Stand: 07.05.2008 17:01 Uhr

Das Grammophon: Musik für die Massen

von Cornelia Wumkes

Schon 1877 hatte Thomas Alva Edison den Phonographen vorgestellt, ein mit einer Handkurbel versehenes Gerät, dessen drehbare Walze ein kurzes Gedicht wiedergeben konnte. Der Musikfreund Emil Berliner war begeistert. Der Techniker Berliner erkannte aber schnell, dass die von Edison benutzte Technik für eine Massenfertigung nicht geeignet war.

Also tüftelt Berliner, der sich 1883 selbstständig gemacht hat, daran, die Tonaufnahmetechnik zu verbessern. Er denkt an einen Tonträger, der industriell einfach gefertigt und einfach vervielfältigt werden kann, und macht sich an die Arbeit. Im kleinen Labor in seinem Haus in Washington entwickelt er die Schallplatte und meldet sie Ende September 1887 beim US-Patentamt und wenig später beim Reichspatentamt in Berlin an. Bei Edison war der Tonträger ein Zylinder, der sich drehte. Bei Berliner ist er eine Scheibe, in die die Töne eingeritzt werden. Berliner nennt sie Phonautogram. Eine der ersten Proben macht er mit dem Vaterunser. Er hofft, dass die Bekanntheit des Textes dabei hilft, die anfangs schlechte Qualität der Aufnahme zu überhören.

Emil Berliner stellt das erste Grammophon vor

Emil Berliner mit Zink-Schallplatte und Grammophon. © picture-alliance / dpa | Fotoreport Deutsche Grammophon
Mit seiner Erfindung kann sich Berliner gegen Thomas Alva Edison durchsetzen.

Am 16. Mai 1888 präsentiert Emile Berliner im Franklin Institute in Philadelphia Grammophon und Schallplatten erstmals öffentlich. Die Zuhörer sind begeistert, als der "Yankee Doodle" und "Home, Sweet Home" erklingen. Nach den Amerikanern will er auch die Deutschen und Europäer überzeugen und reist in die alte Heimat. In der technischen Hochschule Hannover stellt er 1889 seine Erfindungen vor und hält einen Vortrag über die zugrunde liegende Technik. Dann reist er nach Berlin und tritt vor die Sachverständigen des Reichspatentamtes. Auch die Elektrotechnische Gesellschaft hört ihn an. Unter den Zuhörern ist Werner von Siemens, der sich lobend äußert und doch noch versucht, eine Lanze für den Phonographen seines Freundes Edison zu brechen. Es wird ein direkter Vergleich der beiden Systeme arrangiert, der mit einem Erfolg für Berliner endet. Der vergibt noch 1889 Lizenzen an die thüringische Spielwarenfabrik Kämmer und Reinhard. Sie stellt die ersten handbetriebenen Plattenspieler in Deutschland her.

Gründung der Berliner Gramophone Company

Zurück in den USA macht sich Berliner daran, Grammophon und Schallplatte weiter zu entwickeln. Damit beide Systeme in Serie hergestellt werden können, sind noch viele Experimente notwendig. Berliner sammelt Kapital bei Freunden und Gönnern und gründet 1895 in Philadelphia die Berliner Gramophone Company. In dem Unternehmen stellt er Platten und Grammophone her.

Trichtergrammophon aus Emil Berliners erster Serie © Deutsche Grammophon GmbH
So sah ein Trichtergrammophon aus Emil Berliners erster Serie aus.

In Deutschland ziehen Berliners Brüder Joseph und Jakob nach und gründen 1898 in Berlin die Deutsche Grammophon. In Hannover eröffnen sie einen Fertigungsbetrieb. Weil Emil Berliner sich lieber mit Technik als mit dem Verkauf beschäftigt, vertraut er den Vertrieb einer New Yorker Firma an - Seaman's National Gramophone. Die Zusammenarbeit geht nicht lange gut: Leute von Seaman kommen auf die Idee, Berliner den Markennamen Gramophone verbieten zu lassen, und bekommen vor einem New Yorker Gericht Recht. So sieht sich Berliner 1899 gezwungen, seine Produkte umzubenennen oder ins Ausland zu gehen.

Von Philadelphia nach Montreal

Er verlegt den Sitz seiner Firma von Philadelphia ins benachbarte Kanada. Im Industrieviertel Saint-Henri von Montreal hat er ein passendes Gelände gefunden und eröffnet die Berliner Gram-O-Phone Company Montreal. Nur zwei Jahre später hat die Firma zwei Millionen Schallplatten verkauft. Berliner freut sich über den Erfolg, tüftelt weiter an Verbesserungen der Aufnahmetechnik und der Schallplatte. 1908 stellt er die erste beidseitig bespielte Platte vor und lässt sie in Serie produzieren.

Nipper und His Master's Voice

Ab September 1900 vertreibt Emile Berliner Schallplatten und Grammophone unter dem Label His Master's Voice. Markenzeichen ist der Foxterrier Nipper, der in den Schalltrichter eines Phonographen lauscht. Das Geschäft floriert. Im Jahr 1924, er ist schon über 70, verkauft Berliner die Gram-O-Phone Company und das Nipper-Markenzeichen an den US-amerikanischen Konkurrenten Victor Talking Machine, bekannt als Hersteller des Plattenspielers Victrola. Doch schon bald nach dem Zukauf beginnen die Geschäfte zu stagnieren. Darum stimmt Victor 1929, kurz vor Berliners Tod, der Übernahme durch die Radio Corporation of America (RCA) zu.

Weitere Informationen
Plattenlabel mit Nipper © Deutsche Grammophon GmbH

Der Siegeszug der Schallplatte

In einem Hinterhofgebäude in Hannover beginnt 1898 die Serienproduktion der Schallplatte. Jakob und Joseph Berliner stellen die von ihrem Bruder Emil entwickelte Scheibe her. mehr

Emil Berliner © Deutsche Grammophon GmbH

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Aus ärmlichen Verhältnissen wandert Emil Berliner 1870 aus Hannover in die USA aus und entwickelt dort Schallplatte und Grammophon. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | 20.05.2005 | 11:40 Uhr

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