Reichsregierung Dönitz: Letzter Akt der Nazi-Diktatur
Erst 15 Tage nach Ende des Zweiten Weltkriegs endet auch die Zeit der Reichsregierung Dönitz. Soldaten verhaften ihn und die anderen Regierungsmitglieder am 23. Mai 1945 in Flensburg.
Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht ist der Zweite Weltkrieg seit dem 8. Mai 1945 in Europa beendet. Doch das Ende der noch von Hitler testamentarisch verfügten Reichsregierung unter Admiral Karl Dönitz kommt erst 15 Tage später. Entwaffnete Marinesoldaten marschieren zwei Wochen nach Kriegsende durch das von Briten besetzte Flensburg. Sie singen "Wir fahren gegen Engeland". Nur eines der in der Rückschau skurrilen Ereignisse der letzten Tage der Reichsregierung Dönitz, die am 23. Mai 1945 endet. An diesem Morgen umstellen britische Soldaten das Sondergebiet in Flensburg-Mürwik. Großadmiral Dönitz und mit ihm alle rund 420 Mitglieder der letzten Regierung des Deutschen Reiches werden von britischen Soldaten verhaftet.
"Flensburg Fiasco" und "Strange Show"
An jenem 23. Mai 1945 werden britische und amerikanische Kriegsberichterstatter aus Paris eingeflogen. Was sie erleben, beschreiben sie als "Flensburg Fiasco" und "Strange Show". Und der Tag begann schon seltsam: Mit einem in den Augen der Deutschen völlig übertriebenen militärischen Einsatz wird das Gelände in Flensburg-Mürwik von den Briten besetzt. Schon am Tag zuvor waren Großadmiral Karl Dönitz und Generaloberst Alfred Jodl für den kommenden Morgen auf das Wohnschiff "Patria" einbestellt worden. Nun eröffneten ihnen die Briten, sie würden noch am selben Tag als Kriegsgefangene außer Landes gebracht. Dönitz beginnt zu feilschen. Zwölf Koffer hat er gepackt. Doch die Briten bleiben hart: Ein Koffer muss reichen. In Mürwik wurden 420 Mitglieder der letzten Reichsregierung verhaftet.
"Unwiderrufbare Bilder" für die Alliierten
Die Alliierten wollen an diesem Tag "unwiderrufbare Bilder" schaffen. Für Hitlers Ende gab es keinen Bildbeleg, nun müssen Symbole her. Als Schauplatz dafür wird der Innenhof des Flensburger Polizeipräsidiums Norderhofenden 1 gewählt. Dorthin werden Dönitz und Jodl gegen Mittag gebracht. Aus Glücksburg holen die Briten Reichsminister Albert Speer. Was die Berichterstatter nicht mitbekommen: Dönitz, Jodl und Speer müssen sich unter Protesten einer gründlichen Leibesvisitation unterziehen. Ihre Rangabzeichen behalten die beiden Soldaten, die Orden und der Marschall-Stab jedoch werden einkassiert.
In properer Uniform, Speer im schicken Trenchcoat, werden die drei nun in den Hof Norderhofenden 1 geführt. Der Hof ist klein. Die Prozedur wird mehrmals wiederholt, wie sich Kriegsberichterstatter Wickmann später erinnerte. Dönitz, Jodl und Speer müssen mehrmals herein gehen. Sie protestieren dagegen heftig, aber erfolglos. Dönitz verhandelt immer noch mit einem britischen Offizier über einen Koffer mit Unterwäsche. Nachdem die "unwiderruflichen Bilder" gemacht sind, geht es raus zum Flugplatz Schäferhaus. Dönitz, Jodl und Speer werden nach Bad Mohndorf in Luxemburg ausgeflogen. Sie sind nun Kriegsgefangene.
Warum alles erst am 23. Mai?
Das amerikanische Magazin "Time" meldet einige Tage später: "Das Deutsche Reich starb an einem sonnigen Morgen des 23. Mai in der Nähe des Ostseehafens Flensburgs". Doch warum "regierte" Dönitz noch 15 Tage nach Kriegsende weiter? Historiker sehen darin vor allem pragmatische Gründe: So haben die Briten die bestehenden Strukturen nutzen wollen, um zum Beispiel das Ende der noch bestehenden Wehrmacht zu organisieren. Hier auf die noch erstaunlich funktionstüchtigen deutschen Stäbe zu setzen, hätte hilfreich sein können. War es dann aber nicht. Doch die Regierung Dönitz funktionierte nicht so, wie es sich die Briten erhofft hatten - was als Hauptursache für das Aus am 23. Mai gilt
Wurden noch am 11. Mai Soldaten unter Dönitz wegen vermeintlicher Meuterei hingerichtet - sauber und mit deutscher Gründlichkeit wurden Protokolle geführt, bis zur letzten Gewehrkugel gezählt und Urteile abgeheftet - ist der letzte Akt der Nazi-Diktatur am 23. Mai geschrieben.