Zwei Dörfer feiern die Einheit
Einheitstag in Siemerode. An den Straßen des kleinen Dorfes gibt es kaum noch einen Parkplatz, viele Autos haben Göttinger Kennzeichen. Die Kirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt und nebenan im Dorfgemeinschaftshaus werden die ersten Biere gezapft. Die Einheitsfeier hat eine lange Tradition. Seit 1990 feiern Siemerode in Nordthüringen und Weißenborn in Südniedersachsen den Tag der Einheit gemeinsam, erklärt der Thüringer Peter Nolte: "Jetzt nach fast 30 Jahren kommen Leute, die damals noch gar nicht geboren waren. Und die stehen genauso erwartungsvoll auf dem Saal - und dann Nationalhymne, Eichsfeldlied, Niedersachsenlied. Das ist jedes Mal Gänsehautfeeling."
Einheitsfeier verbindet Dörfer seit 29 Jahren
Im Januar 1990 fiel der Zaun zwischen Siemerode und Weißenborn. Am 3. Oktober 1990 gab es die erste Einheitsfeier, erinnert sich Peter Nolte. "Im August hatte Bundeskanzler Helmut Kohl angekündigt, dass der 3. Oktober der Vereinigungstag werden soll. Noch am gleichen Morgen sind wir los und haben die Musikkapelle bestellt. Dass das alles jetzt noch bei uns anhält, das ist einmalig in Deutschland. Und wir sind so was von stolz darauf." Hermann Hille aus dem knapp zwei Kilometer entfernten Nachbardorf Weißenborn in Niedersachsen zapft Bier an diesem Tag. Auch er war von Anfang dabei: "Ossi und Wessi - das waren für mich immer Deutsche. Das war für mich auch immer dieser Kontakt hier mit den Bürgern."
Erste Begegnung in der Neujahrs-Nacht
Hermann Hille erinnert sich noch gut an die erste Begegnung mit den Menschen aus dem östlichen Nachbarort in der Wendezeit. Die Weißenbörner feierten damals im Sporthaus unweit des Grenzzaunes Silvester - die Jahreswende 1989/90. "Drüben feierten die Siemeröder. Die wollten, dass der Zaun geöffnet wird - und wir wollten das auch. Das war eine einmalige Feier." Für diese eine Nacht wurde der Zaun aufgemacht und DDR-Polizisten feierten mit - im Westen, in Weißenborn. An Neujahr allerdings wurde der Grenzzaun zwischen Siemerode und Weißenborn wieder dicht gemacht, sagt Peter Nolte. "Wir haben dann darauf gedrungen, dass die Straße zwischen Weißenborn und Siemerode aufgemacht wird - obwohl das nur eine kleine Dorfverbindungsstraße war. Und tatsächlich, am 20. Januar 1990, wurde dann dort auch geöffnet."
"Fast der Mittelpunkt von Deutschland"
Der Weg zwischen den beiden Dörfern wurde zu einem echten Verbindungsweg für die Menschen in Ost und West. Die Welt wurde größer. Weißenborn lag plötzlich nicht mehr im Zonenrandgebiet, Siemerode nicht mehr im Sperrgebiet der DDR, erklärt Peter Nolte. "Wir haben ja immer am Ende der Welt gewohnt, ob das nun Siemerode oder Weißenborn war. Aber wenn man jetzt einen Zirkel nimmt und in die Karte steckt, dann sieht man, dass wir jetzt fast der Mittelpunkt von Deutschland sind."