Deutsche Grammophon 1898 in Hannover gegründet
Emil Berliner gründet am 6. Dezember 1898 zusammen mit seinem Bruder Joseph in Hannover die Deutsche Grammophon Gesellschaft. Mit der Erfindung der Schallplatte und des Grammophons hat der Deutsch-Amerikaner die Musikkultur revolutioniert.
Eine Nadel betastet die Erhöhungen und Vertiefungen einer Schellackplatte, ein Trichter verstärkt die erzeugten Schallwellen - so entstehen die ersten knisternden und rauschenden Töne auf dem Grammophon. Der geistige Vater hinter dieser serientauglichen Tonproduktion ist Emil Berliner. Er gründet am Nikolaustag 1898 die Deutsche Grammophon Gesellschaft in Hannover. In einem Hinterhofgebäude auf dem Gelände der Telefonfabrik von Joseph Berliner in der Kniestraße in der Nordstadt beginnt die Serienproduktion der Schallplatte. Joseph und der dritte Bruder, Jakob Berliner, stellen die von Emil entwickelte "Scheibe" her.
Emil Berliner wächst in bescheidenen Verhältnissen auf
So sensationell diese Erfolgsgeschichte klingt, bis zur Firmengründung ist es ein langer Weg. Emil Berliner, geboren am 20. Mai 1851 in Hannover, wächst mit elf Geschwistern in bescheidenen Verhältnissen auf. Seine Eltern führen ein Textilgeschäft. Von 1861 bis 1865 besucht er die Samson-Schule, eine jüdische Freischule in Wolfenbüttel. Anschließend absolviert er eine kaufmännische Lehre. Mit Arbeiten in einer Druckerei und einem Krawattengeschäft muss Emil Berliner zum Unterhalt der Familie beitragen. Um der Einberufung zum preußischen Militär zu entgehen, wandert er 1870 als junger Mann in die USA aus. In Washington arbeitet er zunächst im Kurzwarengeschäft Gotthelf, Behrend and Co. Nach seinem Umzug nach New York hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser.
Erfindung eines Mikrofons als Basis für neue Erfindungen
Nachts studiert Emil Berliner Elektrotechnik und Physik am Cooper Institute, einem privaten College. Fasziniert von der damals noch kaum erforschten Elektrizität experimentiert er in einem provisorischen Labor in seiner Wohnung. Mit Erfolg: Emil Berliner gelingt es, ein funktionierendes Mikrofon für den Telefonapparat von Alexander Graham Bell zu konstruieren. Seine Erfindung kann der junge deutsche Erfinder 1877 für 75.000 Mark an die Bell Telephone Company verkaufen. Genug Startkapital für ein professionelles Labor.
Berliner lässt sich das "Grammophon" namentlich schützen
Das ermöglicht Emil Berliner Thomas Alva Edisons Phonograph mit der Tonwalze zu optimieren. Denn die Produktionskosten für Edisons "Sprechmaschine" sind viel zu teuer für eine Produktion in großer Stückzahl. Emil Berliner verändert den Winkel zwischen der Nadel und der Trägerfolie um 90 Grad. Die Töne werden nicht vertikal auf zerbrechlichen Walzen gespeichert, sondern auf Platten in spiralförmigen Rillen. Die Erfindung der lateralen Schallaufzeichnung. Dieses Verfahren - auch Berlinerschrift genannt - macht das Abspielen eines flachen Tonträgers möglich. Den Namen für sein "Grammophon" lässt sich der Tüftler gesetzlich schützen.
1887 - Patent für Grammophon und Schallplatte angemeldet
Zurück in Hannover gründet Emil Berliner Anfang der 1880er-Jahre mit seinem Bruder Joseph Berliner die erste europäische Gesellschaft zur Produktion von Telefonteilen: die J. Berliner Telephongesellschaft. Am 8. November 1887 meldet er schließlich sein Patent "Verfahren und Apperat für das Registrieren und Wiederhervorbringen von Tönen" beim Kaiserlichen Patentamt an. Zu dem Patent gehören ist auch ein Aufnahme- und Abspielgerät, Vorläufer des Grammophons und späteren Plattenspielers.
1889 - Produktion der ersten Plattenspieler startet
Doch noch steckt Emil Berliners Erfindung in den Kinderschuhen: Seine erste Schallplatte besteht aus Zinkblech, hat einen Durchmesser von zwölf Zentimetern und läuft mit 150 Umdrehungen pro Minute. Das ergibt eine Spieldauer von gerade mal einer Minute. Trotzdem sind die Zuhörerinnen und Zuhörer begeistert, als er am 16. Mai 1888 in Philadelphia Grammophon und Schallplatten erstmals öffentlich vorstellt und "Yankee Doodle" spielt. 1889 stellt er seine Erfindung an der Technischen Hochschule in seiner Heimatstadt Hannover vor und hält einen Vortrag über Funktion und Technik. Anschließend reist er nach Berlin und tritt vor die Sachverständigen des Reichspatentamtes. Emil Berliner kann schließlich Edisons Phonographen ausstechen und vergibt Lizenzen an die thüringische Spielwarenfabrik Kämmer und Reinhard. Sie produziert noch im selben Jahr die ersten handbetriebenen Plattenspieler in Deutschland.
Emil Berliners Erfinderdrang ist ungebremst, zurück in den USA tüftelt er weiter. Es geht ihm darum, das Grammophon und die Schallplatte zu optimieren. 1890 verwendet Emil Berliner Hartgummi statt Zink für seine Platten. Der Nachteil: Die Nebengeräusche sind so stark, eine Musikkonservierung nahezu unmöglich scheint.
