Eine Frau mit einem Baby auf dem Arm schaut traurig. © Monkey Business 2/Shotshop/picture alliance

Wochenbettdepression: Symptome erkennen und Hilfe finden

Stand: 22.07.2024 06:41 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Rund 15 Prozent aller Mütter leiden an einer Wochenbettdepression (postpartale Depression). Auch Partner können betroffen sein. Ein Fragebogen hilft, die Erkrankung zu erkennen. Psychotherapie kann helfen.

von Nadine Becker

In keiner anderen Lebensphase ist das Risiko so hoch, an einer Depression zu erkranken, wie im Wochenbett. Schätzungen zufolge leiden rund 15 Prozent der Mütter an einer postpartalen Depression, auch Wochenbettdepression genannt. Häufig wird die Erkrankung jedoch nicht oder erst spät diagnostiziert. Das hängt auch damit zusammen, dass sie für viele Betroffene schambehaftet ist und nicht dem gesellschaftlichen Bild von der glückseligen Zeit nach der Geburt entspricht. Auch deshalb gehen Expertinnen und Experten von einer hohen Dunkelziffer aus.  

"Baby Blues": Stimmungsschwankungen direkt nach der Geburt häufig 

Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit in der Zeit nach der Geburt sind zunächst normal. Sie können einige Stunden bis zu einige Tage anhalten. Ein Phänomen, das mehr als 50 Prozent der Mütter erleben. Daher wird die Zeit nach der Geburt auch häufig “Baby Blues” oder "Heultage" genannt. Ursache für dieses seelische Tief ist zum einen der fast schlagartige Abfall der Hormone Östrogen und Progesteron im Körper der Mutter nach der Geburt - eine hormonelle Umstellung, an die sich der Körper erst einmal gewöhnen muss. Zum anderen leiden stillende Mütter in der Zeit nach der Geburt oft an ausgeprägtem Schlafmangel und es bedarf einer enormen Anpassungsleistung an die neue Lebensrealität mit Kind. Auch das begünstigt Stimmungsschwankungen. 

Halten die negativen Gefühle jedoch länger als zwei Wochen an oder Traurigkeit, Angst und Antriebslosigkeit gewinnen insgesamt die Überhand, kann das ein Hinweis auf eine postpartale Depression sein.  

Wochenbettdepression: Symptome länger als zwei Wochen  

Eine postpartale Depression, auch Wochenbettdepression, ist eine länger als zwei Wochen anhaltende depressive Episode, die in den ersten vier Wochen nach der Geburt begonnen hat. Sie kann sich unterschiedlich äußern. Als Hauptsymptome für eine depressive Episode gelten: eine gedrückte Stimmung, Freud- und Interessenverlust an sonst als angenehm empfundenen Aktivitäten und verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit. Mögliche zusätzliche Symptome sind ein Verlust des Selbstwertgefühls oder -vertrauens, unbegründete Selbstvorwürfe oder unangemessen ausgeprägte Schuldgefühle, Schlafstörungen oder Appetitverlust. Die Symptome können bereits während der Schwangerschaft bestanden haben, dann bezeichnet man die Erkrankung als peripartale Depression. Ebenso kann sie nach mehreren Geburten auftreten und auch Partnerpersonen können betroffen sein.

Wochenbettdepression: Depression nach der Geburt  

Eine Wochenbettdepression unterscheidet sich nur gering von einer Depression in anderen Lebensphasen. So sind die Diagnosekriterien dieselben wie bei einer depressiven Episode zu einem anderen Zeitpunkt im Leben. Einen entscheidenden Unterschied gibt es jedoch: Häufig empfinden Betroffene starke Schuldgefühle gegenüber dem Baby, haben das Gefühl ihren Anforderungen als Mutter nicht gerecht werden zu können und machen sich große Sorgen in Bezug auf sich und ihr Baby.  

