Als die Nordfriesen nach New York kamen
In Notzeiten suchten Nordfriesen von den Inseln Föhr und Amrum Arbeit in der Fremde - und blieben oft gleich da, wo sie den Passagierdampfer verlassen hatten: in Manhattan, Brooklyn, der Bronx oder auf Long Island.
Die letzte große Auswanderungswelle schwappte nach dem Zweiten Weltkrieg über den Atlantik. In den 50er- und 60er-Jahren lösten junge Männer und Frauen von den Inseln ihre Tickets in die Neue Welt, weil in der Heimat magere Zeiten herrschten. Die Föhrer und Amrumer hatten etliche hungrige Mäulern zu stopfen, die Höfe konnten nicht alle Familien ernähren, der Tourismus nahm erst langsam Fahrt auf - da kam der Ruf älterer Auswanderer aus der Neuen Welt gerade recht. Von 1950 bis Mitte der 1960er-Jahre suchten etwa 500 Nordfriesen ihr Glück in Übersee - 100 Amrumer und knapp 400 Föhrer wanderten in die USA aus.
Mit dem Dampfer in die neue Welt
Mit der "Bremen", der "Hanseatic", der "Gripsholm" oder der "Italia" ging es von Bremerhaven und Hamburg in ein neues, vermeintlich besseres Leben. Die Ahnen hatten den Weg bereitet: Schon 1864 waren viele Männer von den Inseln Nordfrieslands ausgewandert, um der preußischen Wehrpflicht zu entgehen, von der sie vorher unter dänischer Herrschaft befreit waren. In New York war über Generationen eine stattliche Gemeinde von Föhrern und Amrumern sesshaft geworden, die gutes Geld mit Delikatessen verdienten - Feinkostläden, die alles im Überfluss anzubieten hatten, wovon man in Norddeutschland nur träumen konnte. Die selbst gemachten Feinkostsalate oder frisch gebackener Kuchen nach nordfriesischen Rezepturen kamen gut an - nicht nur bei der deutschen Auswanderergemeinde.
Harte Arbeit in Feinkostläden
Wenn diese wohlhabenden Verwandten zu Besuch nach Nordfriesland kamen oder gar ganz zurückkehrten, ahnten die Daheimgebliebenen, was im Land der unbegrenzten Möglichkeiten tatsächlich möglich war: Die Dollars schienen buchstäblich auf der Straße zu liegen.
Freilich sah die Realität anders aus: Ohne Fleiß kein Preis. Der amerikanische Traum wurde nur für jene wahr, die bereit waren, sich zu schinden. Von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr abends schufteten sie Tag für Tag in ihren "Delis". Angestellte hatten sonntags frei, Ladenbesitzer meistens nicht. Doch die Mühe lohnte sich, denn die meisten Auswanderer kehrten ohnehin nach ein paar Jahren harter Arbeit zurück nach Hause, um dort mit dem sauer verdienten Vermögen ein sorgenfreies Leben zu führen.
Das Auswanderermuseum "BallinStadt" in Hamburg und das Auswandererhaus in Bremerhaven erinnern an die Millionen Menschen, die Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert verlassen haben.