Rätselhafte Fahrten in die DDR
Für die NDR Dokumentation "Der Tod des Uwe Barschel - Skandal ohne Ende" hat Patrik Baab mit SPD-Politiker Norbert Gansel gesprochen.
"Rufen Sie mich in vier Wochen noch einmal an. Ich weiß nicht, ob ich dazu etwas sagen will. Eigentlich habe ich mit der Sache abgeschlossen." Norbert Gansel ist kein leichter Partner. Das ist er nie gewesen. Besonders nicht beim Thema Barschel. Als das Treffen dann doch zustande kommt, sagt er, warum: "Seit Sie mich angerufen haben, kann ich nachts kaum noch ruhig schlafen."
Ein privates Idyll gegen die politische Wirklichkeit
Norbert Gansel wohnt in einem Reetdachhaus im Kieler Vorort Meimersdorf. Alte Schränke, Bauernmöbel, eine rustikale Küche. An Bücherregalen, die in die erste Etage aufragen, streift die Katze vor ihrem Hofspaziergang lang. Ein Idyll, das der ehemalige Kieler Oberbürgermeister und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete gegen die politische Wirklichkeit setzt, die er erlebt hat - und die ihn noch heute schlecht schlafen lässt.
Da sitzt er nun vor der Kamera. Es wird ein langes Gespräch. Langes, grübelndes Nachdenken, fast vor jedem Satz. Und dann kommen Überlegungen wie: "Eines der größten Rätsel im Falle Barschel - das sind diese heimlichen Fahrten in die DDR. Das hat sich offenbar in einer Atmosphäre der Vertrautheit und der Heimlichtuerei abgespielt. So etwas geht nicht ohne geheimdienstliche Abdeckung - auf beiden Seiten."
"Gegen Erpressbarkeit hilft nur die Wahrheit"
Norbert Gansel hadert - mit der Politik in diesem Land, mit seinen Erfahrungen im U-Boot-Untersuchungsausschuss des Bundestages, mit seiner eigenen Partei, mit Björn Engholm. Aus politischen Weggefährten, die sie einmal waren, wurden Gegner, aus Parteifreunden Feinde. Gansel wollte die Wahrheit, wollte wissen, was Engholm wusste von Pfeiffers Aktionen. Daraufhin hat Engholm seinen Anwalt Peter Schulz, der an einem heimlichen Treffen mit Pfeiffer teilgenommen und Engholm eine Woche vor der Wahl unterrichtet hatte, von der Schweigepflicht entbunden, und Gansel konnte ihn am 18. März 1993 treffen. Zu Dritten reden durfte keiner der beiden, denn auch Gansel unterlag als Abgeordneter der Schweigepflicht. Danach wurde es Norbert Gansel zuviel und er entschloss sich, über das frühe Wissen Engholms über Pfeiffers Machenschaften auszupacken: "Gegen Erpressbarkeit hilft nur die Wahrheit." Und dann erzählt er, wie in der SPD jene unter Druck gesetzt wurden, welche die Wahrheit wollten: "Eine regelrechte Hexenjagd." Das hat Norbert Gansel nie verwunden.
"Barschel war in die Geschäfte eingeweiht"
Verwunden hat er auch nicht, wie er im U-Boot-Untersuchungsausschuss ausgebremst wurde. Die Ausschussmehrheit von Union und FDP verhinderte, dass zum Thema Provisionen beim illegalen U-Boot-Deal mit Südafrika Fragen gestellt werden durften. Doch einiges hat er über das Geschäft trotzdem herausgefunden: "Es wurden mindestens 150 Millionen Mark Schmiergeld bezahlt." Und: "Barschel wusste Bescheid, er war in das Geschäft eingeweiht."
An diesem Tag hört Norbert Gansel nicht mehr auf zu reden. Als wir uns verabschieden, redet er noch unter der Tür. Noch Wochen später kommen Anrufe mit kritischen Hinweisen, neuen Überlegungen: "Hat die SPD Pfeiffer umgedreht? Und wenn ja, wann?" Norbert Gansel - auch einer, der mit dem Fall Barschel nicht fertig wird.