Das kann sich wie folgt äußern: 

  • Selbstzweifel, Versagensängste oder das Gefühl eine “schlechte Mutter” zu sein
  • Schuldgefühle
  • Ängste und Sorgen um das Kind
  • Gefühllosigkeit gegenüber dem Kind, Schwierigkeiten Beziehung zum Kind aufzubauen
  • Reizbarkeit
  • Stimmungsschwankungen
  • Stillprobleme Schlaf- und Konzentrationsstörungen
  • Appetitlosigkeit
  • Zwangsgedanken, Gedanken sich selbst oder das Kind zu verletzen

Abzugrenzen von der postpartalen Depression ist die sogenannte postpartale Psychose. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die durch Wahnvorstellungen gekennzeichnet ist. Ihr Auftreten ist selten, aber ein psychiatrischer Notfall, da es dabei auch zur Verletzung von sich selbst und anderen kommen kann. Tritt sie auf, ist schnelle psychiatrische Hilfe wichtig.  

Selbsttest hilft Wochenbettdepression zu erkennen 

Der Edinburgh Depressions-Fragebogen nach der Geburt (EPDS) kann dabei helfen, eine postpartale Depression zu erkennen. Dabei handelt es sich um zehn Fragen, die Mütter oder Partnerpersonen selbst beantworten können, um herauszufinden, ob sie gegebenenfalls an einer Wochenbettdepression leiden. Liegt das Testergebnis bei 13 oder mehr Punkten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Depression vorliegt, hoch. Potenziell Betroffene sollten auch eine mögliche organische Ursache für einige der Symptome ärztlich abklären lassen, wie zum Beispiel eine postpartale Anämie oder eine Schilddrüsenunterfunktion. 

Postpartale Depression sollte behandelt werden 

Eine Wochenbettdepression ist eine ernstzunehmende Erkrankung. Sie kann Auswirkungen auf das eigene Wohlbefinden und das Verhältnis zum Kind haben. Häufig ist die gesellschaftliche Erwartung, dass die Zeit nach der Geburt eine der glücklichsten im Leben überhaupt ist. Auch deshalb fällt es Betroffenen oft schwer, offen und ehrlich über ihre Symptome zu sprechen und sich Hilfe zu suchen. Das ist aber wichtig, denn postpartale Depressionen können langfristige Auswirkungen auf Eltern und Kind haben.  

Mögliche Folgen von Wochenbettdepressionen  

Postpartale Depressionen können Monate bis Jahre anhalten. Unbehandelt besteht die Gefahr der Chronifizierung. Auch kann bei Betroffenen das Gefühl entstehen, sich oder dem Kind etwas antun zu wollen. Suizide während der Stillzeit sind selten. Bestehen aber Zwangsgedanken oder die Gefahr der Verletzung von sich selbst oder anderen ist dringend medizinische und psychotherapeutische Hilfe zum Beispiel im Rahmen einer stationären Aufnahme nötig. 

Wochenbettdepressionen können zu Bindungsstörungen führen 

Auch für das Kind kann die elterliche Erkrankung Folgen haben. Studien haben zeigen können, dass postpartale Depressionen zu einer gestörten Mutter-Kind-Beziehung, sowie kognitiven und emotionalen Entwicklungsstörungen führen können. Im Rahmen der Erkrankung kann das Verhalten der Mütter gegenüber ihrem Kind gekennzeichnet sein von reduzierter verbaler und visueller Kommunikation. Kinder betroffener Eltern leiden häufiger unter Schlaf- und Stillproblemen, sowie Fütter- und Gedeihstörungen. Langfristig kann es zu einem sogenannten unsicher-gebundenen Bindungsstil kommen.