1895 - Die Geburtsstunde der Schellackplatte
1895 mischt Emil Berliner Schellack, Gesteinsmehl, Ruß und Pflanzenfasern - die Geburtsstunde der Schellackplatte. Mit dieser Innovation kann er einen neuen Industriezweig aufbauen, weil er das Tausendfache Kopieren ermöglicht. Im selben Jahr gründet er in Philadelphia einen eigenen Produktionsbetrieb, die Berliner Gramophone Company. Den größten Anteil an der Firma halten Investoren, Emil Berliner selbst besitzt nur wenige Anteile. Das neue Unternehmen eröffnet in Baltimore eine Fabrik und beginnt mit der Produktion von Geräten und Tonträgern. Die Umsätze sind zunächst bescheiden, auch weil das Handkurbel-betriebene Grammophon eher die Anmutung eines Kinderspielzeuges, denn eines Unterhaltungsgerätes hat. Das ändert sich, als Berliner einen Federkern-Motor entwickeln lässt.1896 folgt dessen Markteinführung. In der Folge steigen die Umsätze des Grammophons enorm.
Emil Berliner muss Firmensitz nach Kanada verlegen
1898 gründen Emil und Joseph Berliner die Deutsche Grammophon und eröffnen einen Fertigungsbetrieb für Schallplatten in Hannover. Die Muttergesellschaft Gramophone Company ist im englischen Hayes ansässig. Emil Berliner beschäftigt sich lieber weiter mit Technik als mit dem Verkauf. Deshalb vertraut er den Vertrieb dem Werbefachmann Frank Seaman an. Dieser gründet in New York die National Gramophone Company. Durch geschickte Werbekampagnen schnellen die Verkaufszahlen von Geräten und Platten in die Höhe. Doch die Zusammenarbeit ist schnell getrübt: Ein juristischer Streit mit Seamans Vertriebsfirma zwingt Emil Berliner 1899 dazu, seine Produkte vom Ausland aus zu vermarkten. In Kanada eröffnet er die Berliner Gram-O-Phone Company Montreal. In nur zwei Jahren verkauft die Firma zwei Millionen Schallplatten. Emil Berliner optimiert seine Produkte weiter, 1908 stellt er die erste beidseitig bespielte Platte vor.
Enrico Caruso verhilft der Schallplatte zum Aufschwung
Anfang Januar 1900 bekommt die Deutsche Grammophon die Rechtsform einer Aktiengesellschaft. 40 Prozent der Aktien bleiben im Besitz der Tochtergesellschaft in Hannover, die übrigen Aktien gehen an die Muttergesellschaft im britischen Hayes. 1904 verlassen die Brüder Jakob und Joseph Berliner mit ihrer Schallplatten-Fertigung den Hinterhof in der Nordstadt und ziehen in die Podbielskistraße. Im selben Jahr unterschreibt der Star-Tenor Enrico Caruso einen Plattenvertrag bei der Deutschen Grammophon. Aufgrund seiner Beliebtheit wächst der Absatz der Schallplatte rasant weiter.
Erster Weltkrieg - Umstrukturierungen bei der "Grammophon"
Weil sich die Deutsche Grammophon AG und die Grammophon-Spezialhaus GmbH mehrheitlich in ausländischem Besitz befinden, werden sie im Ersten Weltkrieg beschlagnahmt. Die britische Muttergesellschaft wird gar enteignet. 1917 wird die Deutsche Grammophon AG an die Polyphon Musikwerke AG in Leipzig verkauft. Nach dem Krieg darf die Deutsche Grammophon AG außerhalb des deutschen Reichsgebiets ihr Markenzeichen und den Namen "Grammophon" nicht mehr nutzen. Für den Export gründet die Deutsche Grammophon AG die Marke Polydor als zusätzliches Label.
Emil Berliner stirbt am 3. August 1929 in Washington.
Deutsche Grammophon und Philips fusionieren zu Polygram
1937 übernimmt Telefunken die Deutsche Grammophon, übergibt die Aktien aber schon 1941 an Siemens & Halske weiter. Im Zweiten Weltkrieg bricht die Schallplattenproduktion ein. In der Nachkriegszeit entwickelt sich die Deutsche Grammophon zum bedeutendsten deutschen Tonträgerunternehmen. Sie hat viele beliebte deutsche, aber auch ausländische Künstlerinnen und Künstler unter Vertrag. Als Musikliebhaber mit einem Hang zu anspruchsvoller Klassik entwickelt Ernst von Siemens die Grammophon in den 1940er- und 1950er-Jahren zum uneingeschränkten deutschen Branchenführer. 1962 tauschen Philips und Siemens & Halske ihre Anteile an den Labels Philips und Deutscher Grammophon je zur Hälfte. Durch eine Umstrukturierung entsteht 1972 die Polygram mit Hauptsitzen im niederländischen Baarn und Hamburg.
Deutsche Grammophon unter dem Dach von Universal
Nach dem Zusammenschluss beginnt in Hannover-Langenhagen 1982 die Produktion von Compact-Discs, kurz CDs. In der Podbielskistraße werden bis zur Schließung im Jahr 1990 Vinyl-Schallplatten gepresst. 1991 wird das Werk abgerissen. Die Deutsche Grammophon ist noch heute als Plattenlabel präsent. Mittlerweile gehört sie zur Universal Music Group, in der die Polygram 1998 aufging. Noch bis Anfang 2017 produziert das Werk in Langenhagen CDs. Heute befinden sich die Produktionsstudios in Berlin - benannt nach ihrem Erfinder Emil Berliner.