Stand: 07.11.2019 17:10 Uhr

Zwei Dörfer feiern die Einheit

von Ute Andres

Einheitstag in Siemerode.  An den Straßen des kleinen Dorfes gibt es kaum noch einen Parkplatz, viele Autos haben Göttinger Kennzeichen. Die Kirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt und nebenan im Dorfgemeinschaftshaus werden die ersten Biere gezapft. Die Einheitsfeier hat eine lange Tradition. Seit 1990 feiern Siemerode in Nordthüringen und Weißenborn in Südniedersachsen den Tag der Einheit gemeinsam, erklärt der Thüringer Peter Nolte: "Jetzt nach fast 30 Jahren kommen Leute, die damals noch gar nicht geboren waren. Und die stehen genauso erwartungsvoll auf dem Saal - und dann Nationalhymne, Eichsfeldlied, Niedersachsenlied. Das ist jedes Mal Gänsehautfeeling."

Einheitsfeier verbindet Dörfer seit 29 Jahren

Im Januar 1990 fiel der Zaun zwischen Siemerode und Weißenborn.  Am 3.  Oktober 1990  gab es die erste Einheitsfeier, erinnert sich Peter Nolte. "Im August hatte Bundeskanzler Helmut Kohl angekündigt, dass der 3. Oktober der Vereinigungstag werden soll. Noch am gleichen Morgen sind wir los und haben die Musikkapelle bestellt. Dass das alles jetzt noch bei uns anhält, das ist einmalig in Deutschland. Und wir sind so was von stolz darauf." Hermann Hille aus dem knapp zwei Kilometer entfernten Nachbardorf Weißenborn in Niedersachsen zapft Bier an diesem Tag. Auch er war von Anfang dabei: "Ossi und Wessi - das waren für mich immer Deutsche. Das war für mich auch immer dieser Kontakt hier mit den Bürgern."  

Weitere Informationen
Jubelnd laufen drei junge Ost-Berliner am 10. November 1989 durch einen Berliner Grenzübergang. © dpa

Mauerfall 1989: Umbruch eines Systems

Massenfluchten und Montagsdemos bringen 1989 das DDR-Regime ins Wanken. Am 9. November fällt in Berlin überraschend die Mauer. Ein Dossier. mehr

Erste Begegnung in der Neujahrs-Nacht

Hermann Hille erinnert sich noch gut an die erste Begegnung mit den Menschen aus dem östlichen Nachbarort in der Wendezeit.  Die Weißenbörner feierten damals im Sporthaus unweit des Grenzzaunes Silvester - die Jahreswende 1989/90. "Drüben feierten die Siemeröder. Die wollten, dass der Zaun geöffnet wird - und wir wollten das auch. Das war eine einmalige Feier." Für diese eine Nacht wurde der Zaun aufgemacht und DDR-Polizisten feierten mit - im Westen, in Weißenborn. An Neujahr allerdings wurde der Grenzzaun zwischen Siemerode und Weißenborn wieder dicht gemacht, sagt Peter Nolte. "Wir haben dann darauf gedrungen, dass die Straße zwischen Weißenborn und Siemerode aufgemacht wird - obwohl das nur eine kleine Dorfverbindungsstraße war. Und tatsächlich, am 20. Januar 1990, wurde dann dort auch geöffnet."

"Fast der Mittelpunkt von Deutschland"

Der Weg zwischen den beiden Dörfern wurde  zu einem echten Verbindungsweg für die Menschen in Ost und West. Die Welt wurde größer. Weißenborn lag plötzlich nicht mehr im Zonenrandgebiet, Siemerode nicht mehr im Sperrgebiet der DDR, erklärt Peter Nolte. "Wir haben ja immer am Ende der Welt gewohnt, ob das nun Siemerode oder Weißenborn war. Aber wenn man jetzt einen Zirkel nimmt und in die Karte steckt, dann sieht man, dass wir jetzt fast der Mittelpunkt von Deutschland sind."

Weitere Informationen
Ein Paar hält sich an den Händen - beide tragen Deutschland-Armbänder. © Photocase/ Andrey-fo Foto: Andrey-fo

Angekommen - angenommen?

Nach dem Fall der Mauer und der Wende zieht es Ostdeutsche in den Westen - und umgekehrt. Übersiedler wie Medizinerin Anke Witte treffen auf Berührungsängste und neue Freunde. mehr

Fischer Detlef Jürs © NDR / Thorsten Philipps Foto: Thorsten Philipps

Die Fischer vom Dassower See

Die Teilung führte auf dem Dassower See zu einer merkwürdigen Situation: Westdeutsche Fischer durften ihre Netze auswerfen, die ostdeutschen Kollegen mussten vom Ufer aus zusehen. mehr

Dorfbewohner von Zicherie beobachten am 16. November 1989 den Abbau des Grenzzaunes © dpa - Bildfunk Foto: Wolfgang Weihs

Zicherie-Böckwitz: Wiedersehen im geteilten Dorf

Auch Zicherie im Osten Niedersachsens und das benachbarte Böckwitz trennte eine Mauer. 1989 feierten die Einwohner das ersehnte Wiedersehen. mehr

Grenzmuseum in Schlagsdorf © picture alliance/dpa Foto: Markus Scholz

Dienst an der innerdeutschen Grenze

Jahrelang bewachten Dieter Schmidt und Harald Czymoniak die Grenze bei Lauenburg. Der eine im Westen, der andere im Osten. mehr

Ein Wachturm der DDR-Grenzsoldaten direkt am Elbufer. © NDR / Elisabeth Weydt Foto: Elisabeth Weydt

Flucht über die vereiste Elbe

Im Januar 1970 klingeln zwei Männer bei Familie Giering in Neu Darchau. Sie sind im Nebel über die zugefrorene Elbe geflüchtete. Der Beginn einer Freundschaft, die bis heute hält. mehr

Multimedia-Doku
Westdeutsche Grenzbeamte und Zuschauer begrüßen einen Trabi am 10.11.1989 am Grenzübergang Helmstedt © dpa / picture alliance Foto: Holger Hollemann

Mauerfall: Neu geboren 1989

Am 9. November 1989 fällt die Mauer. In sechs Multimedia-Dokus tauschen sich Zeitzeugen, die damals 30 Jahre alt waren, mit 1989 geborenen Menschen aus. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 09.11.2019 | 09:20 Uhr

Mehr Geschichte

Die durch alliierte Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zum Teil zerstörte Hamburger Michaeliskirche 1945. © picture-alliance/akg-images

St. Michaelis-Kirche: Hamburger Michel trotzt Bränden und Krieg

Nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche am 19. Oktober 1952 neu geweiht. Die wechselvolle Geschichte eines Wahrzeichens. mehr

Norddeutsche Geschichte