Psychotherapie, Anti-Depressiva, Entlastung und Bewegung helfen 

Zur Behandlung einer postpartalen Depression können vor allem Psychoedukation und Psychotherapie hilfreich sein. Zu den wirksamsten Verfahren gehören dabei die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), die interpersonelle Psychotherapie und die Eltern-Säugling-Kleinkind-Psychotherapie (ESKP). Einige Studien zeigen, dass auch Sport und regelmäßige körperliche Bewegung helfen können, die Beschwerden einer Depression in der Schwangerschaft und danach zu verringern.

Auch kann Betroffenen eine Entlastung durch zum Beispiel Haushaltshilfe oder Kinderbetreuung, sowie Entspannung und Yoga helfen. Bei einer schweren depressiven Episode oder rezidivierenden depressiven Episoden können zusätzlich Antidepressiva verordnet werden. Dies sollte jedoch unter strenger Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen, da die Medikamente in die Muttermilch übergehen.   

Mögliche Anlaufstellen für Betroffene sind hausärztliche Praxen, Fachärztinnen und Fachärzte der Bereiche Gynäkologie und Psychotherapie, aber auch Schwangerschafts- und Familienberatungsstellen, sowie Hebammen. Auch Selbsthilfegruppen und der Austausch mit anderen Eltern kann hilfreich sein.  

 Vorbestehende Depression und belastende Geburtsereignisse sind Risikofaktoren 

Größter Risikofaktor für die postpartale Depression ist, wenn bereits vor der Schwangerschaft oder früher im Leben eine Depression oder eine andere psychische Erkrankung, wie zum Beispiel eine Angststörung bestand. Kommt es während oder nach der Geburt zu belastenden Ereignissen, wie zum Beispiel einem ungewollten Kaiserschnitt oder Gewalt unter der Geburt, erhöht auch das das Risiko für eine Wochenbettdepression. Auch eine ungewollte Schwangerschaft und Partnerkonflikte erhöhen das Risiko, insbesondere wenn es zu körperlicher oder psychischer Gewalt durch die Partnerperson kommt. Mangelnde partnerschaftliche Unterstützung und fehlende Unterstützung aus dem familiären und weiteren sozialen Umfeld können zum Auftreten beitragen. 

Regelmäßige Hebammenbesuche und Unterstützung kann vorbeugen 

Sowohl Stimmungstiefs als auch eine ernstzunehmende Wochenbettdepression lassen sich nicht zwangsläufig verhindern. Aber werdende Mütter können Vorkehrungen treffen und unterstützende Maßnahmen ergreifen, um das Risiko zu senken und möglichst gut durch diese anspruchsvolle Zeit der Veränderung zu kommen. So können regelmäßig geplante Besuche durch Hebammen, speziell ausgebildete Pflegekräfte oder auch die Beratung durch Fachpersonal am Telefon helfen. Auch hilft es, frühzeitig Unterstützung zu organisieren für die Zeit nach der Geburt, sei es durch Familie, Freunde, Partner, Betreuende und Haushaltshilfen. Über das Nationale Zentrum “Frühe Hilfen” können Eltern mit Kindern bis drei Jahren zum Beispiel Hilfe, Beratung und Unterstützung bekommen. Kurz nach der Geburt sollten Eltern regelmäßige Ruhepausen einplanen, sich auch Zeit für sich selbst nehmen.

Ruhe, Zeit und Fürsorge sind in dieser Zeit essenziell. Eine Stillberatung und auch der Austausch mit anderen Eltern kann sinnvoll sein. Verwandte und Bekannte sollten vor allem Verständnis zeigen, praktische Unterstützung anbieten und den Eltern Mut machen. Ob pflanzliche Mittel wie Johanniskraut in der Stillzeit helfen und welche Nebenwirkungen es haben kann, ist kaum untersucht. Zumal es bei der Einnahme zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen kann. Studien zur Einnahme von Omega-3-Fettsäuren sind bisher ohne eindeutiges Ergebnis.  

Expertinnen und Experten aus dem Beitrag

 

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Visite | 23.07.2024 20:15 Uhr

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Psychische Erkrankungen

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