Düstere Historie im Film: "Nazijäger - Reise in die Finsternis"
Das Doku-Drama "Nazijäger - Reise in die Finsternis" begibt sich in eine erschütternde Nachkriegsgeschichte: Britische Offiziere nehmen deutsche Nazi-Verbrecher ins Visier - und decken deren Gräueltaten auf. Gewidmet ist der Film den 20 ermordeten Kindern vom Bullenhuser Damm.
Der Zweite Weltkrieg ist gerade vorbei: Mit Jeeps fahren die Männer der "War Crimes Investigation Unit" 1945 und 1946 durch Norddeutschland - auf der Jagd nach Nazi-Verbrechern. Einer von ihnen ist Captain Anton Walter Freud, der Enkel von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse. Er floh 1938 mit seiner Familie vor den Nazis nach London. Jetzt ist der Geheimdienst-Offizier zurück, um in der britischen Besatzungszone Mörder aufzuspüren, die auf den Fahndungslisten der Alliierten stehen: Killer in Nadelstreifen, brutale SS-Schergen und erbarmungslose Ärzte, die medizinische Experimente an Kindern durchführten.
Verhör-Protokolle bilden die Grundlage des Doku-Dramas
Das Doku-Drama "Nazijäger - Reise in die Finsternis", produziert von Michael Kloft unter der Regie von Raymond Ley, begibt sich in eine der spannendsten - allerdings wenig bekannten - Geschichten der Nachkriegszeit. Wesentliche Grundlage des Filmes sind die Protokolle der Verhöre, die Anton Walter Freud und Hanns Alexander, der unter anderem Rudolf Höß überführt hat, 1945 und 1946 durchgeführt haben. Sie führen in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele. Freud ist den Tätern immer einen Schritt voraus. Er kennt ihre Verbrechen und hat genug Beweise, um sie zu überführen.
Anton Walter Freud will Gerechtigkeit statt Rache
Captain Freud ist stolz auf seine Herkunft, verehrt seinen weltberühmten Großvater. Der damals 24-Jährige verfügt über ein besonderes Talent: Er kann sein Gegenüber zum Reden bringen und davon überzeugen, Geheimnisse preiszugeben. Freud ist ein Freigeist, der sich nur ungern unterordnet. Er verabscheut Disziplin und ist für seine unkonventionellen Ideen bekannt. Sein Ziel ist nicht Rache, sondern Gerechtigkeit. Er will die Täter vor Gericht und an den Galgen bringen. "Alles unscheinbare kleine Leute", wird Freud später in einem seiner seltenen Interviews sagen, "denen man überall begegnen kann, ohne zu ahnen, was sie getan haben."
Hanns Alexander: Schockiert vom Grauen in Bergen-Belsen
Im Team lernt er Hanns Alexander kennen. Der Sohn eines Berliner Arztes ist ebenfalls vor den Nazis nach England geflohen und 1945 als britischer Offizier nach Deutschland zurückgekommen. In Bergen-Belsen hat er das Grauen gesehen, das die Nazis hinterlassen haben und ist schockiert über die Kaltblütigkeit der gefangenen genommenen Aufseher und SS-Offiziere. Bergen-Belsen hat Alexander verändert. Er ist nicht länger der sorglose Mann von einst, sondern von einer kaum noch kontrollierbaren Wut erfasst. Das macht ihn zum "Brecher" - ein Ermittlertyp, der auch mit Drohungen operiert und manchmal Grenzen überschreitet - ganz anders als Anton Walter Freud.
Der verhaftet im Oktober 1945 Bruno Tesch, den Geschäftsführer der Hamburger Firma "Tesch & Stabenow", die das Insekten-Vernichtungsmittel "Zyklon B" hergestellt und in die Vernichtungslager geliefert hat - vor allem nach Auschwitz. Die Beweise sind erdrückend, Tesch wird 1946 vor ein britisches Gericht gestellt und zum Tode verurteilt.
Ermittler decken bestialische Verbrechen auf
Überlebende Häftlinge aus dem KZ Neuengamme haben den Ermittlern erzählt, dass kurz vor Kriegsende zwanzig Kinder nachts mit einem Lkw aus dem Lager gebracht worden sind. Unter ihnen ist der erst sieben Jahre alte Sergio de Simone aus Italien. Freud findet den Lagerarzt Dr. Adolf Trzebinski und verhört ihn. Vom Schicksal der Kinder wisse er nichts, behauptet der Arzt. Doch der Ermittler kennt längst die Wahrheit: Trzebinski hat die Opfer von Menschenversuchen an der Hamburger Schule am Bullenhuser Damm bestialisch ermorden lassen. Wann und wie, das will Freud herausfinden. Die Ermittlungen werden ihn ans Ende seiner Kräfte bringen. Das Grauen der Verbrechen, die er aufklären will, lässt ihn nicht mehr los.
Hanns Alexander fahndet vor allem nach Rudolf Höß, dem ehemaligen Kommandanten von Auschwitz, der sich seit Kriegsende in Norddeutschland versteckt. Als dessen Frau schließlich den Aufenthaltsort preisgibt, wird Höß verhaftet. Im Verhör gibt er zu, für den Tod von Millionen Menschen verantwortlich zu sein.
Letzte Zeitzeuginnen: "Das darf nicht vergessen werden"
Die Spielszenen im Film werden von Schauspielern wie Franz Hartwig und Robin Sondermann zum Leben erweckt. In den Doku-Teilen des Dramas kommen die letzten Zeitzeugen zu Wort, zum Beispiel Andra und Tatjana Bucci, die Cousinen des kleinen Sergio. Wie er wurden sie 1944 aus Italien nach Auschwitz deportiert - und haben überlebt. "Ich würde sagen, dass wir einen Stern hatten", sagt Andra Bucci. "Einen großen Stern, der uns in gewisser Weise geschützt hat."
Die Kamera durfte die beiden Schwestern an die Schauplätze der Verbrechen nach Birkenau und Hamburg begleiten. Und die Erinnerungen, die sie nun mit den Zuschauern teilen, gehen ins Mark: "Man wusste, dass man als Jude das Lager durch den Schornstein verließ", so Tatjana Bucci. "Wenn Neuankömmlinge nach ihrer Mutter oder Schwester fragten, antworteten die Gefangenen, die schon länger da waren: Schau, da aus dem Schornstein kommen sie raus." Und ihre Schwester ergänzt: "Ich bin zur Atheistin geworden. Denn ein Gott hätte diese Dinge nicht zugelassen."
Das Doku-Drama "Nazijäger - Reise in die Finsternis" ist erzählt nach wahren Begebenheiten und eine Koproduktion von Spiegel TV, NDR, SWR, RBB und HR.