Barschel- und Schubladenaffäre: Zwei Untersuchungsausschüsse in Kiel
Zwischen 1987 und 1995 beschäftigen zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Eine umfassende Aufklärung der Barschel-Pfeiffer- und der Schubladenaffäre gelingt aber nicht.
Im Herbst 1987 erschüttert der Barschel-Pfeiffer-Skandal die politische Landschaft Schleswig-Holsteins. Uwe Barschels Medienreferent Reiner Pfeiffer hat angeblich im Auftrag des Ministerpräsidenten versucht, den SPD-Kandidaten Björn Engholm mit kriminellen Aktivitäten zu diskreditieren. Der Kieler Landtag setzt im September 1987 einen Untersuchungsausschuss ein, der die Affäre aufklären soll.
Im Zuge der Ermittlungen wird Barschel durch mehrere Zeugen schwer belastet. In seinem Abschlussbericht kommt der Ausschuss am 5. Februar 1988 zu dem Ergebnis, dass Barschel von der Diffamierungskampagne gegen seinen politischen Gegner Kenntnis hatte oder eine Mitwisserschaft zumindest wahrscheinlich sei. Barschel selbst wird am 11. Oktober tot aufgefunden und kann vor dem Ausschuss nicht mehr aussagen.
Zweiter Untersuchungsausschuss rollt den Fall Barschel neu auf
Im Frühjahr 1993 steht Reiner Pfeiffer plötzlich wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Angeblich hat er Zahlungen vom Kieler Sozialminister Günther Jansen erhalten. Der SPD-Politiker tritt deswegen Anfang März zurück. Ein zweiter parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll für Klarheit in der sogenannten Schubladenaffäre sorgen. Zwei Jahre lang arbeitet der Ausschuss in Kiel an der Aufklärung der Geschehnisse von 1987 bis 1993.
Bei den Nachforschungen des Ausschusses stehen drei Themen im Vordergrund: Die Aktionen gegen Engholm, mögliches Wissen der SPD um die Schmutzkampagne gegen ihren Spitzenkandidaten sowie die angeblichen Zahlungen Jansens an Pfeiffer.
Was wusste Barschel?
Der zweite Ausschuss kann im Gegensatz zum ersten "eine unmittelbare Beteiligung Barschels" in den meisten Punkten weder bestätigen noch widerlegen. Untersucht wird auch die Möglichkeit, dass Pfeiffer selbst die Spuren in Richtung Barschel gelegt hat - ohne Ergebnis. Pfeiffer habe "wohl zumindest mit Billigung Barschels gehandelt", so die Formulierung im Abschlussbericht von 1995.
Was wusste die SPD?
Vermutungen, dass Engholm bereits im Frühjahr 1987 über Pfeiffers Machenschaften informiert war, können im zweiten Untersuchungsausschuss nicht belegt werden. Fest steht, dass Pfeiffer sich ab Mitte Juli 1987 mehrmals mit SPD-Landespressesprecher Klaus Nilius getroffen hat. Während Pfeiffer behauptet, Nilius in die Schmutzkampagne eingeweiht zu haben, dementiert Nilius dies.
Geklärt wird hingegen eine entscheidende Frage: Entgegen seiner Aussage im ersten Untersuchungsausschuss hat Björn Engholm bereits ab dem 7. September 1987 von Pfeiffers Aktivitäten gegen ihn gewusst. An jenem 7. September treffen im Lübecker Hotel "Lysia" der damalige SPD-Landesvorsitzende Günther Jansen, Pfeiffer und der Rechtsanwalt Peter Schulz zusammen. Pfeiffer offenbart bei dem Gespräch die gegen die SPD gerichteten Aktivitäten. Daraufhin gibt Schulz diese Informationen an Engholm weiter, was beide vor dem zweiten Ausschuss bestätigen. Engholm tritt wegen seiner Lüge vor dem ersten Untersuchungsausschuss am 3. Mai 1993 als Kieler Ministerpräsident und SPD-Vorsitzender zurück.
Erhielt Pfeiffer Geld von der SPD?
Der "Stern" deckt Anfang 1993 auf, dass der ehemalige Barschel-Berater Reiner Pfeiffer Geld von SPD-Mann Günther Jansen bekommen hat. Jansen tritt daraufhin im März als Kieler Sozialminister zurück. Vor dem Ausschuss berichtet er, dass er Pfeiffer durch Klaus Nilius zwei Mal "20.000 DM plus" habe überbringen lassen. Dies habe er aus sozialer Verantwortung getan, weil Pfeiffer nach der Barschel-Affäre zunächst keine Anstellung fand. Der zweite Untersuchungsausschuss hakt nach: Gab es möglicherweise einen weiteren Spender? Ist soziale Verantwortung die wahre Motivation Jansens? Spielt Erpressung eine Rolle? Ausschließen kann der Ausschuss lediglich die Beteiligung aus Mitteln der SPD. Die Nachforschungen ergeben keinen Beleg dafür, dass das Geld nicht aus Jansens Privatvermögen stammt. Auch das Motiv der sozialen Verantwortung lässt sich nicht widerlegen.