Stand: 28.08.2012 11:15 Uhr

Der Fall Barschel: Eine Chronologie

von Felix Holtermann

Die Barschel-Pfeiffer-Affäre ist einer der größten politischen Skandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. Eine Chronologie der Ereignisse von 1986 bis heute:

Reiner Pfeiffer (r.) und sein Anwalt Hajo Wandschneider vor dem Untersuchungsausschuss in Kiel am 23.10.1987. © picture-alliance/ dpa Foto: Wulf Pfeiffer
Reiner Pfeiffer muss später vor dem Untersuchungsausschuss in Kiel aussagen.

2. Dezember 1986: Der Journalist Reiner Pfeiffer wechselt vom Axel-Springer-Verlag in die Staatskanzlei von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU), offiziell als Medienreferent.

Erstes Halbjahr 1987: Der Landtagswahlkampf ist in vollem Gange. Die seit 1950 regierende CDU befürchtet, ihre absolute Mehrheit zu verlieren. Reiner Pfeiffer betreibt - eigenen Aussagen zufolge auf Anweisung Barschels - eine Schmutzkampagne gegen den SPD-Spitzenkandidaten Björn Engholm. Unter anderem lässt er diesen von Detektiven beschatten und reicht eine anonyme Klage wegen Steuerhinterziehung ein. Gleichzeitig trifft sich Pfeiffer mehrmals mit SPD-Politikern, spielt ein doppeltes Spiel.

31. Mai 1987: Barschel überlebt als einziger einen Flugzeugabsturz in Lübeck, Pilot und Copilotin der Cessna sterben.

12. September 1987: Am Tag vor der Landtagswahl berichtet "Der Spiegel" über Schmutzaktionen gegen Engholm. Anstifter Pfeiffers, der kurz zuvor an das Nachrichtenmagazin herangetreten war, sei Barschel. Bei der Wahl verliert die CDU die absolute Mehrheit; es gibt ein Patt. Engholm behauptet - wie später ans Licht kommt wahrheitswidrig - erstmals von den Vorwürfen gegen Pfeiffer zu hören.

18. September 1987: Mit einem "Ehrenwort" weist Barschel alle Vorwürfe zurück. Zweifel an der Glaubwürdigkeit Pfeiffers kommen auf. In den folgenden Tagen erhärten Staatskanzlei-Mitarbeiter jedoch die Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten.

25. September 1987: Barschel kündigt zum 2. Oktober seinen Rücktritt an. In den Tagen zuvor waren Parteifreunde und der potenzielle Koalitionspartner FDP auf Abstand gegangen.

9. Oktober 1987: Vor einem Untersuchungsausschuss berichten SPD-Politiker erstmals, Kontakt zu Pfeiffer gehabt zu haben.

11. Oktober 1987: Barschel wird von einem "Stern"-Reporter tot im Genfer Hotel "Beau Rivage" gefunden - einem Treffpunkt internationaler Waffenhändler. Er befand sich auf dem Rückflug von seinem Ferienort Gran Canaria. Am folgenden Tag hätte er vor dem Untersuchungsausschuss aussagen sollen, die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt gegen ihn.

Die Schweizer Behörden begehen schwere Ermittlungsfehler, so funktioniert beispielsweise die Tatortkamera nicht. Der Ermittlungsbefund lautet Selbstmord, doch bald kommen Zweifel auf.

3. Februar 1988: Der erste Untersuchungsausschuss beendet seine Arbeit. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Anstoß zur Schmutzkampagne von Barschel kam. Im November 1987 hatten Mitarbeiter Barschels falsche eidesstattliche Versicherungen zurückgenommen, die diesen entlastet hatten.

8. Mai 1988: Die SPD holt mit ihrem Spitzenkandidaten Engholm bei einer Neuwahl die absolute Mehrheit.

1. März 1993: SPD-Sozialminister Günther Jansen gibt zu, circa 50.000 Mark an Pfeiffer gezahlt zu haben, die er gesammelt und in einer Schublade zu Hause angespart haben will. Jansen sagt aus, er habe Pfeiffer helfen wollen, da dieser arbeitslos sei. Selbst Parteifreunde zweifeln an dieser Darstellung; die CDU und Teile der SPD sprechen von Schweigegeld. Jansen tritt am 23. März 1993 zurück.

10. März: Ein Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der "Schubladen-Affäre" wird eingesetzt. Mehrere SPD-Politiker geben nun zu, schon lange vor der Wahl von Pfeiffer als Drahtzieher der Kampagne gewusst zu haben.

3. Mai 1993: Engholm tritt als Ministerpräsident, SPD-Vorsitzender und Kanzlerkandidat zurück. Er gibt zu, früher als im ersten Ausschuss ausgesagt von Pfeiffer gewusst zu haben.

1. Dezember 1994: Die Lübecker Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen wegen Mordverdachts im Fall Barschel ein; diese werden am 2. Juni 1998 eingestellt. Ob es Selbstmord oder Mord war, bleibt ungeklärt.

23. Oktober 1995: Der zweite Ausschuss zur "Barschel-Affäre", nach dem Rücktritt von Engholm eingesetzt, legt dem Verstorbenen nun statt einer Mittäter- nur noch eine Mitwisserschaft und die politische Verantwortung zur Last. Die Initiative zur Schmutzkampagne sei von Pfeiffer ausgegangen.

27. September 2007: Schleswig-Holsteins Generalstaatsanwalt Erhard Rex warnt nach zahlreichen Berichten vor einseitigen Mord-Spekulationen. Es gebe Indizien sowohl für Mord als auch für Selbstmord. Der ehemalige Lübecker Chefermittler, Oberstaatsanwalt Heinrich Wille, ist weiterhin von Mord überzeugt. Verschiedene Medien bringen unterdessen die Variante eines Selbstmords mit Beihilfe eines unbekannten Dritten ins Gespräch. Am 8. Oktober lehnt die Bundesanwaltschaft die von der Familie Barschel vehement geforderte Aufnahme von Ermittlungen ab.

30. Juli 2012: Der schleswig-holsteinische Oberstaatsanwalt Ralf Peter Anders gibt bekannt, dass auf Kleidungsstücken von Uwe Barschel DNA-Spuren von mindestens zwei Personen nachgewiesen wurden. Diese schwachen "Mischspuren" reichen laut Anders jedoch nicht aus, um die Ermittlungen wieder aufzunehmen.

Weitere Informationen
Filmszene aus "Der Fall Barschel" mit der nachgestellten Aufnahme des toten Politikers Uwe Barschel (hier gespielt von Matthias Matschke) in der Badewanne © ARD Degeto / Stefan Rabold

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 06.02.2016 | 19:30 Uhr

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