Der mysteriöse Tod Uwe Barschels
Am 11. Oktober 1987 liegt Uwe Barschel tot in seinem Zimmer im Genfer Hotel "Beau Rivage". Einen Tag später hätte der 43-Jährige vor einem Untersuchungsausschuss aussagen sollen - kurz zuvor war er als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zurückgetreten. "Stern"-Reporter Sebastian Knauer entdeckt damals die Leiche in der Badewanne des Hotelzimmers. Gestorben ist Barschel an einem Mix aus Medikamenten. War es Selbstmord - oder gar Mord? Die Schweizer Polizei geht von einem Suizid aus - doch die Ermittler machen Fehler, wie sich herausstellt. Auch die Anstrengungen der deutschen Behörden führen zu keinem Ergebnis; sie stellen 1998 ihre Ermittlungen ein. Unter welchen Umständen der CDU-Politiker ums Leben kam, bleibt ungeklärt. Bis heute ranken sich zahlreiche Spekulationen um den Fall. Mehrere Zeitzeugen lieferten im Laufe der Jahre Erklärungsversuche, die sich aber bisher aufgrund fehlender Beweise nicht erhärten ließen.
Mossad-Agenten als Barschel-Mörder?
Der ehemalige Mossad-Agent Victor Ostrovsky behauptet in seinem Buch "Geheimakte Mossad", dass der israelische Geheimdienst Barschel getötet habe. Bei der Operation "Hannibal" sei es um geheime Waffengeschäfte zwischen dem Iran und Israel gegangen, die über Schleswig-Holstein gelaufen seien. Barschel habe sich der Abwicklung von Geschäften widersetzen wollen. Gestützt wird diese These vom ehemaligen iranischen Staatspräsidenten Abolhassan Bani-Sadr. Nach dessen Angaben sei Barschel im Iran in Waffengeschäfte mit Ahmad Chomeini, Sohn des Ajatollahs Chomeini, involviert gewesen.
Ostrovskys Schilderung des Mordes an dem CDU-Politiker deckt sich zudem mit den toxikologischen Erkenntnissen des Schweizer Chemikers Klaus Brandenberger. Die Angehörigen Barschels hatten Brandenberger 1994 mit den Untersuchungen beauftragt. Er kam zu dem Ergebnis, dass Barschel zunächst durch die Verabreichung mehrerer Medikamente betäubt wurde, bevor ihm die tödliche Dosis eines Schlafmittels verabreicht wurde.
BND-Agent zufällig in Genf?
Eine weitere Spur führt zu Werner Mauss. Der BND-Agent hatte vom 10. auf den 11. Oktober 1987 ein Zimmer im "Beau Rivage" angemietet. Allerdings verbrachte er die Nacht nach eigenen Angaben nicht dort, sondern im Hotel "Richmond". Mauss gab an, sich wegen Verhandlungen im Zusammenhang mit einer Geiselnahme im Libanon in Genf aufgehalten zu haben.
Spielte die Stasi eine Rolle?
Ende der 1980er-Jahre kamen Spekulationen auf, das Ministerium für Staatssicherheit der DDR habe etwas mit Barschels Tod zu tun. Auch hier gab es Hinweise auf eine Verstrickung in Waffen- und Embargogeschäfte, die aber nie bewiesen werden konnten. Fest steht lediglich, dass Barschel Reisen in die DDR unternommen hat und Kontakte zu Stasi-Mitarbeitern pflegte. Insbesondere hielt er sich häufig in Rostock und Warnemünde auf, wie seine Fahrer bestätigten.
CIA: Angst vor Enthüllungen?
Die Aussage des südafrikanischen Waffenhändlers Dirk Stoffberg führte 1994 auf die Spur des US-amerikanischen Auslandsnachrichtendienstes CIA. Deren Direktor, der spätere US-amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates, habe Barschel laut Stoffberg in Genf treffen wollen. Dabei sei es um Barschels Drohung gegangen, Waffengeschäfte auffliegen zu lassen. Kurz bevor er eine eidesstattliche Erklärung abgeben wollte, beging Stoffberg nach offiziellen Angaben Selbstmord. Der Lufthansa-Pilot, der zunächst bestätigte, dass Gates als Passagier nach Genf geflogen sei, verweigert inzwischen jegliche Aussage.
Selbstmord mit oder ohne Beihilfe?
Die Ermittler hielten zunächst eine Selbsttötung Barschels für wahrscheinlich. Später zogen sie auch in Erwägung, dass Barschel mit Hilfe einer weiteren Person Suizid verübt hat. Der Medikamentencocktail, an dem der Politiker starb, entspricht in weiten Teilen den Empfehlungen von Sterbehilfe-Organisationen. Ein möglicher Sterbehelfer könnte auch das Whisky-Fläschchen ausgespült haben, das die Spurensicherung ausgeleert und gesäubert im Hotelzimmer fand. Beweise fanden die Ermittler auch für diese These nicht.
Ermittler finden DNA-Spuren
Im Juli 2012 wurde bekannt, dass die Lübecker Staatsanwaltschaft Kleidungsstücke des Politikers mit aktuellsten Methoden auf DNA-Spuren untersuchen ließ. Dabei stellten Spezialisten des Kieler Landeskriminalamtes fest, dass Barschel vor seinem Tod von mindestens einer anderen Person berührt worden sein muss. Allerdings sei das Material "zu schwach" für weitere Ermittlungen, hieß es von Seiten der Staatsanwaltschaft. Es reiche nicht aus, um es mit Informationen in der DNA-Datenbank des Bundeskriminalamtes abzugleichen.
Buch zum 30. Todestag
Zum 30. Todestag legt sich ein weiteres Buch auf Mord fest. Der Titel: "Im Spinnennetz der Geheimdienste. Warum wurden Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet?" Die Autoren sind der Kieler Journalist Patrik Baab und der amerikanische Politologe Robert E. Harkavy. Sie bringen Barschels Fall mit dem Tod des früheren schwedischen Ministerpräsidenten und eines Ex-CIA-Chefs in Zusammenhang. "Heute ist klar: Uwe Barschel hatte Kontakt zum US-Geheimdienst", heißt es in dem Buch, das unzählige Hintergründe und Details über Barschel bündelt.