Von Hannover aus eroberte die CD die Welt
Am 17. August 1982 tritt die Compact Disc von Hannover aus ihren Siegeszug an. Dort wurde sie entwickelt - und weltweit erstmals in Serie hergestellt. Mittlerweile haben Streaming-Dienste der CD den Rang abgelaufen.
Die Geschichte der der Unterhaltungstechnik ist fest mit Hannovers verknüpft. Emil Berliner erfand dort vor 135 Jahren die Schallplatte und das Grammophon. Auch die ersten Musik-Kassetten wurden in den 1960er-Jahren in der niedersächsischen Landeshauptstadt in Serie gefertigt. Anfang der 1980er-Jahre folgt die CD: Die optische Speicherung digitaler Daten wurde in Langenhagen bei Hannover entwickelt. Am 17. August 1982 erfolgt dort die weltweit erste Serienproduktion. Musik, festgehalten auf einer hauchdünnen silbernen Scheibe, Durchmesser zwölf Zentimeter.
Pianist Claudio Arrau drückt den Startknopf
Es war der Pianist Claudio Arrau, der in Hannover höchstpersönlich den Startknopf für die Produktion seiner eigenen CD drückte. Zum ersten Mal ging die silberne Glitzerscheibe in Serie. Ein spannender Augenblick, wie sich der damalige Fertigungschef Dieter Soiné 2012 im NDR erinnert: "Die Maschinen waren natürlich erprobt. Wir wussten, wenn Claudio Arrau den Knopf drückt, dass es dann wirklich anläuft. Wir waren froh, dass wir so einen prominenten Künstler engagieren konnten. Und das war dann schon ein erhebendes Gefühl, dass das dann wirklich losging."
ABBAs "The Visitors" eröffnen den Silber-Reigen des Pop
Auch die Tagesschau berichtet am Abend über die technische Neuerung und den Produktionsbeginn bei PolyGram in Hannover. Wenige Monate später kommen die ersten CDs in die Geschäfte - zunächst in Japan, 1983 dann auch in Europa und den USA. Den Anfang im Pop-Bereich machen übrigens ABBA: Als erstes CD-Album erscheint "The Visitors", das die letzten Songs der schwedischen Pop-Band enthält.
Mehr als eine Milliarde Informationen pro CD
Vor dem Produktionsstart liegen lediglich 500 Tage, in denen rund 80 Chemiker, Physiker und Maschinenbauer die CD im Endspurt zur Serienreife bringen. Und die Entwicklung in unbedingt staubfreien Räumen hat es in sich: Anders als die Vinyl-Schallplatte ist die CD aus technischer Sicht gar kein Tonträger. Vielmehr wird der Klang, der verewigt werden soll, zunächst in digitale Informationen gewandelt - und diese Daten landen schließlich auf der kleinen Scheibe. Ein Laserstrahl rast im Tiefflug über den sechs Kilometer langen Laufstreifen hinweg und liest die mehr eine Milliarde Informationen pro CD optisch aus.
Kritiker finden Klang der CD zu steril
Die Nova im Vergleich zur Vinyl-Scheibe: Das Abtasten der Daten im CD-Player erfolgt berührungsfrei, die Oberfläche wird durch das Abspielen also nicht - wie etwa von der Nadel dees Plattenspielers - beschädigt. Das Wechseln von der A- zur B-Seite entfällt, einzelne Tracks lassen sich direkt digital ansteuern - und: Der Klang ist "rein". Störgeräusche wie Rauschen oder Knistern gibt es nicht. Ein Fluch und Segen zugleich: Kritiker bemängeln den Klang als steril und seelenlos.
Das ist allerdings nicht der einzige Punkt, warum es die Compact Disc zunächst schwer hat, sich auf dem Markt zu etablieren: Der Preis einer CD liegt in Deutschland bei rund 35 Mark - und damit deutlich über dem einer Schallplatte. Auch die ersten CD-Player haben gepfefferte Preise. Die neue Technik ist - wie so oft - zunächst also nichts für die Massen, und schon gar nichts für musikbegeisterte Jugendliche mit schmalem Taschengeld.
CD-R: Selber brennen statt kaufen
Doch die kleinen Scheiben setzen sich durch und beherrschen nach nur acht Jahren den Musikmarkt. Zwischenzeitlich werden allein in Hannover jeden Tag bis zu einer Million CDs hergestellt. Aus den ersten Gehversuchen wurde ein Massengeschäft. Auch die Abspielgeräte werden massenkompatibel - und variabel: Der CD-Player wird mobil. Er verdrängt die gute alte Kassette sowohl im Walkman, der nun zum Discman wird wie auch das Kassettendeck im Auto.
