Die Angeklagten Wolfgang Grundmann (l.) Manfred Grashof (m.) und Klaus Jünschke verlassen am 2.9.1975 das Gerichtsgebäude in Kaiserslautern. © picture-alliance /dpa Foto: dpa

RAF-Terror in Hamburg kostet Soko-Leiter 1972 das Leben

Stand: 09.03.2022 17:00 Uhr

Bei der Fahndung nach RAF-Terroristen durchsucht die Polizei am 2. März 1972 ein Haus in Hamburg. Der Leiter der Sonderkommission, Hans Eckhardt, wird dabei niedergeschossen. Er stirbt drei Wochen später.

von Axel Franz

Aus heutiger Sicht erscheint die Aktion leichtsinnig: Die Polizei jagt am 2. März 1972 mit einer Sonderkommission in Hamburg Mitglieder der sogenannten Baader-Meinhof-Bande, einer Terrorgruppe. Ein Hinweis führt die Beamten in den Stadtteil Rotherbaum, eine gute Gegend in der Nähe der Universität mit Villen aus der Gründerzeit. In der Heimhuder Straße 82 soll es eine verdächtige Wohnung geben. Der Leiter der Soko, Kriminalhauptkommissar Hans Eckhardt, führt den Einsatz persönlich an.

Nächtlicher Schusswechsel im Treppenhaus

Die Ermittler dringen in das Appartement ein, treffen aber niemanden an. Mehrere Beamte legen sich auf die Lauer, warten hinter der geschlossenen Wohnungstür. Gegen 22.45 Uhr fährt ein VW-Bus vor, zwei Männer steigen aus und betreten das Haus. Als sie die Wohnung im zweiten Stock aufschließen, stehen sie Polizisten mit gezogenen Pistolen gegenüber. Während einer der Verdächtigen dem Ruf "Hände hoch, Polizei!" folgt, greift der andere zu seiner Waffe und schießt. Die Kugeln treffen Hauptkommissar Eckhardt in Brust und Bauch. Er bricht zusammen.

Die Beamten erwidern das Feuer, treffen den Schützen, der flüchten will, aber im Treppenhaus verletzt aufgeben muss. Der zweite Mann lässt sich widerstandslos festnehmen.

Hamburger Polizei war auf harten Kern der RAF gestoßen

Während sich Sanitäter um die Verletzten kümmern, beginnen die Ermittlungen. Wer sind die Männer? Schnell wird klar, dass Manfred Grashof die Waffe gezogen hat. Der 25-Jährige wird zum harten Kern der Rote Armee Fraktion (RAF) gerechnet. Er soll bereits gut ein Jahr zuvor in Frankfurt am Main an einem Schusswechsel mit der Polizei beteiligt gewesen und entkommen sein. Innerhalb der Terrorgruppe gilt der gebürtige Kieler mit dem Decknamen "Carlos" als Spezialist für gefälschte Ausweispapiere. Tatsächlich finden die Ermittler in dem Hamburger Haus eine gut ausgestattete Fälscher-Werkstatt.

Stichwort: RAF

Auch Grashofs Begleiter ist der Polizei kein Unbekannter: Wolfgang Grundmann. Der 23 Jahre alte Student aus Marburg wird im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Kaiserslautern gesucht, bei dem ein Polizist erschossen und rund 130.000 Mark geraubt worden waren.

Mediziner kämpfen vergeblich um das Leben des Ermittlers

Während die Beamten ermitteln, ringen die Ärzte im Universitätsklinikum Eppendorf um das Leben des angeschossenen Polizisten. Trotz schwerer Verletzungen scheint er nach einigen Tagen auf dem Weg der Besserung. Doch das Blatt wendet sich: 20 Tage nach der Schießerei in der Heimhuder Straße stirbt Kriminalhauptkommissar Hans Eckhardt auf der Intensivstation. Noch unter Schock von den Ereignissen nehmen bei der Trauerfeier am 28. März rund 3.000 Menschen in der Alsterdorfer Sporthalle Abschied von Eckhardt. Mehrere Straßen sind für den Trauerzug nach Ohlsdorf gesperrt.

Eckhardt ist das zweite Todesopfer der RAF in Hamburg. Bereits am 22. Oktober 1971, rund ein halbes Jahr zuvor, war ein Kriminalbeamter vor einem Einkaufszentrum bei einer gescheiterten Festnahme erschossen worden.

Haftstrafen für die Terroristen

Ein Gericht verurteilt Manfred Grashof 1977 in Kaiserslautern wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Auf den Tag genau 17 Jahre nach den Schüssen in Hamburg - am 2. März 1989 - wird er aus dem Gefängnis entlassen. Der damalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel (CDU), hatte ihn begnadigt. Wolfgang Grundmann muss wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vier Jahre in Haft.

Die Fahnder glauben, ihnen sei mit der Festnahme der Gesuchten ein wichtiger Schlag gegen die RAF gelungen. Doch noch stehen zahlreiche weitere Verdächtige auf der Fahndungsliste, darunter Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Sie werden erst einige Monate später verhaftet - nach einer Serie von Bombenanschlägen und Raubüberfällen in ganz Deutschland. Doch auch damit endet der Terror der Rote Armee Fraktion nicht, im Gegenteil. Seinen Höhepunkt erreicht er erst im "Deutschen Herbst" von 1977 mit der Entführung und Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer sowie der Entführung der der Lufthansa-Maschine "Landshut" nach Mogadischu. Bis heute sind nicht alle Taten der drei RAF-Generationen aufgeklärt.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 29.07.2020 | 19:30 Uhr

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