Schleswig-Holstein im Krieg: Waffenstillstand von Malmö hält nur kurz
Als die deutsche Nationalversammlung 1848 dem Waffenstillstand zwischen Dänemark und Preußen zustimmt, der den blutigen Krieg um Schleswig-Holstein beenden soll, kommt es in Frankfurt zu Aufständen national gesinnter Bürger und Arbeiter. Sie fordern die Fortsetzung des Kampfes um die Freiheit Schleswig-Holsteins.
Am 16. September vor 175 Jahren akzeptieren die Abgeordneten der Nationalversammlung in Frankfurt mit knapper Mehrheit den Waffenstillstand von Malmö. Auf Druck Russlands und Großbritanniens haben sich Preußen, das die deutschen Bundestruppen anführt, und Dänemark Ende August darauf verständigt, den blutigen Krieg um Schleswig-Holstein zu beenden, der bislang Tausende von Soldaten das Leben gekostet hat. Damit ist der schleswig-holsteinische Aufstand, der sich im April zunächst gegen den Versuch Dänemarks richtete, Schleswig zu annektieren, und bald die Befreiung der Herzogtümer von der dänischen Oberherrschaft zum Ziel hatte, gescheitert.
Die Schleswig-Holstein-Frage bewegt die deutsche Öffentlichkeit
Seit drei Tagen haben die Abgeordneten in der Paulskirche debattiert. Mehr als 1.000 Zuhörer drängen sich auf der Galerie. Aus dem ganzen Land sind die Menschen angereist, um die Diskussionen zu verfolgen. Auch die Zeitungen berichten ausführlich, geben die Reden teils wörtlich wieder. Die Stimmung ist national aufgeheizt. Im "Hamburger unpartheiischen Correspondenten" heißt es: "Nur die wenigsten fanden Platz in der schon eine Stunde vor der Sitzung zum Erdrücken vollen Paulskirche. Der größere Theil trieb sich auf dem Platze vor dem Parlamentsgebäude herum, lebhaft discutirende Gruppen bildend und begierig jedes Wort erlauschend, welches Herauskommende über das drinnen Verhandelte berichteten. Die allgemeine Stimmung (…) sprach sich auch hiebei dahin aus, daß von 10 Menschen kaum Einer sich für den Waffenstillstand erklärte."
Bei der Abstimmung zeigt sich die Ohnmacht der Nationalversammlung
Die Abgeordneten, die einen demokratischen Nationalstaat für alle Deutschen anstreben, sind lange Zeit nicht bereit, auf die Herzogtümer im Norden zu verzichten. Die meisten wollen die Fortsetzung des Krieges. Schon einmal haben sie Anfang September den Vertrag abgelehnt und gegen Preußens eigenmächtigen Rückzug protestiert. Doch im Verlauf der Diskussionen erkennen immer mehr Politiker, dass die Nationalversammlung ohne Preußens starke Armee nicht in der Lage ist, ihre Forderungen durchzusetzen.
Der Annahme des Vertrags folgen blutige Proteste
Deshalb setzen sich die Befürworter des Waffenstillstands bei der Abstimmung, die am 16. September gegen 21 Uhr endet, mit knapper Mehrheit durch. Als die Wartenden vor der Paulskirche erfahren, dass der Vertrag akzeptiert und Schleswig-Holstein aufgegeben ist, sind sie schockiert, empört. Lautstark machten sie ihrem Unmut Luft, ziehen randalierend durch die Straßen, stürmen und verwüsten die Clubs der Politiker, misshandeln Abgeordnete.
Am nächsten Tag versammeln sich 15.000 Menschen vor den Toren Frankfurts. Auch aus benachbarten Städten wie Hanau, Mainz und Offenbach sind sie herbeigeeilt, um gegen die Entscheidung der Nationalversammlung zu protestieren. Sie errichten Barrikaden und versuchen die Paulskirche zu stürmen. Die Abgeordneten werden als "Verräter des deutschen Volkes, der deutschen Freiheit und Ehre" geschmäht.
Preußische und österreichische Truppen beenden Protest mit Gewalt
Erst nach zwei Tagen kann der Aufruhr von österreichischen und preußischen Truppen niedergeschlagen werden, die von der Nationalversammlung gerufen worden sind. Mit Kanonen schießen sie auf die Barrikaden der Aufständischen. Mehr als 80 Menschen kommen ums Leben, darunter auch zwei Abgeordnete, die von der aufgebrachten Menge erschlagen werden.
Zwischen Altona und Hadersleben bleibt der Widerstand aus
Als die Nachricht von der Annahme des Waffenstillstands am 19. September endlich Schleswig-Holstein erreicht, bleibt es anders als in Frankfurt auf den Straßen still. Jedenfalls berichten die Zeitungen nicht von Aufständen, allenfalls von Diskussionen in der Landesversammlung und Honoratioren, die wütend ihre dänischen Orden zurückgeben.
In Nordschleswig gibt es auch Zustimmung
Aus Holstein und Südschleswig werden zwar noch Massenpetitionen an die Nationalversammlung gerichtet, aber die Protestreden, die kurz nach dem Abschluss des Vertrags Anfang September bei Volksversammlungen gehalten worden sind oder die blutigen Krawalle, die Industrie- und Hafenarbeiter in Altona angezettelt haben, wiederholen sich nicht. Im Norden hingegen, wo auch zahlreiche Dänen leben, begrüßen Bauern, Lehrer und Pastoren den Waffenstillstand jetzt ausdrücklich in einem Schreiben an den dänischen König und distanzieren sich von der schleswig-holsteinischen Bewegung.
Der Vertrag von Malmö sieht eine gemeinsame Regierung vor
Laut Waffenstillstandsvertrag ziehen sich die von Preußen geführten Bundestruppen aus den Herzogtümern zurück. Die Feindseligkeiten werden für sieben Monate eingestellt. Außerdem wird die Provisorische Regierung der Schleswig-Holsteiner abgesetzt, von ihr erlassene liberale Gesetze wie Presse- und Versammlungsfreiheit rückgängig gemacht.
Aber auch die dänischen Truppen müssen die Herzogtümer verlassen. Der Vertrag sieht weiterhin vor, dass eine gemeinsame Regierung aus zwei preußischen und zwei dänischen Politikern und einem von beiden Seiten ernannten Minister gebildet wird. Sie residieren in Schloss Gottorf in Schleswig.
Im April 1849 bricht der Krieg erneut aus
Doch durch den Vertrag sind die nationalen Spannungen zwischen Deutschen und Dänen nicht beseitigt, ist die Schleswig-Holstein-Frage nicht gelöst. Zwar beginnen Anfang Februar 1849 in London endlich Friedensverhandlungen. Doch weil die dänische Regierung dadurch anscheinend ihr ursprüngliches Ziel gefährdet sieht, die Herzogtümer zu trennen und Schleswig mit Dänemark zu vereinigen, kündigt sie den Vertrag von Malmö zum 26. März 1849.
Wenige Tage später wird mit dem dänischen Angriff auf Eckernförde der Krieg fortgesetzt. Er endet erst im Oktober 1850, nachdem sich Bundesarmee und Preußen schon lange zurückgezogen haben, mit den letzten vergeblichen Versuchen der schleswig-holsteinischen Truppen, die Dänen zu vertreiben. Im Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 wird die Jahrhunderte alte Verbindung Schleswigs mit Holstein zwar festgeschrieben, aber auch die Oberherrschaft Dänemarks über die Herzogtümer bestätigt.