Apropos Kassette: Wer der älteren Semester erinnert sich nicht an die vielen Stunden, in denen die liebsten Songs aus dem Radio auf Kassette gebannt oder die Platten von Freunden auf ebendiese kopiert wurden? Auch hier sorgen die kleinen silbernen Scheiben Anfang der 1990er-Jahre für eine kleine Revolution. Ausgestattet mit einem Computer und einem sogenannten Rohlingen, der Compact Disc Recordable (CD-R), lässt sich Musik nun auch auf CD privat verfielfältigen.
Lebensdauer von Selbstgebrannten ist äußerst begrenzt
Ein Versprechen kann die Industrie allerdings nicht halten: das der unbegrenzten Lebensdauer. Schon bald stellt sich heraus, dass insbesondere selbstgebrannte CDs eben nicht ewig abspielbar sind. Hersteller geben zwar eine Haltbarkeit von zehn bis 25 Jahren an - doch die Frustration von Musikfans kann auch schon nach fünf oder gar zwei Jahren sehr groß sein, wenn plötzlich einfach nichts mehr zu hören ist.
MP3 macht der CD Konkurrenz
Und die technische Entwicklung legt bekanntermaßen keine Stopps ein. Zur gleichen Zeit wie die CD wird 1982 von einer Forschergruppe des Erlanger Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen (IIS) das digitale Speicherformat MP3 entwickelt. Digitale Audiodaten werden hier stark komprimiert, sodass die Datenmenge drastisch reduziert wird. Klangverluste gehören dabei zwar dazu, sind für den Otto-Normal-Hörer aber kaum wahrnehmbar. 1998 kommt der erste MP3-Player auf den Markt. Das Nischenprodukt erlangt schließlich Kultstatus, als Apple mit dem iPod Funktionalität, Design und Marketing derart miteinander verschmilzt, dass es schon bald zum "guten Ton" gehört, kleine weiße Kopfhörer im Ohr zu tragen.
Streaming-Dienste & Co.: Die Musik wandert ins Internet
In den 90er-Jahren verfügt schließlich das Internet über ausreichende Bandbreiten und geeignete Protokolle, um das Musikhören im Netz für jedermann beziehungsweise -frau möglich zu machen. ATM Networks geht 1992 mit dem Projekt Trojan Room Coffee Maschine an den Start und stellt Bilder und Töne ins Netz. Von da an ist der Weg zu den heute nahezu unzähligen und erfolgreichen Streaming-Diensten nicht mehr weit. Als Info-Radio on Demand steigen die Sender SFB und ORB ins Internet-Radio ein. Einen der ersten Livestreams im Netz sendet 1997 der erste private Hörfunksender Sachsen-Anhalts radio SAW.
Die Musik-Tauschbörse Napster etwa bedient sich ab Ende der 90er-Jahre des kompakten MP3-Formats und lässt seine Nutzer Dateien hin- und herreichen. Das eigentliche Musik-Streaming boomt dann ab den 2000er-Jahren. Unternehmen wie Apple Music mit iTunes, Amazon Prime Music und Spotify stellen im Lauf der Jahre Millionen Titel zur Verfügung und machen sich das Bedürfnis ihrer Kunden zu gute, einzelne Songs statt ganzer Alben beziehen zu können. Die persönliche Playlist wird - wie früher die selbst zusammengestellte Kassette - identitätsstiftend.
CDs werden noch gehört - und die Schallplatte erlebt ihr Comeback
Und wo ist die CD heute? Bei vergleichsweise vielen Hörerinnen und Hörern tatsächlich immer noch im Player. Der Verkauf physischer Tonträger ist dem Bundesverband der Musikindustrie (BVMI) hierzulande in den vergangenen zehn Jahren zwar um mehr als zwei Drittel gesunken. Den vielfältigen Möglichkeiten zum Trotz wurden 2021 aber immerhin noch mehr als 25 Millionen CD-Alben verkauft. Die Vinyl-Schallplatte erlebt derweil übrigens ein kleines Comeback: Wurden 2012 nur eine Million LP verkauft, ist der Umsatz 2021 auf 4,5 Millionen Stück gestiegen.