Der österreichische Bassist Lukas Kranzelbinder (rechts) und Marga Glanz (links) vom Hamburger Plattenladen Groove City studieren gemeinsam das Cover einer Vinyl-Platte. © NDR Foto: Jessica Schlage
Der österreichische Bassist Lukas Kranzelbinder (rechts) und Marga Glanz (links) vom Hamburger Plattenladen Groove City studieren gemeinsam das Cover einer Vinyl-Platte. © NDR Foto: Jessica Schlage
Der österreichische Bassist Lukas Kranzelbinder (rechts) und Marga Glanz (links) vom Hamburger Plattenladen Groove City studieren gemeinsam das Cover einer Vinyl-Platte. © NDR Foto: Jessica Schlage
AUDIO: 75 Jahre LP und neuer Boom: Was macht die Platte so besonders? (3 Min)

75 Jahre LP und neuer Boom: Was macht die Platte so besonders?

Stand: 21.06.2023 06:00 Uhr

Heute vor 75 Jahren erschien bei Columbia Records die erste Vinyl-LP. Verschwunden ist die Schallplatte nie. Und in den vergangenen Jahren gibt es sogar wieder einen leichten Anstieg beim Absatz. Was macht sie so besonders?

von Danny Marques

Marga Glanz ist Plattenhändlerin. Sie betreibt das Groove City in der Marktstraße - einer hippen, alternativen Einkaufsstraße auf St.Pauli in Hamburg. Wenn man in ihren Laden kommt, sind Platten überall: auf dem Warentisch, in der Mitte des Raumes, an den Seiten. Signierte Exemplare hängen an der Wand.

Eine Platte ist etwas Besonderes

CDs und Streaming haben die Schallplatte geschwächt. In den vergangenen Jahren gibt es aber wieder einen leichten Anstieg beim Absatz. Es sind vor allem junge Käuferinnen und Käufer, die dem Groove City die Existenz sichern. "Eine Platte ist etwas, was du aussuchst", sagt Glanz. "Da erinnerst du dich in zehn Jahren auch noch daran. Warum du die wo, wann und mit wem gekauft hast."

Platten sind Marga Glanz' Leben. "Es ist natürlich eine Nische. Auch wenn alle sagen, dass die Vinylzahlen so unfassbar steigen, es bleibt eine Nische", schildert sie. "Die letzte Beyoncé-Platte haben wir nicht mehr bestellt: Die kostet schon 50 Euro im Einkauf. Ich müsste sie für mindestens 70 Euro verkaufen - da hört es irgendwann auf."

Plattenauktion in der Komet Bar

Ein bisschen unsentimentaler ist man beim Thema Platten alle zwei Wochen in der Komet Bar. Direkt hinter der berühmt-berüchtigten Herbertstraße. Es ist dunkel, es wird viel geraucht. Der Barkeeper sieht ein bisschen aus wie Frank Zappa. Am DJ-Pult stehen Ralph und Mario: "Guten Abend, herzlich willkommen zu Top oder Flop. Wir werden heute alle Platten versteigern auf dem Plattenteller. Die, die nicht gekauft werden, machen wir kaputt." Das ist durchaus ernst gemeint. Eine Platte wird angespielt, dann werden in 50 Cent-Schritten Gebote eingeholt. Die Platten, die niemanden finden, werden zerbrochen.

Nicht alle Platten finden jemanden. "Vor über 20 Jahren, als das angefangen hat, war das nicht so wie jetzt, dass jede Platte etwas wert ist", sagt Mario. "Wir waren ein bisschen punkrockmäßig unterwegs und Vinyl war damals ein Wegwerfprodukt." Wenn die beiden die Platten anspielen, dann wird auch getanzt. Höher als einen Euro geht kaum eins der Gebote.

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Vom Wegwerfprodukt zum Sammlerstück

Alex hat einen Sampler mit vielen Hits ersteigert. "Ich finde es immer schade, wenn die Platten zerstört werden, wenn die nicht gekauft werden", sagt er. "Es hört sich ein bisschen schrummeliger an, aber es macht einfach Spaß, weil es echte Musik ist."

An der Bar sitzt Sebastian, trinkt Bier. 3.000 Platten hat er zu Hause. "Ich bin wieder ganz stark zurück zur Schallplatte. Nur über dieses Medium begreift man vollumfänglich, was da produziert wurde: inklusive der Liner Notes, dem Cover, die Aufmachung. Das ist so ein ganzheitliches Bild", sagt er.

Trotz Preiskampf, Corona-Folgen und digitaler Konkurrenz: Die Schallplatte lebt. "Wenn ich mir vorstelle, ich bin 20, ich muss ein WG-Zimmer mieten für 500 Euro oder mehr, mein Handy, Turnschuhe, was bleibt da noch über?", sagt Plattenhändlerin Marga Glanz bei Groove City. "Umso mehr ist das für die Leute was Besonderes. Das und das höre ich mir bei einem Streaming Dienst an, aber die, die will ich auf Vinyl haben." Emotionen und Erinnerungen kann man schließlich nicht im Internet streamen.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 21.06.2023 | 10:20 Uhr

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