatte er eine Kanzlei in der Mönckebergstraße gegründet, im April 1933 verliert er auf Anordnung der Nationalsozialisten seine Zulassung als Anwalt. Sein Lebenswerk ist "zerstampft und zertreten".

Rosenberg versucht, für seine Klienten weiter als Rechtsberater zu arbeiten. Aber es ist eine schwere Zeit. Auf einer mehrtägigen Reise nach Holland im Mai 1933 lotet er aus, ob das Land als Exil infrage kommt. Aber die Eindrücke vor Ort schrecken ihn ab."Wir fühlen, wie wir unser altes Deutschland verloren haben - und sind heimatlos", schreibt der Familienvater im Juni.

"Hitler? Wie der Messias"

Wohnhäuser in der Eppendorfer Landstraße © NDR.de Foto: Marc-Oliver Rehrmann
In diesem Haus in der Eppendorfer Landstraße wohnt Kurt F. Rosenberg Ende der 1920er-Jahre mit seiner Familie.

Rosenberg, der sich dem Judentum nicht verbunden fühlt, hält eine "nationale Erhebung" in Deutschland für richtig. Aber den Nationalsozialismus mit seiner Gewalt und den Zwangsmaßnahmen lehnt er ab. In seitenlangen Tagebuch-Einträgen geht er der Frage nach, warum die Bewegung solch einen Erfolg hat. Der Hamburger sieht einen wesentlichen Grund "in einem ungestillten Religionsbedürfnis" der Masse. "Die Erscheinung Hitlers als Führer ist eine Parallele zur Erscheinung des Messias", schreibt er am 1. Mai.

Neustart in den USA

Erst im September 1938 wandert Rosenberg mit seiner Familie widerwillig in die USA aus. Der Neustart in New York fällt schwer, die Familie schlägt sich mehr schlecht als recht durch. 1957 kann Rosenberg eine Anwaltskanzlei übernehmen. Beruflich reist er in der Folgezeit wiederholt nach Deutschland, aber eine Rückkehr lehnt er ab. Kurt Rosenberg stirbt am 1. März 1977 in den USA.

Auszüge aus dem Tagebuch von Kurt F. Rosenberg

23. März 1933

Wir werden wohl niemals erfahren, was sich im Inlande im "Kampf gegen das Judentum" zuträgt. Die deutschen Zeitungen schweigen sich aus, um nicht verboten zu werden; die ausländischen erfinden Greuelmärchen in maßlosen Übertreibungen. In Hamburg seien bereits 1400 Personen hingerichtet u.s.w. (...) Die Regierung bekämpft die Greuelmärchen, gibt aber zu daß einzelne Übergriffe vorgekommen seien.

 

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 27.01.2013 | 19:30 Uhr

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