VIDEO: Flensburgs Kolonialgeschichte: Wohlstand mit Schattenseiten (3 Min)

Flensburg: Von der dänischen Siedlung zur Grenzstadt

Stand: 25.07.2022 15:00 Uhr

1284 verleiht der dänische König der Siedlung das Stadtrecht. Im Mittelalter wird Flensburg eine bedeutende Handelsmetropole, heute steht die Grenzstadt für das vereinte Europa.

Der Zugang zur Ostsee über die Förde, wichtige Handelsstraßen nach Jütland, Angeln und Friesland: An dieser strategisch günstig gelegenen Stelle entsteht im 12. Jahrhundert eine Handelssiedlung. Sie gehört zum Königreich Dänemark und wächst in den folgenden Jahren zu einer Stadt, die 1240 erstmals urkundlich erwähnt wird. Im Jahre 1284 verleiht der dänische König Erik Glipping der Siedlung das Stadtrecht, Herzog Waldemar IV. von Schleswig bestätigt es.

Schleswig oder Dänemark? Krieg um die Vorherrschaft

Nach der Stadtgründung entstehen zahlreiche Bauten wie die St. Marien-Kirche und der Nordermarkt, 1345 kommt eine Stadtmauer dazu. Flensburg entwickelt sich zur bedeutendsten Stadt im Herzogtum Schleswig, die Kaufleute betreiben regen Handel, unter anderem mit gesalzenem Hering. Anfang des 15. Jahrhunderts entbrennt ein Konflikt um die Vorherrschaft im Herzogtum zwischen Dänemark auf der einen und den Grafen von Holstein sowie den Hansestädten auf der anderen Seite. Diese Auseinandersetzung gipfelt in einen Krieg, in dem Teile der Stadt zerstört werden und an dessen Ende das Herzogtum Schleswig dem Herzog von Holstein zugesprochen wird. 1460 wählen die Räte von Schleswig und Holstein den dänischen König Christian I. zum Herzog von Schleswig und Grafen von Holstein. Flensburg ist damit wieder dänisch und bleibt es für die folgenden Jahrhunderte.

Auf- und Abstieg von Flensburg als Handelsmetropole

Eine wichtige Folge: Flensburg kann sich von der wirtschaftlichen Vormacht Lübecks lösen und steigt im 16. Jahrhundert - während der Einfluss der Hanse stetig abnimmt - zur größten Handelsstadt der dänischen Krone mit etwa 200 Schiffen auf. Damit einher geht eine Ausweitung der Stadt, es entstehen zahlreiche Gebäude und Bauwerke, darunter das Nordertor und die Verkaufshalle Schrangen. Die Blütezeit wird ab 1626 durch den Dreißigjährigen Krieg beendet, es folgen die nordischen Kriege (1712-1721). Flensburg wird zunächst von Wallensteins Truppen, später mehrfach von den Schweden besetzt, stark zerstört und verliert seine wirtschaftliche Bedeutung.

Wiederaufbau: Flensburg wird zur Rum-Stadt

Mitarbeiter stehen 1903 mit einem Rumfass vor dem Sitz der Firma Johannsen in Flensburg. © Flensburg Fjord Tourismus
In der Blütezeit des Rumhandels gab es in Flensburg gut 200 Rumhäuser. Hier Mitarbeiter der Firma Johannsen 1903.

Mit nur neun Schiffen und einem verlandeten Hafen beginnt ab 1721 der Wiederaufbau. Einen wirtschaftlichen Aufschwung bewirkt vor allem der Handel mit Norwegen und der Walfang. Außerdem beteiligen sich Flensburger Kaufleute am Tabak, Rum- und Zuckerhandel mit Dänisch-Westindien. Sie bringen Rohrzucker und hochprozentigen Roh-Rum von den Karibikinseln in ihre Heimatstadt, verarbeiten diese zu Zucker und trinkbaren Rum und verkaufen die Produkte weiter. Dieser Handel bringt Flensburg eine zweite wirtschaftliche Blüte, macht es zu einem der bedeutendsten Standorte der Zuckerproduktion im dänischen Gesamtstaat und zur Rum-Stadt. Es gibt zahlreiche Raffinerien, Destillerien und zeitweilig bis zu 200 Rumhäuser. 1795 umfasst die Flensburger Handelsflotte wieder 295 Schiffe.

Noch heute finden sich in der Stadt zahlreiche Spuren dieser Zeit: etwa alte Speicher, Höfe oder die ansehnlichen Häuser der wohlhabenden Kaufleute. Wer sie entdecken möchte, kann dies auf der Rum- und Zucker-Meile tun. Dieser Stadtrundgang mit 20 Stationen führt durch die gesamte Altstadt und dokumentiert mit Hinweisschildern und einem kostenlosen Faltblatt, das bei der Tourist-Information oder als Download erhältlich ist, die Handelswege der vergangenen 250 Jahre. Deutschlands einziges Rum-Museum im Keller des Schifffahrtsmuseums gibt ebenfalls einen guten Einblick in den Rum- und Zuckerhandel und seine Bedeutung für die Stadt.

Deutsch-Dänischer Krieg und Eingliederung ins Deutsche Reich

Anfang des 19. Jahrhunderts hat auch die zweite Blüte der Stadt ein Ende. Mit der Niederlage Napoleons verliert Flensburg seinen wichtigen Handelspartner Norwegen und leidet zudem unter dem dänischen Staatsbankrott. Nationale Auseinandersetzungen sind ein weiteres Problem. Sie münden in der Schleswig-Holsteinischen Erhebung (1848-1851). Nach dem Sieg der Dänen wird Flensburg bis 1864 Hauptstadt des Herzogtums Schleswig. Es folgt der Deutsch-Dänische Krieg (1864), in dessen Folge Schleswig-Holstein und damit auch Flensburg an Preußen fällt. 1871 erfolgt die Eingliederung ins Deutsche Reich.

Volksbefragung führt zu neuer Grenze

Ein Grenzstein steht vor einer Brücke am Wasser. © dpa Foto: Carsten Rehder
Ein Grenzstein von 1920 markiert die deutsch-dänische Grenze in Wassersleben bei Flensburg.

Das Jahr 1920 markiert einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der Stadt: Bei einer Volksbefragung votieren die Nordschleswiger mehrheitlich für eine Zugehörigkeit zu Dänemark, die Mittelschleswiger und die Flensburger (75 Prozent) entscheiden sich für den Verbleib bei Deutschland. So entsteht eine neue Grenze, die fünf Kilometer nördlich der Stadt gezogen wird.

Noch heute ist Flensburg eine Grenzstadt, die sowohl von deutscher als auch von dänischer Kultur geprägt ist. Rund 20 Prozent der Bevölkerung gehören zur dänischen Minderheit, es gibt mehrere dänische Schule und Kindergärten, eine Bibliothek, eine Zeitung, Kirchen und vieles mehr. Das Leben wird bestimmt von einem friedlichen Miteinander, das Symbol und Vorbild für das vereinte Europa ist. Den wirtschaftlichen Schwerpunkt bilden der Maschinen- und Schiffbau, die mobile Kommunikation sowie der Dienstleistungssektor und die Hochschulen. Rum spielt keine Rolle mehr - heute existiert nur noch ein einziges kleines Haus, das traditionell Rumspezialitäten produziert.

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Dieses Thema im Programm:

die nordstory | 19.08.2022 | 20:15 Uhr

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